Der Sprecher der deutschen Bahn (DB), Achim Strauß, gibt ein Presse-Statement vor dem 50-Stunden-Warnstreik der Bahn-Gewerkschaft EVG.
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Der Sprecher der deutschen Bahn (DB), Achim Strauß, gibt ein Presse-Statement vor dem 50-Stunden-Warnstreik der Bahn-Gewerkschaft EVG.

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Darum sind die Bahn-Verhandlungen gescheitert

Die Gewerkschaft EVG und die Bahn AG werfen sich gegenseitig vor, die Tarifverhandlungen vermasselt zu haben. Es geht um Mindestlöhne, Inflationsausgleich, Tarif-Erhöhungen – und die Fronten sind offenbar maximal verhärtet.

Über dieses Thema berichtet: Wirtschaft am .

Der 50-Stunden-Warnstreik bei der Bahn ist das Ergebnis gescheiterter Tarifverhandlungen. Von der Gewerkschaft EVG heißt es, die Bahn sei gar nicht an einem Kompromiss interessiert gewesen. Co-Verhandlungsführer Kristian Loroch kritisierte, der Knackpunkt seien Regelungen zum Mindestlohn gewesen: "Man will in einem Bundes-Unternehmen diejenigen, die am schlechtesten bezahlt werden, weiterhin finanziell benachteiligen und nimmt einen 50-stündigen Warnstreik in Kauf, um an dieser Praxis festzuhalten."

Bahn AG: "Haben alles versucht"

Die Bahn erklärte, man habe alles versucht. "Die DB hat die Forderung der EVG eins zu eins erfüllt, ohne Tricks und ohne Deckel. Was sollen wir als Arbeitgeber denn noch machen?", sagte Personalvorstand Martin Seiler am Freitag.

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Die bisherigen Zusagen der Bahn für eine Festlegung des Mindestlohns von zwölf Euro in den Entgelttabellen hatten der Gewerkschaft nicht ausgereicht. Auf dem Mindestlohn sollten dann die von der Bahn angebotenen Tariferhöhungen kommen. Nach Darstellung von EVG-Verhandlungsführer Loroch wollte die Bahn diese Erhöhungen aber in künftigen Tarifrunden wieder verrechnen und damit nicht dauerhaft zusichern. Das sei nicht akzeptabel.

Auswirkungen auch auf Güterverkehr und bei anderen Bahn-Betreibern

Aus Sicht des Bahn-Managements sind alle sensiblen Themen in den laufenden Tarifverhandlungen soweit ausgehandelt worden, dass es keinen Grund mehr für den Warnstreik gibt. In letzter Minute wurde am späten Donnerstagabend noch ein Angebot zur Angleichung an den neuen gesetzlichen Mindestlohn in unteren Tarifgruppen vorgelegt, deren Beschäftigte dieses Niveau bisher nur mit Zuschlägen erreichten.

Das war eine zentrale Streikforderung der EVG gewesen. Doch als es danach um die Einzelheiten dieses Angebots ging und die konkrete Umsetzung bei den verschiedenen Tariflöhnen, hat die Bahn AG nach Aussage der Gewerkschaft wieder einen Rückzieher gemacht.

Gewerkschaften werfen Bahn unnötige Eskalation vor

Es soll sich nur um ein "Scheinangebot" gehandelt haben, wie die EVG behauptet. Somit wäre also auch die letzte Chance vertan, eine rechtzeitige Einigung zu finden: Für die EVG kommt es auf eine Mobilisierung ihrer Mitglieder an. Und auch die Bahn AG hat nach Auffassung der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) diesen Streik unnötig eskaliert.

Die Gewerkschaft EVG verhandelt für rund 230.000 Beschäftigte bei rund 50 Bahn- und Busunternehmen und pocht auf zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro im Monat mehr. Die Bahn bot zehn Prozent mehr Lohn für untere und mittlere Einkommen an, außerdem acht Prozent mehr Geld für höhere Einkommen sowie zusätzlich 2.850 Euro Inflationsausgleichs-Prämie für alle.

