Etwa 5,6 Millionen Deutsche sind laut "Schuldneratlas Deutschland 2023" überschuldet. Wer merkt, dass die Ausgaben die Einnahmen dauerhaft überschreiten, sollte früh reagieren - beispielsweise mit einer Schuldnerberatung. Worauf dabei zu achten ist.
Wann ist eine Schuldnerberatung sinnvoll?
Die beste Schuldnerberatung ist die, die zu früh kommt. Allerdings informieren sich nur sehr wenige Menschen präventiv darüber, wo und wie sie ihre Schulden abbauen können. Man sollte spätestens dann Beratung suchen, wenn Zweifel aufkommen, ob man die aktuellen Zahlungsaufforderungen noch erfüllen kann. Eine gute Beratungsstelle hilft aber natürlich auch dann, wenn schon die berühmten gelben Briefe mit Mahn- oder Vollstreckungsbescheiden vom Amtsgericht da sind.
Grundsätzlich gilt: Der erste Schritt ist immer der wichtigste. Denn dann hat man sich schon das Problem eingestanden und ist bereit, etwas zu ändern.
Wozu genau dient eine Schuldnerberatung?
Eine Schuldnerberatung soll dabei helfen, das Leben im Allgemeinen, aber vor allem die finanziellen Belange von Privatpersonen zu ordnen und so ein schuldenfreies Leben einzurichten.
Um den Schuldner oder die Schuldnerin auf diesen Weg zu bringen, macht der Berater oder die Beraterin zunächst einmal eine Bestandsaufnahme der Ist-Situation. In welcher Lebenssituation befindet sich der Mensch, wo drückt der Schuh am meisten und wie sieht die finanzielle Lage ungefähr aus?
Um diesen Überblick zu geben, ist es wichtig, sich auf das Erstgespräch vorzubereiten und eine erste Einnahmen- und Ausgabenaufstellung anzulegen. Schuhkartons und Beutel voll mit ungeöffneten Briefen bringen leider nichts.
Als Nächstes beginnt die Krisenintervention. Also: Welche Maßnahmen sind sofort notwendig? Es wird geschaut, ob es Miet- und Energieschulden gibt. Hierfür gibt es Regelungen im Sozialgesetzbuch (SGB), dass das Sozialamt unter Umständen die Schulden zumindest vorübergehend übernehmen kann.
Außerdem richtet die Beratungsstelle ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto ein und stellt dafür auch die Bescheinigung aus. Auf dieses Konto kommt ein pfändungsfreier Betrag, damit zumindest die Grundversorgung des Lebens gesichert ist.
Im weiteren Verlauf werden dann Einkommen und Ausgaben einander gegenübergestellt, der Schuldner oder die Schuldnerin soll gegebenenfalls ein Haushaltsbuch führen. Die Beratungsstelle schreibt unterdessen Gläubiger an und erbittet Zeit: etwa drei Monate.
In dieser Zeit sollte der Mandant oder die Mandantin in den meisten Fällen auch therapeutische Beratung aufsuchen. Die Beratungsstelle arbeitet unterdessen individuelle Lösungsvorschläge zur Schuldenbereinigung aus.
Wie schnell bekomme ich einen Termin bei der Schuldnerberatung?
Bei den karitativen Stellen in den Ballungsgebieten kann es mehrere Monate dauern, bis man einen Erstberatungstermin bekommt. Viele Menschen haben wegen Kurzarbeitergeld, Grundsicherung oder auch schlicht ausbleibender Gehaltszahlungen großen Beratungsbedarf. Bei gewerblichen Stellen und Anwälten bekommt man aber in der Regel innerhalb einer Woche einen ersten Termin.
Wie finde ich eine seriöse Schuldnerberatung?
Grundsätzlich lassen sich folgende Beratungsangebote unterscheiden:
- Karitative Beratungsangebote (beispielsweise Caritas, AWO oder Diakonie): Sie sind in aller Regel kostenlos, aber oft auch auf lange Zeit ausgebucht. Karitative Anbieter sind meist eher auf die sozialpädagogischen Wirkungen ihrer Arbeit konzentriert. Sie helfen auch bei Suchterkrankungen oder der Organisation des Haushalts. In der Schuldnerberatung arbeiten oft auch Freiwillige, ehemalige Anwälte oder Richter bzw. Richterinnen.
- Gewerbliche Stellen: Diese sollten seriös und in einer eigenen Beratungsstelle auftreten, außerdem in irgendeiner Form eine Qualifikation nachweisen können und ein transparent erklärtes und pauschales Honorar verlangen.
- Fachanwälte für Insolvenzrecht: Dort bekommt man ebenfalls vergleichsweise schnell einen Termin, allerdings zahlt man die üblichen Anwaltshonorare.
Ob nun der Berater oder die Beraterin seriös ist, lässt sich oft nur im direkten Kontakt herausfinden. Das eigene Bauchgefühl kann da schon sehr hilfreich sein. Denn in Deutschland gibt es keine offizielle Ausbildung oder Zertifizierung für die Schuldner- und Insolvenzberatung. Aber es gibt IHK-Zertifikate und auch Ausbildungslehrgänge bei den karitativen Stellen. Am besten fragt man direkt nach den Qualifikationen.
