Mekka der Globalisierung, grenzenloser Handel, ein besonderer Spirit: All das verkörperte einst das Weltwirtschaftsforum, kurz WEF, in der Schweizer Gemeinde Davos. Aber in einer Zeit, in der die Globalisierung von diversen Krisen erschüttert und nur allzu oft infrage gestellt wird, könnte auch das WEF an sein natürliches Ende gekommen sein. Damit das nicht passiert, wird dieses Jahr heftig diskutiert.
Aus Show-Veranstaltung wurde politische Bühne
Früher war Davos nur allzu oft ein Show-Off des Who-is-Who in der Wirtschaft. Je hochkarätiger die Namen auf der Gästeliste, desto mehr öffentliche Aufmerksamkeit war dem Wirtschaftsforum garantiert. Aber Corona hat die Möglichkeiten zu netzwerken stark eingeschränkt. Auch deshalb gibt es dieses Jahr einiges nachzuholen in dem graubündener Dorf – gleich am ersten Tag wird es sehr politisch.
Einer der Hauptgäste konnte aus bekannten Gründen trotzdem nur per Video zugeschaltet werden: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Er berichtete in seiner Rede von 87 Toten nach einem russischen Luftangriff in der vergangenen Woche und forderte erneut noch schärfere Sanktionen gegen Russland, ein Öl-Embargo sei dringend nötig.
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Globalisierung könnte ausgedient haben
Neben dem Krieg in der Ukraine, der viele ältere Wirtschaftsbeobachter gefühlt in die Zeit vor der Globalisierung zurückversetzt, werden auch die Folgen der Corona-Pandemie zentrales Thema beim WEF sein. Denn gerissene Lieferketten, deretwegen Produktionsstrecken gehemmt sind und Preise in die Höhe schnellen, sind ein echtes Hindernis für eine funktionierende Ökonomie. Gleichzeitig ist China coronabedingt nach wie vor in weiten Teilen im Lockdown, was noch längere Verzögerungen befürchten lässt.
Trotzdem: Das Gemunkel um eine Deglobalisierung, also die Rückkehr zu nationalstaatlich ausgerichtetem Wirtschaftshandeln, bleibt für viele nur das: Gemunkel. Auch, wenn die globalisierte Wirtschaft einen Dämpfer abbekommen hat, sagt beispielsweise Martin Lück, Kapitalmarktstratege beim Anlageverwalter Blackrock der ARD. Er ist ebenfalls zu Besuch in Davos: „Der russische Angriff auf die Ukraine hat gezeigt, dass wir da einer Täuschung, einer Illusion aufgesessen sind“, räumt er ein. Und meint damit die Idee, dass Globalisierung ein Friedensgarant sein könnte.
Wohlstandsverlust ist überall zu erwarten
Kurz- und mittelfristig dürfte es aber in fast allen Bereichen und Ländern zu Wohlstandsverlusten kommen, da sind sich viele Expertinnen und Experten einig. Ob nun in der Wirtschaft, bei den Ressourcen oder im Politischen. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass das Motto dieses Jahr lautet: "Geschichte an einem Wendepunkt". Dieser Erkenntnis folgt die Frage: Was kommt jetzt?
Auf der Suche nach Antworten darauf ist auch der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck nach Davos gereist. Er wird ebenfalls sprechen und seine angekündigte Forderung nach einer nachhaltigen und fairen Globalisierung erklären. Eine Abschottung der Staaten sei aus seiner Sicht keine Lösung, erklärte er vorab. Vielmehr brauche man eine neue europäische Handelsagenda und faire bilaterale Abkommen.
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Interessen sehr verschieden
Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, wie schwierig es werden dürfte, diesen Ansatz zu verfolgen und die verschiedenen Interessen der internationalen Gäste zu vereinen. Beispiel Klimaschutz: Während Länder wie Deutschland möglichst schnell aus der fossilen Energie aussteigen möchten und wieder mehr auf regionale Produktion setzen wollen, erlebt anderswo, zum Beispiel in China, die Kohle ein Revival. Der fossile Energieträger ist günstiger als Gas und soll das eingebüßte Wirtschaftswachstum wieder wettmachen. Viel weiter voneinander entfernt könnte das jeweilige Verständnis von "Handelsagenda" und "fairen Abkommen" kaum sein.
Bis Donnerstag werden in Davos rund 50 Staats- und Regierungschef erwartet, sowie 2.500 Delegierte aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft. Zu den Gästen gehören auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
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