Eine szenische Lesung am Berliner Ensemble ist nicht unbedingt ein Abendtermin, bei dem investigative Journalistinnen und Journalisten hellhörig werden. Aber bei dieser Lesung Mitte Januar lohnt sich vielleicht doch ein Blick. Auf der Bühne zu sehen ist ein karikiertes Diner im feinsten Ambiente, ein Sprecher stellt den Rechtsextremisten Gernot Mörig dar (externer Video-Link). Es sind die Aufzeichnungen der Correctiv-Recherche, die Mitte Januar veröffentlicht wurden, die hier am Theater inszeniert werden.
Gloria von Thurn und Taxis: "Kennt keinen Gernot Mörig"
Gen Ende liest der Mörig-Darsteller von seinem Blatt: "Ich sehe meine Bestimmung darin, rechtsextreme Aktionen zu stärken", ruft er. "Dafür organisiere ich bereits seit über zwei Jahren Spendenkampagnen unter Unternehmern. Es gibt eine ganze Liste von Finanziers, die dazu gehören." Und hier ist der Moment, um aufzuhorchen. Denn der Mörig-Darsteller nennt zum einen Christian Goldschagg, den Gründer der Fitnesskette Fit Plus und ehemaligen Gesellschafter des Süddeutsche Verlages. Goldschagg hat seine Rolle als Finanzier gegenüber Correctiv bereits bestritten.
Und dann wird ein Name genannt, der bislang noch nicht in dem Zusammenhang fiel: Gloria von Thurn und Taxis. Thurn und Taxis lebt in Regensburg auf Schloss St. Emmeram. Sie gilt als lautstarke Society-Lady mit engen Kontakten zu rechtskonservativen Kreisen.
Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk dementiert sie allerdings diese Zusammenhänge in einer knappen E-Mail: Sie kenne Gernot Mörig nicht, habe ihm kein Geld gespendet und sei auch nicht eingeladen worden zu dem Treffen bei Potsdam, Ende November. Zu den Inhalten des Treffens habe sie "keine Meinung" heißt es außerdem. Über Forderungen, Geflüchtete oder Menschen, die Geflüchtete unterstützt haben, zu deportieren, müsse "die Politik entscheiden".
Und dann ist da noch Hans Christian Limmer. Er soll laut Correctiv-Recherche auch nicht bei dem Treffen vor Ort gewesen sein, aber er hatte die Einladungen mit unterschrieben. Limmer stammt aus Düsseldorf, lebt in München und war vier Jahre lang Anteilseigner der Münchener Burgerkette "Hans im Glück". Mit Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihn hatte sich die Burgerkette im Januar von ihm getrennt.
Gegenüber dem BR erklärt Limmer: "Herr Mörig, der Veranstalter des 'Düsseldorfer Forums', hatte mich im September 2023 gebeten, die Einladung mit zu unterschreiben." Da in dem von Mörig formulierten Text auf "die offensichtliche und von der deutlichen Mehrheit in der Bevölkerung auch so wahrgenommene negative Entwicklung unseres Landes hingewiesen" worden sei, habe er den Text "nicht als ablehnenswert wahrgenommen".
Wieso landeten die Einladungen überhaupt auf Limmers Tisch?
Zu diesem Zeitpunkt habe er nicht gewusst, dass es bei dem Treffen um sogenannte "Remigration" gehen würde. Auch nicht, dass der rechtsextreme Aktivist Martin Sellner anwesend sein würde. Erst im Nachgang habe er davon erfahren und dann weder weitere Einladungen unterschrieben, noch an dem Treffen teilgenommen. "An der Planung, Organisation, Durchführung und Finanzierung war ich ohnehin nie beteiligt", schreibt Limmer schließlich.
Die Frage, die er in dem Statement nicht klar beantwortet: Wieso kam Gernot Mörig, der tatsächliche Gastgeber und Leiter der Veranstaltung, überhaupt auf die Idee, einen Gastro-Unternehmer die Einladungen mit unterschreiben zu lassen? Auch das Rechercheteam von "Correctiv" hat dem Unternehmer diese Fragen gestellt, die laut "Correctiv" unbeantwortet blieben.