Vermutlich unseriös ist eine Beratungsstelle, wenn sie kein eigenes Büro hat und auf Hausbesuche besteht. Stutzig sollte man auch werden, wenn Vorkasse verlangt wird, wenn die Kommunikationswege mit der Stelle nicht transparent sind und wenn der Mandantin oder dem Mandanten im Beratungsgespräch keine klaren Zukunftsperspektiven aufgezeigt werden.
Wer kann eine Schuldnerberatung in Anspruch nehmen?
Grundsätzlich steht die Schuldnerberatung allen Menschen offen. Gerade bei Privatpersonen sind oft die karitativen Stellen erste Anlaufstation. Bei Selbstständigen und kleineren bis mittleren Unternehmen kümmern sich eher die gewerblichen Beratungsstellen. Große Unternehmen bekommen meist Unterstützung von Unternehmensberatungen beziehungsweise Anwälten.
Gibt es unabhängige Stellen zur Schuldnerberatung?
Ja, die gibt es. Meistens hat die Stadt oder der Landkreis eine kommunale Schuldnerberatung eingerichtet. Außerdem können die Verbraucherzentralen und der Anwaltverein helfen.
Vorsicht ist geboten bei den sogenannten "Schuldenregulierungsfirmen". Die bieten an, dass Schuldnerinnen und Schuldner monatlich eine Rate an die Regulierungsfirma zahlen und die kümmert sich dann um den Rest. Sie nimmt alle Gläubiger auf und teilt dann diese Rate anteilig auf.
Der Schuldner hat allerdings keinen Vorteil davon, weil er ja – statt wie im Insolvenzverfahren die Schuldenlast abzuwerfen – die Schulden in voller Höhe abbezahlt. Und hinzu kommen noch eine monatliche Bearbeitungsgebühr, plus eine Abschlussgebühr von etwa 300 bis 500 Euro.
Was kostet eine Schuldnerberatung?
Bei den karitativen Stellen sollte die Beratung grundsätzlich kostenlos sein, denn sie bekommen Fallpauschalen vom Bund oder vom Land.
Gewerbliche Schuldenberatungsstellen haben keine einheitlichen Honorierungen. Seriöse Anbieter machen vorab einen Kostenvoranschlag und bieten eine einmalige Pauschale für alle Verfahrensschritte an. Man sollte im Verlauf der drei Jahre bis zur endgültigen Restschuldbefreiung mit 1.000 Euro bis 2.000 Euro rechnen.
Welche Möglichkeiten zur Schuldenbereinigung gibt es?
Wer bei mehreren Gläubigern Schulden hat, der hat grundsätzlich drei Möglichkeiten, das Problem zu beheben. Die bekannteste ist die Ratenzahlung. Dabei wird mit jedem Gläubiger einzeln eine bestimmte monatliche Rate ausgehandelt und solange abbezahlt, bis die Schulden vollständig beglichen sind.
Eine zweite Möglichkeit ist der außergerichtliche wirtschaftliche Vergleich. Dabei einigen sich die Schuldnerin beziehungsweise der Schuldner und die Gläubiger auf einen Betrag, der möglichst mit einem Mal zurückgezahlt wird. Vorteil: Der Betrag ist nicht ganz so hoch wie die tatsächlichen Schulden. Nachteil: Dafür benötigt man noch einen Grundstock an Geld. Der ist aber bei den meisten Schuldnerinnen und Schuldnern nicht mehr verfügbar. Und eine spendable Tante hat auch nicht jeder an der Hand.
Die dritte Option ist die Privatinsolvenz. Also die gerichtliche Schuldenregulierung, bei der man über drei Jahre hinweg monatlich eine festgesetzte Summe an das Gericht überweist und im Gegenzug mit einem Schlag alle Schulden loswird.
Ab wann ist eine Privatinsolvenz angezeigt und sinnvoll?
Ob eine Privatinsolvenz der richtige Weg ist, hängt von der Lebenssituation und den Einkommensmöglichkeiten ab. Denn wichtig zu wissen ist, was innerhalb des Insolvenzzeitraums zurückgezahlt werden muss: Der monatliche Betrag ist gesetzlich festgeschrieben und steht in der sogenannten Pfändungstabelle.
Ein Familienvater mit zwei Kindern und etwa 2.000 Euro Nettoeinkommen zahlt laut Pfändungstabelle aktuell 50,29 Euro pro Monat. Nach drei Jahren und regelmäßiger Zahlung bekommt er einen Bescheid über die Restschuldbefreiung. Seit der Gesetzesreform Anfang 2021 darf man innerhalb dieser drei Jahre keine unverhältnismäßigen neuen Schulden aufnehmen und das Verfahren wird in der Schufa-Auskunft aufgeführt.
Der große Vorteil: Mit dem Insolvenzantrag steht man unter Vollstreckungsschutz und die Gläubiger dürfen keine Zahlungsaufforderungen mehr schicken.
Deshalb ist die Privatinsolvenz für viele Privatpersonen die Rettung. So bekommen sie wieder Luft und können oft auch mit therapeutischer Hilfe einen Neustart versuchen.
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