"Scharlatanerie?": Scharfe Kritik an Krebsvorsorge-Versicherung
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"Scharlatanerie?": Scharfe Kritik an Krebsvorsorge-Versicherung

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Nach heftiger Kritik: Tchibo stoppt Krebs-Vorsorge-Versicherung

Im Juni hatte der Kaffee-Röster Tchibo bekannt gegeben, sich an der Vermarktung einer Versicherung zu beteiligen, in der ein Bluttest auf Krebs enthalten ist. Doch das Angebot wurde von Experten stark kritisiert. Nun hat Tchibo den Vertrieb beendet.

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Bei Tchibo gibt es längst nicht nur Kaffee: Im Juni hatte das Unternehmen mitgeteilt, dass er sich an der Vermarktung einer Versicherung beteilige, in der ein Bluttest auf Krebs enthalten ist. Nach heftiger Kritik hat Tchibo den Vertrieb nun wieder beendet.

Es habe "Irritationen" rund um die Police namens Krebs-Scan des Versicherungsunternehmens HanseMerkur gegeben, so Tchibo. Außerdem sei das Produkt "sehr innovativ" und ziehe daher "mehr Erklärungsbedarf" nach sich. Tchibo hatte bei der Bekanntgabe der Vertriebspartnerschaft mit der HanseMerkur noch erklärt, das Unternehmen freue sich, "einen wichtigen Beitrag für die Gesundheitserhaltung leisten zu können." Im BR hatten allerdings Mitte Juli mehrere Medizin-Professoren das Versicherungsprodukt scharf kritisiert.

Versicherung soll Krebsfrüherkennung ermöglichen

In der Police ist ein jährlicher Blut-Test auf Krebs namens PanTum Detect enthalten, sowie anschließende Untersuchungen etwa mit Positronen-Emissions-Tomographie, kurz PET/CT, falls der Test einen auffälligen Befund ergibt. Die Firma Zyagnum AG aus Darmstadt, die den Test entwickelt hat, erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme, mit PanTum Detect sei es möglich, Krebs früher zu erkennen und fügte hinzu: "Daher bezweifeln wir nicht, dass mit Krebs-Scan Menschenleben gerettet werden."

Studie der Uniklinik Hamburg-Eppendorf als Beleg

Die Wirksamkeit des Tests sei in mehr als 60 Veröffentlichungen belegt, erklärt Zyagnum. Eine davon wurde am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf erstellt. Sie spielt in den Informationen der HanseMerkur zum Versicherungspaket Krebs-Scan eine wichtige Rolle.

In einer schriftlichen Antwort an den BR erklärte die Versicherung: "Uns hat jedoch insbesondere die unabhängige Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) unter der Leitung von Prof. Dr. Smeets mit über 5.000 symptomlosen Patienten (aus Mai 2022) davon überzeugt, mit Krebs-Scan einen Beitrag zu leisten, die Lücke in der aktuellen Früherkennung zu schließen."

"Scharlatanerie"-Vorwurf aus der Krebsgesellschaft

Jutta Hübner ist Medizinprofessorin an der Uni Jena und leitet in der Deutschen Krebsgesellschaft die Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Onkologie. Ihrer Ansicht nach erfüllt die Studie der Hamburger Uniklinik grundlegende wissenschaftliche Standards nicht. Vor allem liefere sie keine Belege, dass Menschen, bei denen der Bluttest ein positives Ergebnis hat, deshalb besser behandelt oder gar geheilt werden können.

Hübner fällt deshalb ein vernichtendes Urteil über die UKE-Studie und über das Versicherungspaket der HanseMerkur, bei dem diese Studie eine zentrale Rolle spielt: "Es ist Scharlatanerie." Denn in den Augen der Medizinprofessorin wird ein Produkt vermarktet "ohne einen Nachweis einer Wirksamkeit, eines positiven Ergebnisses".

Vermeintlich unabhängige Studie vom Test-Hersteller finanziert

Die von Jutta Hübner kritisierte Studie des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) ist nach Aussage der Versicherung HanseMerkur "unabhängig". Finanziert hat sie aber die Zyagnum AG, der Hersteller des Krebs-Bluttests PanTum Detect, der im Mittelpunkt des Versicherungspakets Krebs-Scan der Hanse Merkur steht. Zyagnum bestätigt, dass die Firma die Studie bezahlt hat. Über die genaue Höhe der Fremdfinanzierung macht das Unternehmen keine Angaben. Auch das Uniklinikum Hamburg-Eppendorf macht dazu keine Angaben.

