Auf einem Aktenordner der in einem Sitzungssaal steht klebt der Fahndungsaufruf für Jan Marsalek
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Wirecard-Prozess: Marsalek-Brief sorgt für Streit vor Gericht

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Wirecard-Prozess: Marsalek-Brief sorgt für Streit vor Gericht

Das Brief-Lebenszeichen des flüchtigen Jan Marsalek sorgt für Aufregung im Wirecard-Prozess: Am Tag nach Bekanntwerden des Schreibens beharken sich Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidiger in der Verhandlung: Wie gewichtig ist der Brief?

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Am Tag nach dem brieflichen Lebenszeichen von Jan Marsalek geht es im Wirecard-Prozess erst einmal um Caesar Salad mit Hähnchen. Ein Aspekt des gerade laufenden Prozesses. Als wäre nichts gewesen, referiert der Vorsitzende Richter Födisch über die Übersetzung einer Hotel-Rechnung – bis nach wenigen Minuten Alfred Dierlamm dazwischengrätscht.

Der Verteidiger von Ex-Wirecard-Chef Markus Braun spricht den Brief von Marsaleks Anwalt an, der am Vortag öffentlich bekannt geworden war: Zum ersten Mal seit rund drei Jahren ist etwas von dem flüchtigen Marsalek zu hören. Das sorgt für viel Aufruhr – nicht nur medial, sondern auch im Prozess.

Marsalek: Drittpartnergeschäft von Wirecard hat existiert

In dem Schreiben deutet Marsalek über seinen Anwalt an, dass das Drittpartnergeschäft in Asien wohl existiert habe. Dieses ist Dreh- und Angelpunkt in dem Prozess: Die Staatsanwaltschaft hält es für erfunden. Die Braun-Verteidigung dagegen hat erst vergangene Woche aus ihrer Sicht umfangreiche Belege für die Existenz vorgelegt und Hunderte Beweisanträge gestellt. Fehlende 1,9 Milliarden Euro aus dem Drittpartnergeschäft hatten im Sommer 2020 zum Zusammenbruch von Wirecard geführt.

Außerdem behauptet Marsalek in dem Brief, dass Teile der Aussage des Angeklagten Oliver Bellenhaus gelogen seien. Bellenhaus gilt als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft und belastet Braun schwer.

Braun-Verteidiger möchte Marsalek-Brief in Prozess einführen

Dass diese Aussagen nun in Zweifel gezogen werden, hat für Braun-Verteidiger Dierlamm Gewicht: "Das ist der erste Zeuge, der sich über seinen Anwalt zum Sachverhalt äußert", sagt er. Die Ausführungen stünden zudem "im krassen Gegensatz" zu den Berichten des Insolvenzverwalters, der nach eigenen Angaben bislang keine Beweise für das Drittpartnergeschäft gefunden hat.

Dierlamm möchte das Schreiben deshalb auch als Beweismittel in den Prozess einführen, was er mehrmals betont. Richter Födisch sieht dafür hingegen keinen Anlass: "Ich kann den krassen Gegensatz nicht erkennen", antwortet er prompt.

Richter geht dazwischen: "Jetzt reicht es!"

Das ist der Moment, in dem Dierlamm ungeduldig wird und erneut widerspricht. Auch Staatsanwältin Inga Lemmers mischt sich jetzt ein: "Vor harten Fakten strotzt dieses Schreiben nicht", sagt sie. "Wir sehen das völlig anders", kontert Dierlamm. Es geht hin und her, im Saal wird es lauter. "Moment mal, jetzt bin ich dran", poltert der Verteidiger.

Irgendwann ist der Richter dann am lautesten: "Jetzt reicht es! Ich habe keine Lust, über diesen Schriftsatz lange zu diskutieren", ruft Födisch in sein Mikrofon. Den Beweisantrag der Braun-Verteidigung, den Brief als Beweismittel in den Prozess einzuführen, stellt der Richter erst einmal zurück und widmet sich dann einer Zeugenvernehmung.

Jan Marsalek: Das Phantom im Wirecard-Prozess

Dieses kurze Intermezzo verdeutlicht einmal mehr: Jan Marsalek ist seit Prozessbeginn das untergetauchte Phantom, das doch ständig präsent ist. Seine Beteiligung am Betrug bezweifelt kaum jemand im Saal, auch fällt sein Name regelmäßig – aber die Details bleiben seit seinem Untertauchen im Dunkeln. Auch jetzt sorgt er mit seinem Lebenszeichen für einen weiteren Streit-Moment in diesem Prozess, dem es an Wortgefechten wahrlich nicht fehlt.

Unbestritten ist auch, dass Marsalek viel dazu beitragen könnte, diesen Bilanzskandal aufzuklären. Sein Brief ist nun zumindest eine erste Wortmeldung. Auf mögliche Details wie Zahlungsflüsse oder Datensätze ist er aber wohl – nach allem, was Prozessbeteiligte über den Inhalt berichten – nicht eingegangen.

Am späten Nachmittag kann die Braun-Verteidigung dann doch noch beantragen, den Brief in der Hauptverhandlung zu verlesen. Die Strafkammer entscheidet jedoch nicht mehr unmittelbar über den Antrag. Damit ist das Schreiben vorerst kein Beweis in diesem Prozess.

Im Video: Marsalek-Brief sorgt für Aufregung im Wirecard-Prozess

Das Brief-Lebenszeichen des flüchtigen Jan Marsalek sorgt für Aufregung im Wirecard-Prozess
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Das Brief-Lebenszeichen des flüchtigen Jan Marsalek sorgt für Aufregung im Wirecard-Prozess

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