Rund 600.000 Menschen in Bayern sind aktuell pflegebedürftig. Gegenüber dem Jahr 2017 ist das ein Anstieg um die Hälfte. Und in den nächsten dreieinhalb Jahrzehnten könnte die Zahl der Pflegebedürftigen in Bayern noch einmal deutlich steigen: um 70 Prozent, erwartet die Krankenkasse Barmer. Eine Million Menschen im Freistaat wären dann pflegebedürftig.
Es gebe eine Reihe von Gründen für diesen Anstieg, erklärt der Landesgeschäftsführer der Barmer, Alfred Kindshofer. Zum einen nehme die Lebenserwartung zu. Das führt auch dazu, dass Menschen länger Pflege brauchen. Derzeit erhalten Pflegebedürftige vor ihrem Tod im Schnitt rund 3,9 Jahre Pflegeleistungen. Dieser Zeitraum wird sich in absehbarer Zeit auf rund 7,5 Jahre fast verdoppeln, erwartet die Barmer.
Pflegekassen müssen mehr Leistungen übernehmen
Außerdem können heute deutlich mehr Menschen Leistungen der Pflegekassen erhalten. Früher spielten fast ausschließlich körperliche Einschränkungen eine Rolle bei der Frage, ob jemand als pflegebedürftig gilt. Durch grundlegende Gesetzesänderungen werden kognitive Beeinträchtigungen, wie etwa Demenz, inzwischen wesentlich stärker berücksichtigt. Das hat aber auch zur Folge, dass mehr Menschen in die Zuständigkeit der Pflegeversicherung fallen.
Deutlich nach oben gehen die Zahlen auch bei den finanziellen Eigenanteilen, die Pflegeheim-Bewohner zahlen. Um mehr als die Hälfte sind diese Eigenanteile in den vergangenen sechs Jahren gestiegen: In Bayern waren es zuletzt 2.699 Euro im Monat. Damit liegt der Freistaat gleichauf mit dem Durchschnitt aller Bundesländer.
Politik muss mithelfen
Ein wesentlicher Grund für den Anstieg der Pflegeheimkosten liege in einer Entwicklung, die eigentlich erfreulich sei, betont Barmer-Landeschef Kindshofer: Pflegekräfte werden inzwischen im Schnitt deutlich besser bezahlt als in früheren Jahren. Bei Helfern in der Altenpflege seien die Bruttoentgelte alleine zwischen 2021 und 2023 um 23,6 Prozent gestiegen. Bei Fachkräften beträgt der Anstieg 16,7 Prozent. Dazu hätten neue Gesetze wesentlich beigetragen. Diese zwingen auch private Pflegeheime, Tariflöhne zu zahlen, erklärte Kindshofer. Ein beträchtlicher Teil der Lohnsteigerungen müsse aber von den Pflegeheim-Bewohnern finanziert werden.
Angesichts dieser Herausforderungen fordert die Barmer von den politischen Entscheidern ein Bündel von Maßnahmen:
1. Leistungen sollen Teuerung folgen
Die Barmer fordert, dass die Gelder, die die Pflegekassen an Pflegebedürftige oder auch an Heime und ambulante Dienste zahlen, automatisch an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten oder auch der durchschnittlichen Einkommen angepasst werden. So werde ein weiterer, schneller Anstieg der Eigenanteile verhindert.
2. Mehr Steuergeld für die Pflege
Die Pflegekassen sollten mehr Geld aus dem Steuertopf erhalten, fordert die Barmer. Das sei nicht nur wichtig, um den Anstieg der Beiträge zu dämpfen, für die nur die Arbeitnehmer als Mitglieder der Pflegeversicherung aufkommen. Es sei auch eine Frage der Gerechtigkeit, dass die Ausgaben für gesamtgesellschaftliche Aufgaben, wie etwa die Kosten der Pflegeausbildung, breit verteilt werden.
3. Neue Lösungen bei der Betreuung
Bei der Frage, wie pflegebedürftige Menschen versorgt werden, müssten neue Wege gegangen werden, wünscht sich die Barmer. So sollten sogenannte "quartiersnahe Wohnformen", wie etwa Pflege-WGs oder betreutes Wohnen, besser gefördert werden, fordert die Kasse.
4. Sozialbeitrag der Privaten
Die privaten Pflegekassen sollen nach Ansicht der Barmer über einen Finanzausgleich mehr beitragen, damit alle Pflegebedürftigen gut versorgt werden können. Die privaten Versicherer hätten milliardenschwere Rücklagen aufbauen können, auch weil Privatversicherte weniger Pflegeleistungen in Anspruch nehmen als Kassen-Versicherte, sagte Barmer-Landeschef Kindshofer. Es sei eine Frage der gesellschaftlichen Solidarität, dass diese Mittel nutzbar gemacht werden, um die Pflege insgesamt zu stabilisieren.
Im Video: 2060 eine Million Pflegebedürftige in Bayern
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