"Es ist ein starkes Zeichen der Stadt für den Erhalt des Standorts und des Unternehmens", sagt am Dienstagvormittag Kelheims Bürgermeister Christian Schweiger (CSU) nach einer für das Chemie-Unternehmen Kelheim Fibres wichtigen Stadtratssitzung. Am Abend zuvor hatte das Gremium in einer nicht-öffentlichen Sitzung beschlossen, dass die Stadt zusammen mit der Stadtbau Kelheim GmbH vom Unternehmen ein 52.000 Quadratmeter großes Areal neben dem Werksgelände kauft. Der Preis: Ein Millionenbetrag, der noch nicht näher beziffert wird.
Kelheim Fibres droht die Insolvenz
Das Geld soll dem Faserhersteller helfen, eine akute Krise zu überwinden. Der Grundstücksverkauf sei ein wesentlicher Baustein eines Finanzierungskonzepts, das benötigt wird, um eine drohende Insolvenz von Kelheim Fibres zu verhindern, sagt Geschäftsführer Craig Barker. Darin involviert sind bereitstehende Investoren, die Eigentümer und Banken des Unternehmens und durch den Grundstückskauf nun auch die Stadt, deren Geld das Rettungskonzept nun möglich machen soll.
Rund 1.000 Arbeitsplätze in Gefahr
Die Situation ist durchaus ernst. "Wir tun alles, um eine Insolvenz nicht anmelden zu müssen", sagt Barker. Auf dem Werksgelände arbeiten mit Leiharbeitern und Fremdfirmen insgesamt rund 1.000 Menschen. Für sie hätte die Insolvenz fatale Folgen, genauso wie für die Stadt Kelheim an sich. Nicht nur die fehlenden Gewerbesteuereinnahmen wären fatal, sondern auch einbrechende Einkommenssteuer-Einnahmen und die verringerte Kaufkraft würden die knapp 17.000 Einwohner-Stadt schwer treffen, sagt Bürgermeister Schweiger. "Wenn man sich vorstellt, wie viele Menschen dort arbeiten, wie viele Familien das beträfe, dann würde das meiner Einschätzung nach das Bild von Kelheim komplett verändern. Für die Stadt hätte das katastrophale Auswirkungen."
Energieintensive Produktion und hohe Gaspreise
Kelheim Fibres stellt Fasern her, zum Beispiel Viskose für Tampons, Binden oder feuchtes Toilettenpapier. Auch Textil-Fasern gehören zu den Produkten. Für die chemischen Prozesse im Werk sind große Energiemengen notwendig. Nach eigenen Angaben gehört das Werk zu den größten Gasverbrauchern Bayerns. Die immer noch hohen Gaspreise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine sind nach Unternehmensangaben der Hauptgrund für die Schieflage. Trotz des Preisrückgangs in letzter Zeit seien die Einkaufskosten für Gas immer noch doppelt so hoch wie vor dem Krieg, so Geschäftsführer Barker.
Preise fallen – aber noch nicht weit genug
Ein Problem, unter dem viele energieintensive Betriebe leiden, wie Erhebungen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigen. "Glücklicherweise hat sich die Situation an den Energiemärkten in den vergangenen Monaten wieder beruhigt. Dennoch sind die Strom- und Gaspreise im Großhandel immer noch knapp doppelt so hoch wie vor der Energiekrise", sagt die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae. Zumindest für die Zukunft könnte sich die Situation weiter entspannen, doch es gebe auch noch viele Unsicherheiten. "Wir haben keine Glaskugel, aber aktuell sind wir optimistisch mit Blick auf den Gasmarkt", sagt Andreae.
Auch Rohstoffe werden teurer
Zu den Gaspreisen kommt bei Kelheim Fibres aber auch noch stark gestiegene Preise für den in der Produktion wichtigen Rohstoff Natronlauge. Diese fällt normalerweise als Nebenprodukt bei der PVC-Herstellung an. Wegen der aktuellen Flaute in der Baubranche wird aber weniger PVC benötigt und damit fehlt es auch am Abfallprodukt. Das lässt die Preise für Natronlauge steigen, sagt Barker. Das sei fatal, da sich das Unternehmen im Wettbewerb mit Herstellern etwa in Asien oder den USA befindet, wo günstiger produziert werden kann.
Unternehmensbereiche sollen wegfallen
Um das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen, will sich das Unternehmen künftig mehr auf Fasern für Hygieneprodukte konzentrieren, da hier höhere Preise durchgesetzt werden können. Unrentablere Bereiche wie die Textilfaser-Abteilungen sollen dagegen wegfallen. Von dieser Sparmaßnahme wären zwischen 50 und 80 Arbeitsplätze betroffen. Diese sollen ohne betriebsbedingte Kündigungen gestrichen werden, hofft Barker. Eine Insolvenz hätte wohl noch deutlich gravierendere Folgen für die Beschäftigten, von denen nun sicher viele hoffen, dass der am Montag beschlossene Grundstückskauf in den nächsten Tagen endgültig abgeschlossen werden kann. Dafür muss der Stadtrat noch einen Nachtragshaushalt verabschieden, dem dann auch noch das Landratsamt Kelheim als Rechtsaufsicht zustimmen muss.
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