Was auf den ersten Blick wie eine Stärke aussieht, ist der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) zufolge in Wirklichkeit eine Schwäche. Der Zuwachs dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass 2023 für die bayerische Exportwirtschaft ein herausforderndes Jahr war, so vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt, und die Aussichten für 2024 seien trüb: Die Nachfrage entwickle sich schwach.
Unterm Strich wurden im Freistaat auch im vergangenen Jahr wieder deutlich mehr Waren eingeführt als ausgeführt, und das trotz stark rückläufiger Energiepreise. Die Handelsbilanz ist nun schon seit 2019 negativ, was das Wirtschaftswachstum in Bayern belastet. So ergab sich für 2023 ein Minus von 10 Milliarden Euro in der Handelsbilanz, wenn man von den Einfuhren die Ausfuhren der bayerischen Exportindustrie abzieht.
ifo-Institut: Das alte Geschäftsmodell "Made in Bavaria" funktioniert nicht mehr
Das Münchener ifo-Institut vermutet sogar, dass die alte Exportstärke der bayerischen Unternehmen dauerhaft verloren gehen könnte. Ein Grund seien die im internationalen Vergleich hohen Kosten, etwa für Energie wie beim Strom, aber auch für Steuern und die Bürokratie. Das alles belastet die Wettbewerbsfähigkeit deutscher wie bayerischer Unternehmen. Aber in Bayern offenbar besonders stark.
Zwar seien Exportüberschüsse oder –defizite für sich genommen weder gut noch schlecht, heißt es beim ifo-Institut: "Aber hohe Exporte sind ein Ausdruck von Wettbewerbsfähigkeit und dafür, dass Güter 'Made in Bavaria' gefragt sind" sagte Oliver Falck vom ifo Institut, Mitautor einer Studie, die von der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern in Auftrag gegeben wurde.
Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Industrie besonders gefährdet?
Das Ganze ist umso bemerkenswerter, weil es im bundesweiten Vergleich 2023 anders aussah. Deutschland hat das Jahr 2023 noch mit einem deutlichen Exportüberschuss von 210 Milliarden Euro abgeschlossen, wie das Statistische Bundesamt Anfang Februar berichtete. Daraus ergibt sich dann ein positiver Beitrag für das Bruttoinlandsprodukt. Dieser konnte in Bayern nicht mehr geliefert werden. Der Freistaat wäre demnach im bundesweiten Vergleich bei seiner Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Standorten zurückgefallen.
Auf der anderen Seite muss man jedoch sehen, dass dieser Überschuss vor allem dadurch zustande kam, dass der Wert der Einfuhren nach Deutschland im Zuge der deutlich gefallenen Energiepreise gesunken ist: um 9,7 Prozent zum Vorjahr. Der Wert der Ausfuhren ging bundesweit um 1,4 Prozent zurück, während er in Bayern gestiegen ist. Die Besonderheit in Bayern ist, dass im Freistaat die Einfuhren einfach bemerkenswert hoch waren.
Ersetzen mehr Dienstleistungen in Bayern Exporte?
Das muss, wie das ifo Institut darlegt, nicht unbedingt etwas Schlechtes bedeuten. Die Nachfrage nach Waren aus dem Ausland ist im Freistaat verhältnismäßig höher als im übrigen Deutschland. Das kann daran liegen, dass viele Vorprodukte für die bayerische Industrie aus dem Ausland kommen. Aber so etwas kann zum Teil auch am höheren Wohlstand der Bevölkerung liegen, die sich vielleicht mehr leisten kann als anderswo und deswegen mehr importierte Produkte nachfragt.
Eine solche hohe Binnennachfrage muss keineswegs schlecht sein. Sie entsteht ja auch durch den privaten Konsum, der in ganz Deutschland für einen Großteil des Bruttoinlandsprodukts steht. Wichtig sind in diesem Zusammenhang außerdem die Dienstleistungen, die ohnehin der Bereich sind, der seit Jahren am stärksten wächst.
Hohe Exporte sind nicht der einzige Weg zu mehr Wachstum und Wohlstand
In anderen Ländern wie den USA, die ein sehr hohes Wachstum haben, oder auch in Großbritannien oder in Frankreich, spielt der Außenhandel traditionell bei der Wirtschaftsleistung nicht die dominierende Rolle, die er in Deutschland hat. So interessiert man sich in den USA in der Regel kaum für Handelsdefizite oder Exportüberschüsse. Dort zählt vor allem, was der amerikanische Verbraucher macht, ob er ausgabenfreudig ist oder zum Sparen neigt.
Das heißt nicht, dass es der Wirtschaft oder den Menschen dort schlechter gehen muss. Im Gegenteil, manche Experten argumentieren so: Deutschland und Bayern haben vielleicht bei der Transformation von einer Industriegesellschaft in eine Dienstleistungsgesellschaft einfach noch Nachholbedarf. Und der zeige sich eben auch in der Handelsbilanz.
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