Ein nur für die Industrie subventionierten Strompreis? Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke, hält das für keine gute Idee. "Von einem reinen Industriestrompreis kann ich den politischen Akteuren nur abraten", sagte Werneke dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Auch viele Privathaushalte und soziale Einrichtungen müssten bei einem staatlich gedämpften Strompreis einbezogen werden.
"Es hätte enorme Sprengkraft, wenn ein Bürger, der mit dem gesetzlichen Mindestlohn gerade so über die Runden kommt, für seinen Strom 35 Cent die Kilowattstunde zahlt, während die Großindustrie mittels staatlicher Subventionen nur 5 oder 6 Cent zahlt", führte Werneke aus. "Und die Aktionäre der Konzerne würden dann nebenbei fröhlich weiter bedient", fügte er hinzu.
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Nicht nur Industrie unterstützen: Was Werneke vorschlägt
Aus Sicht des Gewerkschafters "müssen die Strompreise weiter gedämpft werden, aber das darf sich auf keinen Fall nur auf die Industrie beziehen. Das wäre sozialpolitisch nicht verantwortbar." Nötig sei ein deutlich breiterer Ansatz. "Auch beispielsweise in Sozialeinrichtungen oder dem Gesundheitswesen ist der Handlungsbedarf groß und natürlich auch bei vielen privaten Haushalten", so Werneke. Der Gewerkschaftschef pocht deshalb auch weiterhin auf einen Mindestlohn von 14 Euro.
Eine zu geringe Erhöhung könne zu Politikverdrossenheit führen. "Es gibt Regionen in Deutschland, in denen 30 bis 40 Prozent aller Beschäftigten vom Mindestlohn leben", sagte Werneke dem RND. "Wenn es dort keine vernünftige Lohnentwicklung gibt, die die Kaufkraft sichert und vor Altersarmut schützt, führt das zu einer Verdrossenheit gegenüber dem politischen System, die in vielen Orten bereits spürbar ist."
Die Mindestlohnkommission aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern hatte Ende Juni beschlossen, dass der Mindestlohn Anfang 2024 zunächst um 41 Cent auf 12,41 Euro pro Stunde und Anfang 2025 auf 12,82 Euro steigen soll.
Abwanderung ins Ausland? Diskussion über Entlastungen
In der Koalition wird seit Monaten über eine Entlastung von Unternehmen diskutiert - angesichts der im internationalen Vergleich hohen Strompreise. Unternehmen in Deutschland fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit. Verbände warnen vor einer zunehmenden Abwanderung der Produktion ins Ausland. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), die Grünen- sowie die SPD-Fraktion wollen für eine Übergangsphase einen subventionierten Industriestrompreis - die FDP ist dagegen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt eine "Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne" ab.
Sparkassen: Wirksamere Maßnahmen als Industriestrompreis treffen
"Die Gefahr, dass Unternehmen in Länder abwandern, in denen Energie günstiger ist, ist akut", warnt auch der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), Helmut Schleweis, bei der Vorstellung einer Mittelstands-Studie. Nötig sei für eine begrenzte Zeit die pragmatische Nutzung aller verfügbaren Energien und eine schnellere Wende hin zu erneuerbaren Energien. "Anstatt neue Subventionen wie einen Industriestrompreis zu etablieren, sind Senkungen bei der Stromsteuer und eine Reform der Netzentgelte sehr viel schneller und wirksamer", so Schleweis. "Davon profitieren nicht nur wenige Großunternehmen, sondern auch mittelständische Betriebe."
Die Politik sei hier gefragt und müsse Tempo machen - bei Energie, Digitalisierung und beim Erweitern des Arbeitskräfteangebots durch Bildung und Zuwanderung. Trotz der aktuellen Herausforderungen wie hoher Inflation und Energiepreise sowie einem Arbeitskräftemangel sei Deutschlands Wirtschaft stärker als derzeit oft beschrieben, bilanzierte Schleweis. "Wenn dieser Tage der Eindruck vermittelt wird, nichts in Deutschland funktioniere mehr, halte ich entgegen - der Mittelstand funktioniert." Er sei das wirtschaftliche Fundament dieses Landes, dürfe aber auch nicht überlastet werden. Eine zufriedenstellende Ertragslage zu erhalten, werde für die Betriebe immer schwieriger. "Unsere Prognose für die Gewinnentwicklung zeigt unter dem Strich für die meisten Branchen nach unten."
Mit Informationen von dpa und Reuters
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