Jeder siebte Deutsche hat Ende 2022 seinen Dispokredit benutzt. Das geht aus einer Untersuchung im Auftrag des Bundesverbands der Verbraucherzentralen hervor. Fast die Hälfte der Dispo-Nutzerinnen und -Nutzer gab an, darauf angewiesen zu sein, weil die Lebenshaltungskosten so stark gestiegen sind.
Dabei gilt der Dispokredit schon seit Jahren als die gefährlichste aller Varianten, um schnell an Geld zu kommen. Damit das Girokonto über die gedeckte Summe hinaus belastet werden kann, verlangen die Banken nämlich vergleichsweise hohe Zinsen. Im Schnitt sind es derzeit laut Stiftung Warentest 9,43 Prozent. Auf einen üblichen Verbraucherkredit kommen aktuell 3,5 bis 5 Prozent pro Jahr.
Alternative zum Dispo ist der gewöhnliche Privatkredit
Susanne Gelbmann vom Verbraucherservice Bayern rät deshalb: "Bevor Sie einen Dispokredit in Anspruch nehmen, sollten Sie schauen, ob Sie nicht einen gewöhnlichen Privatkredit aufnehmen können." Der sei leichter abzubezahlen und in einem klaren Rahmen abgesteckt. Gelbmann berät in Ingolstadt Verbraucherinnen und Verbraucher zu finanziellen Fragen.
Hilfreich ist es ihrer Meinung nach auch, schon dann mit der Bank zu sprechen, wenn das Geld knapp wird, aber noch kein Dispokredit gebraucht wurde. Denn oft setzt die Bank von sich aus einen viel zu großen Spielraum: Üblich seien zwei bis drei Monatsgehälter beim Dispokredit. Das lässt sich recht unkompliziert umwandeln, in einen sogenannten Abrufkredit.
- Zum Verbraucher-Podcast: "Überschuldungsfalle Dispokredit"
Zwischenlösung Abrufkredit ist deutlich günstiger
Dieser Abrufkredit funktioniert ähnlich wie ein Dispokredit, beläuft sich aber auf kleinere Summen, die beispielsweise eine Mietzahlung abdecken. Wird dieser Rahmen nicht voll ausgeschöpft, fallen auch keine oder nur sehr geringe Zinsen an. Ganz grundsätzlich rät Gelbmann, regelmäßig den Kontostand zu prüfen: "Stimmen die Abbuchungen? Und vor allem: Nehmen Sie mehr ein, als Sie an Fixkosten ausgeben?"
Das klingt zunächst einfach, aber Gelbmann weiß aus ihren Beratungen, dass viele Menschen zwar wissen, dass ihre Fixkosten für Energie und Strom in absehbarer Zeit massiv steigen werden, dafür aber nicht vorsorgen. Zeitgleich haben viele ihrer Kundinnen und Kunden überflüssige Ausgaben, weil sie beispielsweise Zeitungs-, Medien- oder Fitness-Abos abgeschlossen haben, die sie zwar nicht benutzen, die aber den Kontostand unnötig belasten.
Insolvenzberater: Hohe Energiekosten könnten Schuldenwelle verursachen
Auch Thomas Tillich sieht den anstehenden Energie-Nachzahlungen zum Ende des Jahres mit einiger Sorge entgegen. Tillich ist Insolvenzberater in München und erwartet eine "richtige Welle" an Privatinsolvenzen. Wer jetzt schon im Dispobereich des Girokontos ist oder einen knapp kalkulierten Kredit abbezahlt, könnte mit den Nachzahlungen echte Probleme bekommen. "Da kann es noch mal richtig scheppern", befürchtet er.
Er kenne genügend Fälle, die monatlich 100 oder 200 Euro allein an Dispozinsen zurückzahlen, weil sie ihren Kreditrahmen nicht rechtzeitig zurückgestuft haben. Viele hätten sich von der Bank ein Überziehungsbudget von 8.000 oder sogar 10.000 Euro einrichten lassen - und das dann zu schnell ausgenutzt. Tillich rät in so einem Fall dazu, die Hausbank um eine Umschuldung zu bitten. Gerade Sparkassen und Volksbanken seien da erfahrungsgemäß großzügiger.
Bei hohen Schulden hilft gute Finanzberatung
Allerdings gebe es auch immer wieder Menschen, die gar keinen Umschuldungskredit mehr bekommen, weil ihre Bonität schon zu schlecht ist, erzählt der Insolvenzberater. Bei Schulden von 10.000 Euro sei aber laut Tillich in der Regel noch keine Privatinsolvenz nötig. Die durchschnittliche Summe, ab der Tillich bei Insolvenzen hilft, liegt bei Schulden in Höhe von etwa 30.000 Euro. Bei allen Summen, die darunter liegen, empfiehlt Tillich vor allem Selbstdisziplin und eine solide Finanzberatung.
Die zu bekommen, ist allerdings mancherorts gar nicht so einfach. Denn beim Verbraucherservice oder den Verbraucherzentralen gibt es keine Schuldnerberatung. Traditionell übernehmen die Wohlfahrtsverbände die Schuldner- und Insolvenzberatung, in der Regel unentgeltlich. Allerdings reichen deren kostenfreie Kapazitäten schon länger nicht mehr aus, um der Nachfrage gerecht zu werden.
- Zur Campus Doku: Leben auf Pump - Schulden um jeden Preis?
Inzwischen hat sich parallel ein privater Beratungsmarkt entwickelt, diese Beratungen kosten allerdings etwas. Hier raten Expertinnen und Experten, auf seriöse Angebote zu achten und sich vorab über die Kosten zu informieren. Ein wichtiger Tipp: Lassen Sie sich vorher einen Kostenvoranschlag geben.
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