Ein älterer Schreiner bei der Arbeit (Archiv- und Symbolbild)
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Immer wieder wird die Forderung nach einem späteren Renteneintritt laut. Experten sind bei der "Rente mit 70" uneins (Archiv- und Symbolbild)

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Rente mit 70? Wirtschaftsexperten sind uneins

Immer wieder wird die Forderung nach einem späteren Renteneintritt laut - zuletzt gab es innerhalb der CDU eine Kontroverse dazu. Fachleute sehen die "Rente mit 70" unterschiedlich. In Sachen Finanzierbarkeit gäbe es auch andere Ideen.

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"Die Rente mit 70 kommt nicht heute, sie kommt nicht morgen, aber übermorgen wird sie erforderlich sein, wenn das gegenwärtige System prinzipiell erhalten bleiben soll." So stand es in einem Aufsatz, den der Kölner Wirtschaftswissenschaftler Prof. Eckart Bomsdorf in einer Veröffentlichung des Münchner ifo-Instituts (externer Link) schon vor knapp neun Jahren schrieb.

Die Argumentation des Ökonomen war damals bereits die gleiche, die viele seiner Fachkollegen seitdem immer wieder vortragen: Wenn die Lebenserwartung steigt, müsse auch das Renteneintrittsalter nach hinten geschoben werden. Sonst sei die Rente irgendwann nicht mehr finanzierbar.

Rechnung geht durch längere Lebenserwartung nicht mehr auf

Unter Wirtschaftswissenschaftlern, die einen späteren Renteneintritt fordern, ist dabei eine Rechenformel besonders beliebt: Jedes zusätzliche Jahr Lebenserwartung soll zu zwei Dritteln in eine längere Erwerbstätigkeit fließen und zu einem Drittel in einen längeren Rentenbezug. So fordert es beispielsweise die Nürnberger Ökonomieprofessorin Veronika Grimm, die gemeinsam mit anderen "Wirtschaftsweisen" die Bundesregierung berät.

Die Logik dahinter lautet: Grob gerechnet folgen derzeit auf 40 Jahre Erwerbsleben im Schnitt etwa 20 Jahre Rente. Die rund 60 Jahre, die sich an den Eintritt ins Erwerbsleben anschließen, teilen sich also derzeit nach dem Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel auf. Und das Rentensystem ist stabil. Um es stabil zu halten, müsste also auch jedes zusätzliche Jahr Lebenserwartung zu zwei Dritteln in längere Arbeit fließen. Ein Drittel könnte in eine längere Rentenbezugszeit eingehen.

Höheres Renteneintrittsalter dürfte wohl spät in Kraft treten

Wenn es so sein sollte, dass die Lebenserwartung weiter kontinuierlich steigt, würde es allerdings geraume Zeit dauern, bis das Renteneintrittsalter 70 erreicht wäre: Der Kölner Ökonomieprofessor Eckart Bomsdorf kam in seinen Berechnungen auf das Jahr 2070 oder 2075. Dass Änderungen in der Rente üblicherweise über lange Zeiträume gestreckt werden, zeigt sich auch an der Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67. Diese Erhöhung haben die politischen Entscheider auf fast zwei Jahrzehnte verteilt.

Auch Absinken des Rentenalters denkbar?

Auch der langjährige Direktor des Münchner Max-Planck-Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik, Prof. Axel Börsch-Supan, wünscht sich eine Debatte über einen späteren Renteneintritt. Er betonte dabei in der Vergangenheit aber auch immer wieder: Wenn das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt wird, könnte es theoretisch auch wieder sinken, falls die Lebenserwartung abnehmen sollte. Es gebe aber auch andere Stellschrauben, um die Rente zu stabilisieren, betont der Ökonom: Wenn beispielsweise die Renten langsamer steigen als die Löhne, entlaste auch das die Rentenkassen.

Gewerkschaftsnahe Ökonomen wollen andere Lösung

Auf die Frage, ob ein höheres Renteneintrittsalter unausweichlich ist, geben allerdings nicht alle Fachleute die gleiche Antwort. Vor allem Wissenschaftler, die für Institute arbeiten, die als gewerkschaftsnah gelten, kommen zu ganz anderen Analysen. Experten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts WSI, das den DGB-Gewerkschaften nahe steht, rechnen immer wieder vor: Die Rente lasse sich auch mit anderen Maßnahmen stabilisieren, etwa indem mehr Frauen arbeiten und mehr Menschen in qualifizierte Arbeit gebracht werden.

Historischer Fakt: 70 Jahre war ursprünglich das Renteneintrittsalter

In der Diskussion über die Rente mit 70 wird dabei meist ein kurioses Detail übersehen: Es gab diese Altersgrenze schon einmal, und zwar bei der Einführung der gesetzlichen Rente im Jahr 1889 (externer Link).

Allerdings erreichten damals nur wenige Menschen dieses Alter. Und die Rente sicherte nicht den Lebensunterhalt, sondern sie war nur eine Art Zubrot. Aber auch in einer anderen Hinsicht waren die Verhältnisse damals ganz anders: Vom Lohn wurden im Kaiserreich zunächst 1,7 Prozent für die Rentenkassen abgezogen, heute sind es 18,6 Prozent. Damals wie heute wird der Beitrag rechnerisch auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt.

Auf 65 gesenkt wurde das Renteneintrittsalter im Jahr 1916. Bei diesem Wert blieb die Altersgrenze fast hundert Jahre lang, seit 2012 steigt sie schrittweise, bis im Jahr 2031 die Anhebung auf das Renteneintrittsalter 67 abgeschlossen ist.

Zum Hören: Prof. Dr. Ulrike Malmendier - Renteneintrittsalter an Lebensarbeitszeit koppeln

Ulrike Malmendier
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Prof. Dr. Ulrike Malmendier - Renteneintrittsalter an Lebensarbeitszeit koppeln

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