Verschiedenste Waren unter einem Dach, ein lebendiges Treiben wie auf einem Bazar, ein Treffpunkt für Jung und Alt – eine eigene Erlebniswelt. Mit diesem Konzept konnten Kaufhäuser lange überzeugen. Doch inzwischen kaufen viele Kunden ihre Waren online. Und die Zahl der Warenhäuser sinkt bundesweit.
Wird es in Zukunft noch Warenhäuser geben?
Über kaum ein Thema streiten sich die Handelsexperten derzeit so sehr wie über diese Frage. Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Handelsverbands Bayern, glaubt an die Zukunft der Kaufhäuser und hält an ihnen fest: "Kaufhäuser bringen Frequenz in die Innenstädte, viele Menschen kommen genau deswegen in die Orts- und Innenstädte, um eben dort einzukaufen, davon profitiert die Gastronomie, davon profitieren die Einzelhändler drumherum, und deswegen sind sie ein ganz wichtiger Baustein, allen Unkenrufen zum Trotz, für die Innenstädte", erläutert Ohlmann.
Doch immer mehr Häuser sind gefährdet. Schon nach der vergangenen Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof mussten bundesweit 40 Filialen schließen. Aktuell gibt es nun noch 92 Warenhäuser in ganz Deutschland. Doch seit den Finanzproblemen des österreichischen Mutterkonzerns Signa ist völlig offen, wie es weitergeht. Täglich gibt es Meldungen von möglichen neuen Investoren.
Handelsverband Bayern: "Kaufhäuser werden überleben"
"Unbestreitbar sind für viele Kommunen jetzt dunkle Wolken aufgezogen", bestätigt Ohlmann. Das seien sehr bittere Nachrichten, man beobachte es mit großer Sorge. "Aber ich bin fest davon überzeugt, dass die Kaufhäuser überleben werden, denn sie werden vom Kunden angenommen." Man werde sehen, wie es in Zukunft weitergehe, mit welchem Investor zum Beispiel, fügt Ohlmann hinzu.
Nun diskutieren die Handelsexperten auch untereinander sehr kontrovers. Johannes Berentzen von der Handelsberatung BEE stellt das gesamte Konzept von Galeria Karstadt Kaufhof infrage: "Der Online-Handel trägt sicherlich zu der jetzigen Entwicklung bei." Wenn es darum gehe, sehr viel Ware von unterschiedlichen Warengruppen bequem einzukaufen für einen günstigen Preis, "dann denken die allermeisten Leute hoffentlich noch an Galeria, aber leider viel häufiger an Amazon und Co. und nicht mehr an Karstadt Kaufhof. Ich muss Gründe finden, weshalb ich mich aufmache, vom Sofa aufstehe und in die Stadt fahre." Aber es müsse mehr getan werden, als aufzusperren und Ware anzubieten, so Berentzen.
Handelsberater: "Häuser brauchen eine starke Ausrichtung"
Nach Berentzens Einschätzung können in den Innenstädten nur wenige Kaufhäuser überleben. Sie brauchen eine starke Ausrichtung, ein bestimmtes Profil, etwa wenn sie sich auf das Luxussegment spezialisieren, wie etwa in Hamburg das Alsterhaus, in Berlin das KaDeWe oder in München das Kaufhaus Oberpollinger.
"Da kann ich jede Woche reingehen und sehe im Prinzip eine andere Welt, da ist der Kunde im Prinzip Gast und freut sich, da zu sein. Und der Einkauf funktioniert nebenbei. Da steht die Ware nicht so sehr im Vordergrund, sondern das Erlebnis", erklärt Berentzen. Aus seiner Sicht bleiben in Deutschland keine 92 Warenhäuser in Deutschland übrig, sondern eher 20. Und für diese sei dann die Zukunft: Kuratierung, Zielgruppenausrichtung, Events auf der Fläche zu machen, Modenschauen, Workshops, Dinge ausprobieren lassen, Interaktionen herstellen. "Das ist die Zukunft, und dann funktioniert das Warenhaus auch noch im stationären Handel", ist Berentzen überzeugt.
