Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich überraschend aufgehellt. In allen Sektoren – also Industrie, Dienstleister, Handel und Bau – hat sich das Geschäftsklima verbessert. Allerdings weiter auf niedrigem Niveau. Nach wie vor sind die Probleme groß. Das Münchner ifo-Institut sieht aber immerhin derzeit keine Rezessionsgefahr.
Ifo-Index steigt erneut
Nach dem Absturz des ifo-Geschäftsklimaindex im März konnte sich das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer im April bereits stabilisieren. Jetzt im Mai konnte der Index entgegen den Analystenerwartungen erneut zulegen. Er ist um 1,1 auf 93,0 Punkte gestiegen.
Dienstleister: spüren Ende der Corona-Beschränkungen
Das Ende der meisten Corona-Beschränkungen verhilft den Dienstleistern zu mehr Umsatz. Veranstalter, Restaurants und Hotels verzeichnen wieder einen regen Zulauf. Einen ähnlich großen Anstieg beim Lage-Index im Service-Gewerbe gab es zuletzt im Juni 2021. Die Zukunfts-Erwartungen fielen hingegen pessimistischer aus, besonders bei Transport- und Logistikfirmen.
Industrie: kommt mit Materialmangel besser zurecht
Der russische Einmarsch in die Ukraine sorgt zwar für steigende Rohstoffpreise und noch mehr Lieferengpässe – das verarbeitende Gewerbe scheint damit aber mittlerweile besser umgehen zu können. Sowohl ihre aktuelle Lage als auch das Geschäft in den kommenden sechs Monaten schätzen die Industriebetriebe besser ein. Allerdings sind die Firmen weiterhin vergleichsweise skeptisch, sagt ifo-Präsident Clemens Fuest.
Handel: Furcht vor sinkender Kauflaune der Verbraucher
Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Handel. Die Einzelhändler profitieren aktuell von dem Wegfall der meisten Corona-Beschränkungen. Doch die steigenden Preise und die Lieferprobleme machen den Firmen zu schaffen. Angesichts der hohen Inflation fürchten die Händler, dass die Kauffreude der Verbraucherinnen und Verbraucher nachlassen könnte, heißt es beim ifo-Institut. Außerdem sagen 80 Prozent der Händler, dass sie nicht alle Produkte bekommen, die sie bestellt haben.
Bau: weiterhin pessimistisch
Beim Bauhauptgewerbe hat sich die Stimmung verbessert – nach dem drastischen Einbruch im April. Die Skepsis ist aber nach wie vor groß. Die Baufirmen berichten, dass weniger Aufträge hereinkommen und sogar bereits Aufträge storniert werden, weil Baustoffe fehlen. Angesichts der steigenden Immobilienkreditzinsen lassen außerdem einige Kunden nun von ihren Bauprojekten wieder ab.
„Wirtschaft robuster als befürchtet“
Auch wenn die monatlich befragen 9.000 deutschen Unternehmen sich unterm Strich zuversichtlicher zeigen als noch im April, sei die Skepsis in der deutschen Wirtschaft nach wie vor groß, sagt ifo-Präsident Fuest. Immerhin sieht er derzeit kein Zeichen für eine Rezession. „Die Wirtschaft ist insgesamt robust, robuster als vielleicht viele befürchtet haben.“
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Prognosen verschiedener Institute sind uneinheitlich
Von der Presse-Agentur Reuters befragte Ökonomen hatten vorab einen Rückgang auf 91,4 Punkte erwartet. Der russische Einmarsch in die Ukraine sorgt für steigende Rohstoffpreise, mehr Lieferengpässe und erhöht die Unsicherheit bei Firmen und Verbrauchern. Das bremst die Konjunktur vor allem in der Industrie und am Bau, während manche Dienstleister mit Abebben der Corona-Krise an Zuversicht gewinnen.
Viele Volkswirte trauen der Wirtschaft 2022 höchstens noch rund zwei Prozent Wachstum zu. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rechnet sogar nur mit einem mageren Plus von 1,0 bis 1,5 Prozent. Der bayerische Industrie- und Handelskammertag BIHK hatte in der vergangenen Woche eindringlich vor einer Rezession gewarnt und eine Inflationsrate von zehn Prozent für den Sommer prognostiziert.
- Zum Artikel: "Bayerns Unternehmen: Düsterer Ausblick trotz guter Geschäfte"
Externe Faktoren beeinflussen Stimmung sehr verschieden
Welche der verschiedenen Prognosen am belastbarsten ist, ist nur schwer zu sagen. Die verschiedenen Umfragen unterscheiden sich auch nach den Fragen, die den Führungskräften gestellt werden. Hinzu kommt, dass die externen Faktoren in den verschiedenen Branchen unterschiedlich gewichtet werden: Für manche Unternehmen ist die Lieferkettensicherheit enorm wichtig – die ist aber wegen der angespannten Corona-Lage in China oft unsicher. Andere Unternehmen fürchten sich am meisten vor sinkender Kaufkraft in den USA, weil sie ihre Absatzmärkte bedroht sehen. Wieder andere haben Sorge vor einem Ausfall der Energieversorgung.
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