Bilder zeigen Limmer mit AfD-naher Vereinigung
Einen Hinweis auf die Antwort könnten Bilder von Hans Christian Limmer im Netz geben, die ihn bei einem sogenannten "Spaziergang nach Berlin" vor dem Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald posierend zeigen. Der "Spaziergang" wurde über mehrere Jahre hinweg von Max Otte organisiert und durchgeführt. Otte ist ein Unternehmer, der von der AfD als Bundespräsident-Kandidat nominiert war.
Es gibt zudem weitere Hinweise auf Limmers Nähe zu rechten Gesinnungen. Denn Limmers Eltern, die aus Düsseldorf stammen, sollen in den Nullerjahren als Geldgeber und Unterstützer rechtsideologischer Veranstaltungen im Kreis Borna in Sachsen tätig gewesen sein. Unter anderem hat das Andrea Röpke in ihrem wissenschaftlichen Essay "Immobilienkäufe durch Rechtsextremisten" dargestellt. Auch Kerstin Köditz, eine sächsische Landtagsabgeordnete der Linken, postet dazu regelmäßig Fotos, die das belegen sollen.
Anfang 2005 haben Limmers Eltern in Borna ein Grundstück gekauft und zu einer "Begegnungsstätte für Russlanddeutsche" ausgebaut. Die Leipziger Volkszeitung berichtete damals, Ende 2005, es gebe unter diesem Deckmantel Verbindungen zwischen dem Trägerverein, dessen Vorsitzende Limmers Mutter war, und rechtsextremen Kreisen. So soll während eines Wochenend-Treffens vor dem Haus neben der sächsischen Flagge auch die Flagge der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland gehangen haben.
Limmers klassischer BWL-Werdegang
Hans Christian Limmer selbst, Jahrgang 1964, hat im rheinland-pfälzischen Vallendar ein Wirtschaftsstudium absolviert und dort auch promoviert. Hier hat Limmer laut übereinstimmenden Medienberichten auch seinen späteren Geschäftskollegen Dirk Schneider kennengelernt.
Die beiden sollen sich später beim Auslandsstudium in den USA wieder getroffen und dann bei der Unternehmensberatung Roland Berger angeheuert haben. Dort waren sie fürs Sanieren und Neuausrichten von Unternehmen zuständig. In einem Interview erklärte Limmer mal, er schraube gerne an Oldtimern.
Geschäftlich lief es bei ihm insgesamt gut. In den Nullerjahren kaufte Limmer gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Schneider das Start-up "Backwerk" und entwickelte daraus ein Franchise-Unternehmen, das er später verkaufte. Anfang 2020 kaufte das Duo sich bei der Burger-Kette "Hans im Glück" ein. Diese Geschäftsbeziehung wurde nun laut "Hans im Glück" aufgelöst: "Sämtliche Anteile, die er am Unternehmen hält", so die Pressemitteilung, tritt Limmer "an die verbleibenden Mitgesellschafter ab." Das wäre dann in erster Linie Limmers enger Geschäftspartner Dirk Schneider. Denn die beiden waren Haupt-Anteilseigner bei "Hans im Glück".
Geschäftspartner trennen sich von Limmer nach Berichterstattung
Auch bei dem vegetarischen Lieferdienst "Pottsalat" ist Limmer mit Bekanntwerden seiner Verwicklung als Anteilseigner verabschiedet worden. Mit Dirk Schneider hat sich die Pottsalat-Geschäftsleitung noch am selben Tag in Dortmund getroffen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.
Über Limmer sagte der Pottsalat-Geschäftsführer Ben Küstner gegenüber BR24, er sei ein "in wirtschaftlicher Hinsicht extrem gebildeter Mensch". Vor und während der Zusammenarbeit habe es aber nie Anlass gegeben, Limmers politische Gesinnung zu hinterfragen.
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