Beispiel: Karstadt in Nürnberg
Auch in Nürnberg gibt es inzwischen nur noch eine Filiale von Karstadt in prominenter Lage, neben der Lorenzkirche. Der dortige Betriebsrat, Thomas Vieweg, baut die Mitarbeiter auf, so gut er kann, und verbreitet Optimismus, auch wenn er selbst bereits die vierte Insolvenz erlebt. Von den einst über 1.000 Mitarbeitern in der ganzen Stadt sind nur noch 230 übriggeblieben. Was ihn und die Mitarbeiter ärgert: Die Umsätze bei Galeria passten in der letzten Zeit und dennoch steht eine Insolvenz an. Von Signa zugesagte Gelder, die bis heute nicht geflossen seien. Und allseits werden die hohen Mieten kritisiert, in manchen Filialen lägen sie bei über 20 Prozent des Umsatzes.
"Es ist natürlich schon eine Wut auf den bisherigen Eigentümer", beschreibt Vieweg die Lage. "Wir haben das ja immer kritisiert, dass diese hohen Mieten dem Unternehmen die Substanz nehmen." Durch dieses Verfahren bestehe nun die Möglichkeit, sich von den teuren Mieten und dem Eigentümer zu lösen und zu marktüblichen Mieten zu kommen. Nur dann könne man so ein Geschäft auch erfolgreich betreiben. Galeria Kaufhof neu aufstellen – in Nürnberg wurden diese Weichen schon im Jahr 2023 gestellt, mit einem moderneren Konzept, flachen Hierarchien, um das Kaufhaus von seinem leicht angestaubten Image zu befreien. Gerade die Lebensmittelabteilung etwa ist besonders gut sortiert, sowie der Beauty-Bereich.
Regionalleiter: "Die Leute suchen uns immer noch"
Einer der bundesweit noch 15.000 Angestellten des Kaufhauskonzerns ist Regionalleiter Philipp Ketzer, der für alle Häuser in Bayern und Baden-Württemberg zuständig ist. In einem neuen Investor sieht er eine riesige Chance: "Fakt ist, wir haben im letzten Geschäftsjahr über 200 Millionen Besucher gehabt in unseren Stores. Das bedeutet, die Leute suchen uns immer noch, obwohl wir mit Sicherheit vieles noch nicht gut machen."
Im Moment gebe es natürlich einen Insolvenzverwalter, der die Entscheidungen treffe. Von diesem sei er aber überzeugt, dass er die Entscheidungen so treffe, dass man das Unternehmen in die Zukunft führen könne. "Wer dann nachher der Gesellschafter ist, wenn ich es mir wünschen kann, ist jemand, der Handelsexpertise hat und der wirklich Lust am Handelsgeschäft hat und an nichts anderem", ergänzt Ketzer.
Welches Kaufhaus bleibt zukünftig und welches nicht?
Beispiele für trostlose Leerstände nach Kaufhauspleiten gibt es einige in München. Die Neugestaltung der riesigen Flächen ist oftmals eine Mammutaufgabe, Zwischennutzungen funktionieren häufig nicht.
Stadtentwickler Christian Hörmann beschäftigt sich mit der Neugestaltung von Innenstädten und hat konkrete Vorstellungen von einer neuartigen Nutzungsmischung. Handel ja, aber eben nicht allein: "Wenn es menschlicher werden soll, dass die Nutzungsmischung dazu beiträgt, dass arbeiten, wohnen, leben, konsumieren und abends auch noch mehr Gastronomie dazu führt, dass wir das ganze Spektrum - von früh bis spät bis in die Nacht - eine belebte Innenstadt haben, was wir in einer reinen Einkaufslage so natürlich nicht haben", beschreibt Hörmann. "Das ist mein Wunsch und das ist auch ein schönes Ziel." Dahin könne sich die Innenstadt einer Metropole auch entwickeln, so der Stadtentwickler.
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