Der letzte G8-Jahrgang in Bayern – für die Schülerinnen und Schüler der Abi-Klassen bedeutet das besonderen Stress. Sie genießen kein zusätzliches Vorbereitungsjahr wie die aktuellen G9-Klassen, die das wiedereingeführte neunjährige Gymnasiumsmodell durchlaufen. Und für sie stellt sich die Frage: Was, wenn es nicht klappt, wenn sie beim Abitur durchfallen?
Die Umstellung des Systems bringt eine Lücke bei den Abschlussprüfungen mit sich. Im Schuljahr 2024/2025 wird es keine regulären Abiturprüfungen geben – G8-Klassen gibt es nicht mehr, der erste G9-Jahrgang wird in der 12. Klasse sein. "Wenn wir wirklich durchfallen, müssten wir im schlimmsten Fall zwei Jahre wiederholen. Das wäre schon sehr blöd, weil wir viel Zeit verlieren würden", fasst eine Zwölftklässlerin aus München, die nicht namentlich genannt werden möchte, die Befürchtungen ihres Jahrgangs zusammen.
Lösung für durchgefallene Abiturienten
Ganz so schlimm ist es nicht. Auch im Schuljahr 2024/2025 werde es Abiturprüfungen geben, allerdings nur an bestimmten Orten, teilt das bayerische Kultusministerium mit. Das betreffe auch Schülerinnen und Schüler des ersten G9-Jahrgangs, die die individuelle Lernzeitverkürzung in Anspruch nehmen.
Aber offenbar mangelt es an Kommunikation, einige Schülerinnen und Schüler wissen davon nichts. Und auch dazu, wie eine solche Wiederholung der Prüfungen genau ablaufen würde oder wie die Vorbereitungen organisiert würden, gibt es Aufklärungsbedarf.
Weiterhin Hilfen für Schüler nach der Pandemie
Das Ende der Corona-Beschränkungen hat in den vergangenen Monaten viele Erleichterungen für Schülerinnen und Schüler gebracht, manches wird jetzt schwerer. So fallen im aktuellen Schuljahr pandemiebedingte Zugeständnisse wie Extrazeiten bei Abschlussprüfungen weg. "Zurück zur Normalität" bedeute das aber noch lange nicht, sagen Bildungsexperten. "Die Kinder haben erlebt, dass die ganze Welt ein bisschen aus den Fugen geraten ist. Sie haben den Lehrermangel miterlebt. Und sie haben gemerkt, dass ihnen vieles an individueller Unterstützung fehlte", kommentiert Simone Fleischmann vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) die Situation. Auch werde perspektivisch nicht alles besser.
Ganz fällt die Hilfe für Schülerinnen und Schüler, denen die Folgen der Pandemie zu schaffen machen, nicht weg. Auch im aktuellen Schuljahr werde das Programm "Gemeinsam Brücken bauen" weitergeführt, teilt das Kultusministerium mit: Freiwilliger Zusatzunterricht und Klassendifferenzierungen, also das Aufteilen von Klassen, werden auch weiterhin vom Freistaat gefördert. So sollen Lernrückstände aufgeholt und der soziale Umgang der Kinder nach der Isolation während der Corona-Zeit gestärkt werden.
Geld gegen den Lehrkräftemangel
Solche Maßnahmen kosten Geld und binden Personal. Der Freistaat Bayern hat die Mittel für Bildung im laufenden Jahr um 2,7 Prozent erhöht, alle Herausforderungen im Bildungssystem lassen sich mit Geld aber kurzfristig nicht lösen. Laut einer Umfrage des ifo-Instituts halten 77 Prozent der Befragten den Lehrkräftemangel für ein großes Problem, und auch Lehrervertreter klagen weiterhin über Personalmangel und fordern mehr Ressourcen zur besseren Qualifikation von Quereinsteigern, zu denen derzeit auch zahlreiche Menschen aus der Ukraine gehören.
Beim Lehrermangel will die Staatsregierung mit höheren Gehältern und Sonderprämien nachhelfen. So steigt die Einstiegsbesoldung von Grund- und Mittelschullehrern auf das gleiche Niveau wie das von Gymnasiallehrern. Das kann eine Motivation für Lehramtsinteressenten sein, die bisher vor allem im nichtgymnasialen Bereich fehlen.
Bis so gewonnene neue Lehramtsstudierende ins Berufsleben einsteigen können, dauert es aber noch Jahre. Kurzfristig sollen vor allem Quereinsteiger den Personalmangel ausgleichen. Potenzielle Bewerber sollen mit ausgeweiteten Beratungsangeboten für die Arbeit als Lehrerinnen und Lehrer gewonnen werden. Im jetzigen Schuljahr beginnen gut 600 Quereinsteiger das Referendariat, also den zweijährigen Vorbereitungsdienst zum Lehrer oder zur Lehrerin.
Idee aus Finnland: Lehramtsberuf aufwerten
Es gibt aber auch genau gegensätzliche Ansätze. Statt den Zugang zum Lehramt zu erleichtern, könne man auch darüber nachdenken, ihn zu erschweren, sagt Ludger Wößmann, Bildungsexperte und Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik in München. Man müsse nicht unbedingt die Standards senken. "Das kann dazu führen, dass gute Leute nicht mehr das Gefühl haben, da kommt jeder rein."
Mehr Bewerber durch ein besseres Image des Berufs – Wößmann verweist auf Finnland, wo es bereits sehr hohe Zugangshürden gebe, sich aber dann auch die Besten eines Jahrgangs für das Studium bewerben würden: "Es ist sicherlich eine offene Frage, aber man sollte das nicht gänzlich zur Seite schieben." Der Lehramtsberuf müsse jedenfalls aufgewertet werden.
Deutsche beurteilen ihre Schulen schlecht
Erfolg und Misserfolg dieser Maßnahmen werden sich auch an der Meinung der Bevölkerung messen lassen. Erst kürzlich hat das ifo-Institut sein jährliches Bildungsbarometer veröffentlicht und festgestellt, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland das Bildungssystem so schlecht bewerten wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren.
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