Blick in den Sitzungssaal beim Bundesgerichtshof, wo über Dieselklagen verhandelt wird. Hinten Mitte: die vorsitzende Richterin Eva Menges.
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Blick in den Sitzungssaal beim Bundesgerichtshof, wo über Dieselklagen verhandelt wird. Hinten Mitte: die vorsitzende Richterin Eva Menges.

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BGH zum Thermofenster: Das sollten Diesel-Besitzer jetzt wissen

Wann ist eine Ausstattung sinnvoll – und ab wann ist es eine unzulässige Abschalteinrichtung? Darüber verhandelt der Bundesgerichtshof noch bis Ende Juni. Schon jetzt stellt er Verbrauchern aber weitere Ansprüche auf Schadenersatz in Aussicht.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Im Diesel-Skandal könnten die Autobauer VW, Mercedes-Benz und Audi in naher Zukunft noch mehr Klagen ins Haus bekommen als bisher. Denn nach dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) signalisiert nun auch der Bundesgerichtshof (BGH), die Verbraucherinnen und Verbraucher im Diesel-Skandal stärken zu wollen. Allerdings dürfte die endgültige Entscheidung dazu noch bis zum 26. Juni auf sich warten lassen.

  • Zum Artikel: "Diesel-Skandal: Fragen und Antworten zum EuGH-Urteil"

Richterin strebt wohl "Mittlere Lösung" an

Die Vorsitzende Richterin Eva Menges deutete laut Agenturmeldungen am Montag in Karlsruhe aber bereits an, für die Geschädigten komme als "mittlere Lösung" ein so genannter 'kleiner Schadenersatz' in Betracht. Käufer würden demnach ihre Diesel-Autos mit unzureichender Abgasreinigung behalten, bekämen aber deren Minderwert im Vergleich zum einwandfreien Auto zum Kaufzeitpunkt erstattet.

Kläger hatten einen "großen Schadenersatz" eingefordert: Sie wollten ihre Wagen gegen Erstattung des Kaufpreises abzüglich eines Nutzungsvorteils zurückgeben. Die Autobauer dagegen wollen keinen Schaden erkennen und daher keine Entschädigung für die umstrittene Technik des sogenannten "Thermofensters" leisten.

BGH folgt wohl der EuGH-Einschätzung

Nach bisheriger Auffassung hatte der BGH das Thermofenster nicht als "bewusste, sittenwidrige Täuschung" von Behörden und Kunden gewertet. Im März aber urteilte der übergeordnete EuGH, dass auch schon der "fahrlässige Einsatz" solch einer rechtswidrigen Abschalteinrichtung für die Kundschaft einen Anspruch auf Schadenersatz auslösen kann.

Und zu den "rechtswidrigen Abschalteinrichtungen" gehören demnach auch Features, wie ein bestimmtes Kühlmittelsystem bei Mercedes, eine Fahrkurvenerkennung bei Audi oder eben das sogenannte Thermofenster bei VW. Alle drei Fälle werden jetzt am BGH verhandelt.

Thermofenster bei europäischen Temperaturen fast nutzlos

Beim Thermofenster handelt es sich nicht, wie man intuitiv meinen könnte, um eine Fensterscheibe. Sondern um einen Temperatur-Bereich, in dem es möglich ist, Abgase mehrfach zu verwenden und so den Schadstoffausstoß eines Autos zu reduzieren.

Allerdings funktioniert laut Herstellern diese "Abgas-Rückgewinnung" nur innerhalb eines bestimmten Temperatur-Fensters. In der Praxis bedeutet das: Ist die Außentemperatur zu hoch oder zu niedrig, wird dieser Sparmechanismus abgeschaltet.

Bei welchen Temperaturen genau diese Abgas-Rückführung einsetzen muss, sprich: Wie groß das Thermofenster zu sein hat, das ist nicht genau gesetzlich geregelt. Deshalb stellen die Autobauer es so ein, dass der Motor möglichst geschont wird. Viele setzen die Untergrenze bereits bei zehn Grad Celsius Außentemperatur an – was in Deutschland ziemlich genau der Durchschnittstemperatur entspricht.

  • Zum Artikel: Diesel-Skandal: VW will Thermofenster-Urteil anfechten

Das bedeutet, dass hierzulande an vielen Tagen im Jahr das umweltschonende und energiesparende Thermofenster gar nicht erst erreicht wird. Und das, obwohl diese Einsparungen in die Emissionswerte eines Fahrzeugs eingerechnet werden. Welche der Thermofenster tatsächlich unzulässig sind, muss wahrscheinlich in vielen Fällen noch einzeln betrachtet und geklärt werden.

Verbraucher können sich bei Hersteller oder Kraftfahrtbundesamt informieren

Ob das eigene Auto mit dieser oder ähnlichen Abschalteinrichtungen ausgestattet ist, lässt sich anhand der Fahrgestellnummer herausfinden – und zwar entweder über den Hersteller selbst oder über das Kraftfahrtbundesamt. Unter bestimmten Voraussetzungen haben die Besitzerinnen und Besitzer dann schon jetzt Anspruch auf Schadenersatz, entweder beim Händler oder beim Hersteller direkt. Spätestens Ende Juni könnte sich der Kreis der Anspruchsberechtigten noch einmal vergrößern.

Aktuell ruhen viele der entsprechenden Gerichtsverfahren, weil auf die höchstrichterliche Orientierung durch den BGH gewartet wurde. Insgesamt ist von etwa 100.000 offenen Verfahren die Rede – allein beim BGH selbst sind es rund 2.000.

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