Kein Hinweis auf Fremdfinanzierung

In dem wissenschaftlichen Aufsatz, der die Ergebnisse der UKE-Studie zusammenfasst, gab es bei der Veröffentlichung keinen Hinweis darauf, dass Geld an die Universitätsklinik geflossen ist. Bei medizinischen Veröffentlichungen gilt ein solcher Hinweis als zwingend. Auch in den Autoren-Richtlinien des "Journal of Clinical and Medical Images", in dem die Studie veröffentlicht wurde, steht: "Den Artikeln muss eine Offenlegung von Interessenkonflikten beigefügt werden." Erst nach den Recherchen des BR wurde ein Hinweis auf die Fremdfinanzierung eingefügt, 14 Monate nach der Erst-Veröffentlichung der Studie.

Die Uniklinik Hamburg-Eppendorf erklärt, sie beantworte Anfragen zu dem Thema zunächst nicht. Denn es sei eine interne Prüfung der Vorgänge um die UKE-Studie eingeleitet worden, die beim Versicherungs-Paket Krebs-Scan eine wichtige Rolle einnimmt. Man nehme die Hinweise durch den BR "sehr ernst". Von der Zyagnum AG, die die Studie finanziert hat, gibt es keine Stellungnahme, warum in der Veröffentlichung ein Hinweis auf Interessenskonflikte zunächst fehlte.

Von 50 bis 70 getestet – ab 18 vermarktet

An der UKE-Studie zum Krebs-Bluttest PanTum Detect waren Patienten zwischen 50 und 70 Jahren beteiligt. Die Ergebnisse der Studie über die Aussagekraft des Tests beziehen sich also auf eine Altersgruppe, in der Krebs wesentlich häufiger vorkommt als bei jungen Menschen. Die HanseMerkur vermarktet Krebs-Scan aber ab 18 Jahren. Auch auf die Frage an das UKE, ob es sich medizinisch begründen lässt, einen Test, zu dem eine Studie bei Menschen zwischen 50 und 70 Jahren erstellt wurde, ab 18 Jahren zu vermarkten, gibt die Uniklinik keine Antwort. Das UKE verweist auch hier auf den internen Prüfprozess.

Kritik von etlichen Seiten

Neben der Kritik der Jenaer Medizinprofessorin Jutta Hübner gibt es noch weitere sehr skeptische Stimmen zum Versicherungspaket Krebs-Scan. Eva Grill, Professorin für Epidemiologie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, sieht – so wörtlich – "erhebliche methodische Mängel" in der Studie, die eine wichtige Rolle bei der Versicherung Krebs-Scan spielt. Auch der Leiter der Nuklearmedizin des Uniklinikums Augsburg, Prof. Constantin Lapa, hat sich die Studie angesehen. Seine Bewertung lautet: "Das ist alles völlig ungereimt und von den Daten, die da präsentiert werden, meines Erachtens nicht nachvollziehbar."

Beschäftigt hat er sich mit der Studie vor allem, weil er gefragt wurde, ob seine Klinik PET/CT-Untersuchungen durchführen würde, die sich an einen positiven Test anschließen. Der Leiter der Nuklearmedizin der Augsburger Uniklinik hat abgelehnt. Denn er fürchtet, dass er dann Patienten mit Strahlen durchleuchtet, ohne dass sie im Sinne einer Krebsprävention etwas davon haben.

Skepsis bei Verbraucherzentralen und Warentest

Nicht nur aus der Krebsgesellschaft und von Medizinprofessoren verschiedener Fachrichtungen kommt Kritik an der Police Krebs-Scan der Hanse Merkur. Das Projekt "Faktencheck Gesundheitswerbung" der Verbraucherzentralen NRW und Rheinland-Pfalz erklärte auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks, man sehe dort die Werbung für das Versicherungsprodukt Krebs-Scan "sehr kritisch" und prüfe rechtliche Schritte gegen die Anbieter. Die Stiftung Warentest hat über das Angebot das Fazit gezogen: "Verzichtbar".

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