Der Bundesfinanzminister und die Arbeitgeber sind dagegen, Ärzteverbände verteidigen sie: Die telefonische Krankschreibung, wie sie seit Dezember 2023 möglich ist. Im Krankheitsfall müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer damit nicht mehr immer in eine Arztpraxis. Gleichzeitig zeigt die Statistik: Die Zahl der Krankheitstage ist innerhalb der vergangenen drei Jahre gestiegen. Das sind die zentralen Fragen in der Debatte.
Wann ist eine Krankschreibung per Telefon möglich?
Patienten können eine Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung per Telefon erhalten, wenn es um eine Erkrankung geht, die als nicht schwer eingestuft wird. Vor allem, wer an einer Erkältungskrankheit oder Magen-Darm-Problemen leidet, soll nicht in eine Arztpraxis gehen müssen. Eine entsprechende Ausnahme-Regelung, die es während der Corona-Pandemie gab, wurde vom obersten Entscheidungsgremium im deutschen Gesundheitswesen, dem Gemeinsamen Bundesausschuss von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen im Dezember 2023 beschlossen (externer Link). Voraussetzung ist, dass die Patienten in der jeweiligen Praxis bekannt sind.
Wie lange ist eine telefonische Krankschreibung gültig?
Per Telefon können Arbeitnehmer maximal fünf Tage krankgeschrieben werden. Wer danach eine Verlängerung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung braucht, muss in die Praxis kommen. Wenn eine erste AU-Bescheinigung bei einem Praxisbesuch ausgestellt wurde, kann sie per Telefon verlängert werden, ohne erneuten Gang in die Praxis.
Ist die Telefon-Krankschreibung der Grund für die hohen Krankenstände?
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ist überzeugt, dass die Möglichkeit, sich telefonisch krankschreiben zu lassen, zu den momentan hohen Krankenständen beiträgt. Auch Arbeitgeberverbände argumentieren in diese Richtung.
Nach Einschätzung von Krankenkassen, Ärzteverbänden und auch Wissenschaftlern hingegen hat die Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung keinen oder nur einen geringen Einfluss auf die Entwicklung der Krankenstände. So kommt das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in einer aktuellen Studie zum Ergebnis: Eine Auswertung, wie sich die Fehlzeiten zwischen 2020 und 2023 entwickelt haben, spreche "gegen die telefonische Krankschreibung als treibende Kraft des jüngsten Anstiegs" (externer Link).
Welche anderen Erklärungen gibt es für den hohen Krankenstand?
Nach Einschätzung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ist es vor allem ein Faktor, der dafür sorgt, dass momentan mehr Krankmeldungen vorliegen als etwa Ende des vergangenen Jahrzehnts: Seit Anfang 2023 gibt es die elektronische Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung. Sie hat die "gelben Zettel“ abgelöst, mit denen Arbeitnehmer sich vorher sowohl beim Arbeitgeber als auch bei ihrer Krankenkasse krankmelden sollten. Bis 2023 hätten viele Arbeitnehmer zwar einen Brief an den Arbeitgeber geschickt, nicht aber unbedingt an ihrer Kasse, so das ZEW. Deshalb hätten die Kassen kein vollständiges Bild von den Krankmeldungen gehabt. Das sei mittlerweile anders. Darüber hinaus gebe es vor allem mehr Atemwegserkrankungen und psychische Probleme als in früheren Jahren.
Wird die telefonische Krankschreibung wieder abgeschafft?
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Arbeitgebervertreter oder auch Bundesfinanzminister Christian Lindner Erfolg mit ihrer Forderung haben, die telefonische Krankschreibung wieder abzuschaffen. Denn die entsprechende Entscheidung wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss getroffen, in dem Vertreter von Ärzte- und Krankenhausverbänden sowie Krankenkassen im Rahmen der Selbstverwaltung wichtige Entscheidungen fürs Gesundheitswesen treffen.
Sowohl Ärzteverbände als auch Krankenkassen wollen an der telefonischen Krankschreibung festhalten, unter anderem weil sie darin eine Entlastung der Arztpraxen sehen. Dass das Bundesgesundheitsministerium unter der Leitung von Minister Karl Lauterbach (SPD) Druck auf die Selbstverwaltung macht, von dieser Haltung abzurücken, ist unwahrscheinlich.
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