Grelle Lichter, schicke Autos und viel Bling-Bling: Der IAA-Stand des chinesischen Marktführers für Elektroautos, BYD, ist nach Augenmaß mindestens so groß wie der von Volkswagen. Auch andere Firmen aus der Volksrepublik China, wie etwa der Batteriehersteller CATL, demonstrieren Selbstbewusstsein. Und das ist hier die Währung. Denn bei der IAA ging es schon immer darum, aufzufallen. Auch, wenn die Messe inzwischen IAA Mobility heißt und die Veranstalter Wert darauf legen, eine Mobilitätsmesse im weiteren Sinne zu sein.
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Chinas bestes Argument: Die Verkaufspreise
Laut einer aktuellen Studie der französischen Beraterfirma Inovev stammen schon acht Prozent aller in Europa verkauften Elektroautos aus China, Tendenz steigend. Und so könnte es weitergehen. BYD will Tesla in Deutschland bald mit sportlichen Limousinen zum Preis von 45.000 Euro angreifen. Ein attraktives Angebot, wie jeder weiß, der schon mal mit dem Gedanken an ein eigenes E-Auto geliebäugelt hat.
Aber zur Wahrheit gehört auch: Im Vergleich mit der Volksrepublik selbst ist das noch nicht einmal ein Kampfpreis. Denn dort würden Preise aufgerufen, "die sich für die Hersteller kaum noch lohnen", sagt der auf China spezialisierte Auto-Experte Jochen Siebert. Kostet ein E-Auto in China 32.000 Euro, hat der britische Automobil-Analyst Jato Dynamics verglichen, so wird dasselbe Modell in Europa für 56.000 Euro verkauft. Diese höheren Gewinnmargen dürften der Hauptgrund für China sein, den Verkauf von E-Autos in Europa voranzutreiben.
BYD verkauft schon in 15 europäischen Ländern
Bei der IAA Mobility ist die Präsenz aus Fernost deshalb so sichtbar wie noch nie zuvor. Und sie ist auch so begehrt wie nie zuvor. Am Pressetag war der Stand des Marktführers BYD aus Shenzhen überlaufen. Auch Firmenchef Wang Chuanfu erschien an seinem Messestand, er überließ das Reden aber seinen Managern – typisch für besonders hochrangige Funktionäre in China.
Immerhin stellte er sich mit seinen Spitzenleuten zum Foto auf, um gemeinsam mit ihnen die Faust zu recken und den Firmennamen zu rufen: "BYD – Build your dreams!" Mach Deine Träume wahr, heißt der Firmenslogan übersetzt. BYD existiert seit 1995 und baute anfangs Batterien. Längst aber ist das Unternehmen erfolgreich auf E-Autos umgestiegen.
Nach eigenen Angaben hatte es bis August 2023 schon fünf Millionen Stück gebaut – der Grund, warum jetzt BYD und nicht mehr Volkswagen der Autokonzern Nummer eins in China ist. Allerdings zählt BYD zu dieser Zahl auch Plug-in-Hybride hinzu. Dennoch rückt BYD mit dieser Zahl immer näher an Tesla heran, die nach eigenen Angaben bereits im März 2023 vier Millionen reine E-Autos gebaut hatten.
Im Video: Stimmen zum Auftakt der IAA
Neue Modelle und viel chinesisches Selbstbewusstsein
Auf die IAA Mobility kam BYD-Europachef Michael Shu entsprechend mit neuen Modellen und viel Selbstbewusstsein: "Seit letzten Oktober verkaufen wir in Europa und sind nach 11 Monaten schon in 15 Ländern vertreten." Künftig brächte BYD noch mehr neue E-Modelle auf den europäischen Markt, kündigte Pressechef Brian Luo an. Dass zumindest in Deutschland bislang nur etwas über 5.000 BYD-Autos auf der Straße fahren, verschwieg er allerdings.
Das Interesse an der Konkurrenz aus Fernost ist trotzdem riesig, zumindest auf der Messe. Selbst bei Xpeng (gespr. "Äxpang"), einem Startup, dessen Modelle erst ab 2024 in Deutschland verkauft werden, war die Pressekonferenz überfüllt. Anders als andere Newcomer will Xpeng seine Autos nicht online verkaufen, sondern ein Netz von Händlern aufbauen.
