Vier Tage arbeiten, aber weiter ein Vollzeit-Gehalt beziehen - kann das funktionieren? Das Sanitätshaus Sippl probiert es aus. Das Oberpfälzer Unternehmen mit Standorten in Neumarkt und Parsberg hat Anfang des Monats die Vier-Tage-Woche für seine Vollzeitkräfte eingeführt. Während einer sechsmonatigen Testphase reduziert das Unternehmen die Arbeitstage - Gehalt und Produktivität sollen aber gleich bleiben. Den Versuch unternimmt Sippl nicht ohne Plan - sondern als Teilnehmer an einer Studie.
- Zum Artikel: Vier-Tage-Woche in Bayern: Zwischen Euphorie und Ablehnung
Vier-Tage-Woche im Check - Sanitätshaus ist dabei
Seit Februar untersucht eine deutschlandweite Studie die Auswirkungen der Vier-Tage-Woche auf Unternehmen. Organisiert wird sie vom Beratungsunternehmen Intraprenör und der Nichtregierungsorganisation 4 Day Week Global. Die Universität Münster wertet die Ergebnisse des sechsmonatigen Projekts ab Oktober aus.
Teilnehmende Unternehmen erhalten unter anderem Schulungen und Beratung. Außerdem können sie sich mit anderen Unternehmen austauschen, die entweder selbst die Vier-Tage-Woche ausprobieren oder schon eine Vier-Tage-Woche haben. Allerdings müssen die Unternehmen für die Teilnahme an der Studie je nach Zahl der Mitarbeiter eine Gebühr bezahlen, die an 4 Day Week Global geht.
Hoffnung auf neue Fachkräfte
Susanne Sippl leitet das Sanitätshaus seit 17 Jahren. Sie erhofft sich von der Vier-Tage-Woche, "dass meine Mitarbeiter lange gesund bleiben und lange motiviert bleiben, lange Spaß und Freude an ihrer Arbeit haben und natürlich auch lange in meinem Unternehmen bleiben". Wenn das Experiment erfolgreich sei, wolle sie die Vier-Tage-Woche langfristig beibehalten. Davon erhofft sie sich auch, neue Mitarbeiter und Fachkräfte anzuziehen.
Momentan haben sie im Sanitätshaus zwar noch eine 40-Stunden-Woche. Durch den Abbau von Überstunden können die Mitarbeiter aber auch jetzt schon einen Tag weniger arbeiten. Der offizielle Test der Vier-Tage-Woche läuft von April bis September; das Sanitätshaus wird dann sehr wahrscheinlich auf eine 35-Stunden-Woche umstellen.
Trotz Vier-Tage-Woche fünf Tage geöffnet
Bei der Studie gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie die Vier-Tage-Woche in den Unternehmen abläuft. "Für uns macht es am meisten Sinn ein Modell zu wählen, wo es für jeden Mitarbeiter individuell einen freien Tag gibt", erklärt Sippl dem BR. So soll es möglich sein, dass der Betrieb weiter an fünf Tagen pro Woche offen hat.
An den anderen Tagen würden die Mitarbeiter dafür etwa eine halbe Stunde bis Stunde länger arbeiten, aber nicht die volle Wochenstundenzahl wie bisher. Die freien Tage wechseln, damit es keinen Streit um die beliebten Tage Montag und Freitag gibt.
Sippl berichtet, sie sei über einen Bekannten aus der IT-Branche, der die Vier-Tage-Woche bereits in seinem Unternehmen eingeführt hat, auf die Studie aufmerksam geworden. Sie habe sich anschließend gleich angemeldet.
Mitarbeiter freuen sich auf den freien Tag
Die Schwester von Susanne Sippl arbeitet ebenfalls in dem Familienbetrieb mit. Christine Sippl freut sich auf ihren zusätzlichen freien Tag.
"Ich habe vor, so langweilige Sachen wie Haushalt mal zu erledigen. Aber hauptsächlich möchte ich das für schöne Dinge nutzen. In die Natur gehen, einfach ein bisschen Erholung, dass die Arbeit dann wieder mehr Spaß macht." Christine Sippl, Mitarbeiterin im Sanitätshaus Sippl
Patrick Schultes arbeitet seit zehn Jahren im Betrieb. Er hat hier schon seine Ausbildung zum Kaufmann im Gesundheitswesen gemacht. "Ich finde das erstmal cool, mehr Freizeit ist schon schön, dann kriegt man daheim alles ein bisschen besser organisiert", sagt Schultes zur Vier-Tage-Woche. Die Umstellung sei allerdings für das Unternehmen auch ein organisatorischer Aufwand. Man müsse umstrukturieren und überlege daher gerade, Aufgaben umzuverteilen. Vielleicht gebe er auch ein bisschen etwas ab, dann werde es schon hinhauen mit der Vier-Tage-Woche.
Professor sieht Schwächen in der Studie
Für einzelne Unternehmen wie das Sanitätshaus Sippl ist die Studie eine Chance. Aber es gibt auch Kritik. Die Studie bilde nicht den Querschnitt der deutschen Wirtschaft ab, kritisiert Lutz Arnold, Professor für theoretische Volkswirtschaftslehre an der Universität Regensburg. Deshalb könne man auch nichts aus der Studie lernen, da sie nicht auf die deutsche Wirtschaft mit ihrer Industriestruktur übertragen werden könne.
Laut dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (externer Link) stellen IT-Unternehmen (14 Prozent), Beratungsfirmen (12 Prozent) und der Einzelhandel und die Gastronomie (zusammen 11 Prozent) die größten Teilnehmergruppen.
Zudem sei die Vier-Tage-Woche nicht für alle Berufsgruppen gleich gut umzusetzen, sagt Arnold. Man könne in vielen Berufen einfach nicht durch Produktivität ausgleichen, was man an einem Tag sonst schaffen würde.
Imbiss-Kette Yorma's: Drei-Tage-Woche dank KI
Während die Vier-Tage-Woche im Sanitätshaus Sippl aus der Oberpfalz noch zum Zweck einer Studie umgesetzt wird, sind andere schon einen Schritt weiter: Das Unternehmen Yorma's mit Hauptsitz in Plattling im Landkreis Deggendorf, das vor allem in Bahnhöfen Imbiss-Filialen betreibt, denkt über die Einführung einer Drei-Tage-Woche für Mitarbeiter in der Firmenzentrale in Plattling nach. Möglich wird das laut einer Sprecherin durch die Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Verwaltung.
Die KI werde unter anderem bei Stellenanzeigen oder in der Kreativabteilung des Unternehmens eingesetzt, um die Arbeit zu vereinfachen. Man sei davon überzeugt, dass man durch effektivere Arbeit in drei Tagen die gleiche Arbeitsleistung erbringen könne. Die Yorma's-Sprecherin versicherte, dass dadurch keine Arbeitsplätze gefährdet seien. Man würde sogar weiter nach Mitarbeitern suchen. Auch das Gehalt bleibe gleich.
Dieser Artikel ist erstmals am 13. Februar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!