1966 wurden die Olympischen Spiele an München vergeben. Zu diesem Zeitpunkt waren zwar U-Bahn und S-Bahn schon geplant, aber die schnelle Verwirklichung machten erst die Olympischen Spiele möglich. Im Oktober 1971 fand – tief im Untergrund – die feierliche Eröffnung der Münchner U-Bahn statt. Tausende Ehrengäste waren geladen und bewunderten die neue Technik. An diesem Tag fiel der Startschuss für das damals modernste Nahverkehrssystem Deutschlands.
Der heute 81-jährige Siegfried Bernecker war von Anfang an mit dabei. Er war einer der ersten U-Bahnfahrer der Landeshauptstadt. "Ich war ein Straßenbahnfahrer bis 1967", erzählt Bernecker. "Dann kam mein Chef mal vorbei: 'Sie sind noch jung, Herr Bernecker. Die U-Bahn wird aufgebaut, das wäre ein Job für Sie.' Ja, interessiert mich, neue Technik. Neues Arbeitsumfeld. Neuer Bereich, da sage ich zu."
Olympia-Zuschlag brachte Schwung in die Projekte
Überall in München wurde Ende der 1960er Jahre gegraben und gebaut. Denn seit im April 1966 die bayerische Landeshauptstadt den Zuschlag für die Ausrichtung der Olympischen Spiele 1972 bekam, war der Zeitdruck enorm.
Schon in den 1950er und 1960er Jahren war die Verkehrsinfrastruktur Münchens längst an ihre Grenzen gekommen. Überfüllte Straßenbahnen und Busse führten dazu, dass die Münchener auf das eigene Auto umstiegen. Die Stadt hatte die höchste Pkw-Dichte Deutschlands. Die Folge: Überall Staus. Nach dem Olympia-Zuschlag sollte das anders werden. Planungen für ein U-Bahn- und auch ein S-Bahnsystem lagen zwar schon vor – doch erst dann kam richtig Schwung in die Projekte.
1968: Tag der offenen Tür und erste U-Bahnfahrt
Schon 1938 hatte man zwischen dem Sendlinger Tor und dem Goetheplatz mit dem Bau einer unterirdischen Bahn begonnen, wegen des Krieges aber die Arbeiten eingestellt. Dieser alte Abschnitt wurde später in die neue U-Bahnstrecke integriert. Im Oktober 1968 wurde den Münchnern der erste Streckenabschnitt vorgestellt. Zum ersten Mal konnten die Bürger am Tag der offenen Tür mit ihrer neuen U-Bahn fahren. Zehntausende strömten zum Bahnhof Nordfriedhof, von wo aus sie auf dem zwei Kilometer langen betriebsfertigen Teilstück bis zum Bahnhof Studentenstadt zum ersten Mal das U-Bahn-Fahrgefühl erlebten.
Die U-Bahn wurde schon damals elektronisch gesteuert und fuhr nahezu vollautomatisch. "Ich bin mit den Siemens-Leuten damals eine Runde gefahren. Und drücke auf den Knopf, und dann ist der Zug tatsächlich alleine gefahren", erinnert sich Bernecker. "Der Zug hat eine Geschwindigkeit von ungefähr 70 erreicht und ist in Richtung des anderen Zuges gefahren. Ich habe echt Angst gehabt und die Notbremse gezogen. Die Ingenieure haben natürlich höllisch gelacht. Ja, ja, man muss der Technik ein bisschen vertrauen."
"Die Dinge mussten einfach bis Frühjahr 1972 fertig sein"
Gleichzeitig baute die Bundesbahn an der S-Bahn-Röhre, die unterirdisch den Münchener Ostbahnhof mit dem Hauptbahnhof verbinden sollte. Die heutige Stammstrecke entstand und wurde Ende April 1972 eingeweiht. Die U-Bahn fuhr schon seit Oktober 1971 im Regelbetrieb. Im Mai 1972 kam zur U6 auch die U3 hinzu, die sogenannte Olympialinie. Die Spiele konnten kommen.
"Die Olympischen Spiele haben für die Infrastruktur in München wirklich unschätzbare Vorteile gehabt", resümierte der frühere Oberbürgermeister Hans Jochen Vogel einmal. "Die Dinge mussten einfach bis Frühjahr 1972 fertig sein. Die S-Bahn wäre niemals in fünf Jahren gebaut worden, wenn nicht dieses 'muss' dahintergestanden hätte, auch die Fußgängerzone, die U-Bahn."
Öffentliches Verkehrssystem funktionierte reibungslos
Die U-Bahn fuhr während der Olympischen Spiele im Zweieinhalb-Minuten-Takt. In den 17 Tagen beförderten Siegfried Bernecker und seine Kollegen in Münchens neuer U-Bahn mehr als vier Millionen Fahrgäste – ohne Pannen und Ausfälle.
"Ich habe das damals schon so genossen, diese Menschenmassen mit der U-Bahn zu fahren. Und auch in späteren Jahren waren für mich Großveranstaltungen wie Fußballspiele, Oktoberfest, Kirchentag immer das höchste. Da war immer die Hölle los, sage ich, aber es lief super", erzählt Bernecker. Und die Leitstelle von damals ist noch heute einsatzbereit. Während der Corona-Pandemie wurden von dort statt von der großen Leitstelle aus die U-Bahnen der Linie U3 und U6 gesteuert. Ohne technische Probleme. Ganz wie vor 50 Jahren als Siegfried Bernecker seine Fahrgäste zu den Olympischen Sportstätten fuhr.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!