Chinesen glauben an Zusammenarbeit mit deutschen Autobauern
Extrem viele Chinesen sind zur IAA Mobility gekommen: Nicht nur Autobauer und Zulieferer, sondern auch viele chinesische Journalisten. In der Elektromobilität sei China ganz weit vorn, sagt ein stolzer Zeitschriftenjournalist. Er ist mit dem Autor Hua Ai von "Auto Motor und Sport China" nach München gekommen.
Für ihn ist es auch die erste Messe im Ausland nach drei Jahren strenger Covid-Restriktionen. Hua hat in Stuttgart Fahrzeugtechnik studiert. Er meint, die deutsche Autoindustrie ist nicht abgehängt: "Deutschland hat eigene Vorteile. Erfahrung lernt man nicht so schnell. Viele chinesische Firmen haben Business in Deutschland. Und Marken wie Daimler oder VW haben chinesische Marken gekauft. Ich glaube, in der Zukunft gibt es mehr Zusammenarbeit. Nicht individuelle Konkurrenz."
Aber gerade, was die Digitalisierung des Fahrens angeht, haben deutsche Hersteller ihren Nimbus in China nach etlichen Pannen teils verloren. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass China als Konkurrent die Deutschen handlungsunfähig macht. Vielmehr setzt man hier wie dort auf Kooperation. So baut beispielsweise Volkswagen seit Juli E-Autos mit Technologie von Xpeng.
Sprachbefehle, fließendes Design und Karaoke-Funktion
Der Xpeng-Deutschland-Chef Markus Schrick setzt darauf, dass die typisch chinesische Begeisterung für neue Technik auch hier in Europa gut ankommt: "Sie können mit ihrer Stimme fast alles im Auto bewegen. Ob sie sagen, hey Xpeng, mach alle Fenster auf, oder hey Xpeng, beschleunige von 100 auf 120, dann macht er das."
Wichtig sei chinesischen Kundinnen und Kunden auch das Wageninnere, sagt Xpeng-Manager Schrick: "Dass sie praktisch mit der Hand über die Türe, das Armaturenbrett fahren können bis zur anderen Seite, ohne große Unterbrechungen, es ist ein Fluss, ein fließendes Design."
Philipp Kemmler, Pressesprecher des Autobauers Great Wall Motors (GWM), sagt außerdem: "Das ganze Infotainment im Auto ist sehr wichtig. Dass ich da meine blinkenden, aufwendigen Features habe. Das mögen die Europäer ein bisschen schlichter, nüchterner." Außerdem: "Dass wir eine Selfie-Funktion im Auto haben, oder eine Karaoke-Funktion, das wird der Europäer noch nicht wollen. Aber es wird sich auch dahingehend verändern."
Aber wie groß sind die Unterschiede im Design wirklich? Dongfeng – übersetzt Ostwind – baut Autos mit Massagesesseln. Mit dem E-Commerce-Riesen Alibaba hat Dongfeng zudem eine digitale Funktion entwickelt, die den Kunden einen 24-Stunden-Kontakt zu einer Service-Werkstatt garantieren soll.
Batterietausch in vier Minuten
Und dann sind da natürlich noch die Herzstücke der E-Mobilität: die Batterien. Auch hier haben chinesische Hersteller den europäischen einiges voraus – wie BYD mit einer neuen, flachen Batterietechnik. Oder aber Nio. Der Premiumhersteller mit globalem Designzentrum in München ist in China mit einem Netz sogenannter Wechselstationen erfolgreich, sogenannten Swap Stations.
In einer Art Carport öffnet sich der Fahrzeugboden, ein Roboter tauscht leere gegen volle Batterien. Das Ganze dauert vier Minuten, sagt Nios Europachef Zhang Hui. Das Problem der teuren Batterien will Nio durch ein Leasing-Modell lösen.
Partner für diese Technologie ist ausgerechnet einer der wichtigsten deutschen Energie-Riesen: "Ende letzten Jahres, im Dezember, haben wir ein strategisches Abkommen mit dem Konzern EnBW abgeschlossen", erklärt Zhang Hui. "Und in den nächsten Jahren werden wir Swap Stations dort bauen, wo EnBW ohnehin schon seine Supercharger Stations hat."
Im Video: Auftakt der IAA in München: China im Fokus
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