Im Sommer drohen wieder Streiks, dieses Mal bei der GDL

Anders als die größere Eisenbahnergewerkschaft EVG, die schon länger verhandelt, unterliegt die kleinere Lokführergewerkschaft noch der Friedenspflicht, weil ihre eigenen Tarifverträge mit der Bahn noch nicht ausgelaufen sind. Beide Verträge liegen zeitlich nah beieinander. So sagte GDL-Chef Weselsky: "Ich bin mir sicher, dass es keinen Abschluss geben wird, bevor wir unsere Forderungen aufgestellt haben." Am 5. Juli will die GDL ihre Forderungen offiziell vorlegen und für Lokomotivführer und anderes Zugpersonal, das bei ihr organisiert ist, ab dem Spätsommer erst ihre neuen Tarifverträge verhandeln.

Bahn ringt um Tarifeinheit im eigenen Konzern

Die Bahn AG hat in erster Linie ein Interesse daran, abwechselnde Streiks beider Gewerkschaften nacheinander zu verhindern und alle Forderungen möglichst unter einen Hut zu bringen. Es kann deshalb durchaus zur Verhandlungs-Taktik der Bahn-Manager gehören, die Einigung mit der EVG erst einmal nicht abzuschließen und dabei auch einen heftigen Warnstreik hinzunehmen. Es würde der Bahn AG wenig nutzen, wenn kurz nach dem ersten Tarifabschluss von Seiten der Lokführer-Gewerkschaft GDL eine neue Streikfront droht.

Güterbahnen fordern Notfall-Fahrplan mit Schienenersatzverkehr für Montag und Dienstag

Dass auch die Bahn AG ihren Teil zu dieser Auseinandersetzung beigetragen hat, ist an der Reaktion ihrer Schienen-Konkurrenten im Güterverkehr zu erkennen. Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen hat sich in einem Schreiben an die DB Netz gewandt, das ist die Bahntochter, die für die gesamte Infrastruktur verantwortlich ist: "Die nicht im Tarifkonflikt stehenden Unternehmen dürfen weder vorsätzlich noch fahrlässig indirekt geschädigt werden", heißt es darin. Für die Güter-Bahnen sei deshalb während des Warnstreiks ein Notbetrieb zu organisieren.

Dem entspricht die Einschätzung der Lokführergewerkschaft GDL. Deren Chef Claus Weselsky sagte dem Nachrichtenportal "The Pioneer", die konkurrierende Gewerkschaft EVG sei bei der Netztochter DB Netz nicht so stark organisiert. Die Deutsche Bahn sei daher nicht gezwungen, den Schienenverkehr einzustellen. Grundsätzlich reichen zwei Streiktage nicht aus, um beim Güterverkehr einen größeren Schaden bei den Unternehmenskunden anzurichten. Dafür sind die Lieferzeiten über die Schiene einfach zu langfristig kalkuliert.

Fraglich, ob Notfall-Fahrplan doch möglich gewesen wäre

Die Eisenbahnergewerkschaft EVG hat nicht nur das Zugpersonal, sondern auch die Fahrdienstleiter zum Ausstand aufgerufen. Die sind für die Sicherheit des gesamten Schienenverkehrs verantwortlich. Damit steht die Koordination des gesamten Bahnverkehrs auch bei den Konkurrenten der marktbeherrschenden Bahn AG wie Alex, BOB und Co in Frage.

Hinzu kommt: Neben anderen Privatbahnen werden auch viele Güterzüge stehen bleiben, und zwar an beiden Streiktagen Anfang der Woche. Die Lokführer-Gewerkschaft GDL hält diese Zugeinstellung für überflüssig. Es hätte der GDL zufolge die Chance gegeben, mit einigen Zügen einen Ersatzverkehr zu organisieren.

Mit Material der Nachrichtenagenturen Reuters, dpa, AFP

Die Fronten zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft EVG sind verhärtet.
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Die Fronten zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft EVG sind verhärtet.

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