In der Diskussion über die Höhe des Mindestlohns in Deutschland hat sich nun auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unzufrieden über den jüngsten Vorschlag der zuständigen Kommission gezeigt. "Was klar ist, ist, dass wir alle ein bisschen enttäuscht sind von dem konkreten Vorschlag", sagte er am Sonntag im ARD-Sommerinterview in Berlin.
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Scholz und die "kleine freundliche Umschreibung"
"Ich war etwas überrascht – und das ist eine kleine freundliche Umschreibung – davon, dass es keine einvernehmliche Entscheidung gegeben hat", sagte Scholz wörtlich. Für die Anerkennung sei es wichtig, dass in der Zukunft möglichst gemeinsame Entscheidungen gesucht würden, mahnte er. Die jüngste Empfehlung war gegen die Stimmen der Gewerkschaftsvertreter in der Kommission gefallen. Demnach soll der Mindestlohn von aktuell 12,00 Euro nächstes Jahr auf 12,41 Euro steigen, 2025 dann auf 12,82 Euro.
Kanzler verweist auf Absprache in Koalition
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte an, die Empfehlung - wie gesetzlich vorgesehen - per Rechtsverordnung umzusetzen. SPD-Chef Lars Klingbeil will allerdings offenbar auf anderem Wege für eine stärkere Anhebung sorgen: "Wir werden dafür sorgen, dass Deutschland die europäische Mindestlohnrichtlinie im nächsten Jahr umsetzt", sagte er der "Bild am Sonntag". Darauf werde die SPD in der Regierung drängen. Der Mindestlohn werde dann voraussichtlich "zwischen 13,50 und 14 Euro" liegen.
Scholz äußerte sich dazu nur indirekt. Er verwies auf die Absprache innerhalb der Koalition, nach der außerplanmäßigen Anhebung des Mindestlohns auf 12,00 Euro im vergangenen Oktober die weiteren Erhöhungsschritte wieder der Kommission zu überlassen. Daran werde sich die Regierung "natürlich" halten.
Zuvor hatten bereits mehrere FDP-Politiker Klingbeils Vorstoß zurückgewiesen. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Mindestlohnanhebung durch die Ampel-Koalition im vergangenen Jahr sei "ein einmaliger Eingriff" gewesen. Die Politik dürfe sich nicht "mit willkürlichen Forderungen" in die Arbeit der Tarifpartner einmischen.
Wie kommt die EU-Richtlinie zustande?
2022 hatten sich die EU-Staaten auf die Richtlinie geeinigt, die sie bis Herbst 2024 in nationales Recht umsetzen müssen. Sie legt zwar keine einheitliche Höhe fest, aber Standards dafür, wie gesetzliche Mindestlöhne festgelegt, aktualisiert und durchgesetzt werden können. Die Empfehlung: Mit dem Mindestlohn sollen Beschäftigte auf 60 Prozent des Median- oder 50 Prozent des Durchschnittslohns in dem jeweiligen Land kommen.
Im vergangenen Jahr gab das Statistische Bundesamt den durchschnittlichen Bruttostundenlohn mit 22,65 Euro an. Wie hoch der Durchschnittslohn 2024 sein wird, kann heute niemand sagen.
Nach Berechnungen des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung liegt der deutsche Mindestlohn unter den empfohlenen Schwellen der EU. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält es auch angesichts der hohen Inflation für notwendig, den Mindestlohn auf 13,50 Euro zu erhöhen. Daran orientiert sich Klingbeil und lässt mit dem Korridor auf 14 Euro noch Spielraum, falls die Preise bis nächstes Jahr weiter stark steigen sollten, wie aus der SPD zu hören ist.
Mit Informationen von AFP und dpa
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