Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geht auf Stufe zwei von drei: Der Grünen-Politiker hat die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Wie sich dies auf die Endkundenpreise auswirkt, lässt sich laut mehreren Expertenmeinungen noch nicht genau abschätzen. Reaktionen aus Politik und Wirtschaft folgten aber schnell.
Söder: Es droht existenzielle Gas-Notlage
Ministerpräsident Markus Söder verlangte von der Ampelregierung mehr Anstrengungen zur Sicherstellung der hiesigen Energieversorgung. "Es droht eine existenzielle Gas-Notlage", sagte der CSU-Chef. Die Ausrufung der Alarmstufe Gas komme "hoffentlich nicht zu spät" und zeige, dass alle Bemühungen, Ersatzlieferanten zu finden, nicht funktioniert hätten.
Sollte sich die Lage weiter zuspitzen, und in der Folge auch nur ein Betrieb wegen Gasmangels abgeschaltet werden, sei dies "eine absolute Katastrophe. Da sind Tausende von Arbeitsplätzen betroffen. Also wir marschieren da tatsächlich auf eine Form von Deindustrialisierung zu", sagte Söder weiter.
- Zum Artikel: "Zweite Stufe des Gas-Notfallplans: Was bedeutet das?"
BDI: Lasten fair verteilen
Gesellschaft und Industrie stünden vor immensen Herausforderungen, wie auch Siegfried Russwurm vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hervorhob. Die Lasten müssten fair verteilt werden. Nun sei es wichtig, "rasch eine Lösung zu finden, wie krisenbedingte Mehrkosten der Gasbeschaffung für Versorger fair von allen Verbrauchern mitgetragen werden" könnten.
Versorgung laut BDEW derzeit gewährleistet - aber Blick in den Winter
Die Energiewirtschaft bezeichnete die Ausrufung der Alarmstufe im Notfallplan Gas durch die Bundesregierung als "richtig". "Es geht darum, alles für möglichst hohe Speicherfüllstände zu tun und die Einspeicherziele zu erreichen", sagte die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae. Derzeit sei die Versorgung gewährleistet. "Aber wir müssen unseren Blick auf den kommenden Winter richten."
Wacker Chemie sieht für sich "gewisse Flexibilität"
Der Spezialchemiekonzern Wacker Chemie mit Hauptsitz in München sieht gegenwärtig durch die Alarmstufen-Entscheidung keine Auswirkungen für das Unternehmen. "Wir arbeiten aber schon seit Ende Februar an Lösungen für unterschiedliche Szenarien", teilte der Konzern laut der Nachrichtenagentur Reuters mit. Bei Wacker werde Gas hauptsächlich dazu genutzt, um daraus Strom und Prozesswärme zu erzeugen.
"Das gibt uns eine gewisse Flexibilität. Zum Beispiel könnten wir bei einer verminderten Gaszufuhr höhere Strommengen am Markt einkaufen, die Eigenproduktion von Strom vermindern und das Gas vor allem für die Erzeugung von Prozessdampf einsetzen." Denn Einschränkungen beim Prozessdampf hätten unmittelbare Auswirkungen auf die Produktion.
BASF beschreibt Szenario für den Härtefall
Das Dax-Unternehmen BASF, der weltgrößte Chemiekonzern, sieht derweil keine kurzfristige Lösung, Erdgas zu ersetzen, das für viele Prozesse in der Industrie benötigt wird. Der Hauptstandort in Ludwigshafen könnte mit einer reduzierten Last weiterbetrieben werden, wenn die Versorgung nicht unter 50 Prozent des maximalen Gasbedarfs sänke.
Es gebe Produkte, die für die Lebensmittelproduktion, die pharmazeutische Industrie und Automobilhersteller unerlässlich seien. "Wenn es hart auf hart kommt, müssen wir mit der Bundesnetzagentur besprechen, welche Anlagen wir abschalten sollen", erklärte eine BASF-Sprecherin.
Eon will Endkundenpreise überprüfen
Der Energiekonzern Eon will die Auswirkungen für die Kunden möglichst klein halten. In einem Statement hieß es aber außerdem: "Auch wenn wir vorausschauend beschaffen, können wir uns einem über einen längeren Zeitpunkt höheren Preisniveau nicht entziehen und müssen unsere Endkundenpreise entsprechend überprüfen. In welchem Umfang wir in diesem Jahr unsere Preise daher weiter anpassen müssen, können wir zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen."
Familienunternehmer fürchten "Rasenmäher-Prinzip"
"Statt nach dem Rasenmäher-Prinzip den Gasverbrauch für alle zu drosseln – und damit zu riskieren, viele industrielle Familienunternehmen an den Rand ihrer Existenz zu bringen -, sollten all jene Firmen Einspar-Anreize erhalten, die am ehesten auf Gas verzichten können", meinte Albrecht von der Hagen, Hauptgeschäftsführer des Verbands "Die Familienunternehmer". Es gebe zahlreiche Unternehmen, die für ihre Produktion auf einen anderen, jedoch teureren Energieträger ausweichen könnten. Wenn diese Unternehmen eine Kompensation bekämen, wäre ein Wechsel des Energieträgers in vielen Fällen möglich, sagte von der Hagen.
Greenpeace: Energiesparen wichtig
Gerald Neubauer, Energieexperte bei Greenpeace, hält konsequentes Energiesparen für das Gebot der Stunde und Habecks Ausrufung der Alarmstufe für das richtige Signal. "Allerdings darf der Staat jetzt nicht länger fossiles Gas subventionieren und so den Gasverbrauch künstlich hoch halten."
- Zum Artikel: "Wie man im Alltag Gas sparen kann"
Verbraucherschützer wollen keine unnötige Belastung
Verbraucherschützer fordern unterdessen, Bürger nicht unnötig zu belasten. Mit der Alarmstufe müssten diese "damit rechnen, dass die Energiepreise noch weiter steigen", erklärte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Sie seien "natürlich besorgt". Und: "Alle, die können, sollten jetzt Energie sparen, Rücklagen bilden und - falls möglich - in moderne Heizungssysteme und Wärmedämmungen investieren", appellierte der vzbv.
Habeck: Gas in Deutschland ein knappes Gut
"Gas ist von nun an ein knappes Gut in Deutschland", sagte Habeck bei der Ausrufung von Stufe zwei. Zurzeit sei die Versorgungssicherheit aber gewährleistet. Keinen Gebrauch macht die Regierung vorerst vom sogenannten Preisanpassungsmechanismus im Energiesicherungsgesetz. Danach haben von hohen Preisen betroffene Energieversorgungsunternehmen entlang der Lieferkette das Recht, ihre Gaspreise gegenüber den Kunden direkt und ohne Zeitverzögerung anzupassen, sie also außervertraglich an Stadtwerke, Industriekonzerne und Endkunden weiterzureichen.
Mit Agenturen von Reuters, dpa und AFP.
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