Schon seit Jahren wird darüber debattiert, dass Deutschland und Europa sich in verschiedenen Bereichen zu abhängig von China machen. Ein besonderer Knackpunkt sind hier die Rohstoffe, die für eine umweltfreundlichere Zukunft benötigt werden. Beispiel: Lithium. Das Leichtmetall ist wichtig, um beispielsweise die Batterien für Elektroautos zu bauen.
Bei der deutschen Presseagentur dpa hieß es dazu kürzlich: "China führt globalen Lithium-Feldzug - Risiken für Deutschland." Saskia Hieber von der politischen Akademie in Tutzing ist Expertin für internationale und Sicherheitspolitik, ihr Arbeitsschwerpunkt liegt im asiatischen Raum. Im Interview mit BR24 erklärt sie, wie groß die Abhängigkeit tatsächlich ist und was Europa tun kann, um die Situation zu entschärfen.
- Zum Artikel Wie viel China braucht die Wirtschaft?
BR24: Frau Hieber, die dpa spricht von einem Lithium-Feldzug Chinas gegen den Rest der Welt. Und Europa hinkt hinterher. Würden Sie das auch so beschreiben?
Saskia Hieber: Ja, das ist so. Da wurde versäumt, eine internationale Organisation zu schaffen, um Rohstoff-Sicherheit für alle Akteure bereitzustellen. Und zwar nicht nur für die Industrieländer und die neuen ökonomischen Supermächte wie beispielsweise China. Sondern auch für kleinere Volkswirtschaften und ärmere Länder, die in diesem Wettrennen um Rohstoffe kaum Chancen haben, wenn sie sie nicht selber besitzen.
Was ist Lithium und wie wichtig ist es für die Zukunft?
Lithium ist ein sehr wichtiger Rohstoff für die E-Mobilität, für die Batterietechnologie. Es ist unverzichtbar für sämtliche Zukunftstechnologien. Dabei ist China interessanterweise gar nicht der größte Abbau-Standort. Die größten Vorkommen befinden sich in Südamerika und in Afrika, sogar in Grönland und Kanada. Aber: Chinesische Firmen sind sehr früh in diesen Markt eingestiegen. Sie kontrollieren oft die Produktion in diesen Erzeugerländern.
Das heißt, China holt Lithium aus anderen Ländern und Europa muss es wiederum China abkaufen?
Bisher schon. Der Anteil Chinas an der Lithiumproduktion ist mittlerweile aber zurückgegangen, sogar erheblich. Europäische Akteure und internationale Firmen haben sich nämlich alternative Lieferungen gesucht. China versucht natürlich auch selbst, die wichtigen Rohstoffe für sich selber im Land entweder zu behalten oder auch für die eigene Industrie ins Land zu holen.
Wir sehen hier aber auch mehr Selbstbewusstsein und eine neue Generation politisch Verantwortlicher, gerade in den Rohstoffländern der Südhalbkugel. Dort wird Wert darauf gelegt, dass nicht nur das Produkt aus der Erde geholt wird und verschwindet, sondern dass die Verarbeitung im Land bleibt. Damit werden auch Wertschöpfung, Know-how und Arbeitsplätze vor Ort gesichert.
Und dazu ist China bereit?
Ja, durchaus. Chinesische Firmen sind dazu bereit und haben in entsprechende Produktionsstätten investiert. Allerdings passiert das alles unter sehr umweltbelastenden Bedingungen. Diese Fertigung, diese Produktion, diese Extraktion – das ist alles nicht vergleichbar mit europäischen Umwelt- und Sozialstandards.
Heißt das, Europa ist weiter darauf angewiesen, Handel mit China zu betreiben, während die Umwelt extrem belastet wird?
Es ist zumindest zu befürchten, dass sich dieses Missverhältnis zu Ungunsten Europas auswirken wird. Denn die Nachfrage und der Bedarf an Lithium und auch an anderen sogenannten Metallen seltener Erden wird weiter zunehmen.
Welche Hebel haben Europa und die USA, um aus dieser Einseitigkeit herauszukommen?
Es gibt tatsächlich eine Reihe von Ansatzpunkten. Man kann chinesischen Firmen und den staatlichen Akteuren durchaus erklären, wie bei uns die Interessenlage ist, welche politischen Grundsätze wir haben. Umweltschutzstandards zum Beispiel sind auch für China sehr, sehr wichtig. China ist schon jetzt ein Opfer des Klimawandels. Der Anstieg des Meeresspiegels ist dort ein großes Thema.
Das heißt, ökologische Faktoren bieten eine große Basis für Kooperation, für eine gemeinsame, auch zukunftsorientierte Zusammenarbeit. China ist nicht immer komplett dagegen, aber chinesische Akteure sind sehr selbstbewusst in der Formulierung und den Transport ihrer eigenen Interessen. Doch das kann Europa durchaus auch sein, gerade was Menschenrechte und Umweltschutz-Standards betrifft.
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