Stifte liegen auf den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für Arbeitnehmer im Falle einer Krankschreibung durch den Arzt (Archivbild).
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In manchen Unternehmen will der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab Tag 1, anderswo reicht es später (Symbolbild).

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Krankschreibung gleich oder später? Eine Entscheidung mit Folgen

Krankschreibung gleich oder später? Eine Entscheidung mit Folgen

Wer krank ist, sollte überlegen: Brauche ich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, den früheren "gelben Schein", schon an Tag eins oder erst nach ein paar Tagen? Denn das regeln Unternehmen unterschiedlich. Welche Variante ist für wen besser?

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Um eine Krankschreibung vorzulegen, bekommen die einen ein paar Tage Zeit, andere nicht. BR24-User bemerkten angesichts dessen Auffälligkeiten: "Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Tag war bis vor ein paar Jahren in unserer Firma ganz normal. Als dies geändert wurde, sind Kurzzeiterkrankungen sprunghaft angestiegen! Zufall??", kommentierte "clanch".

Konträre Auswirkungen registrierte User "I_moin": "(...) Mein Arbeitgeber verlangt die AU ab dem ersten Tag. Folge: Es gibt kaum noch 1-Tages-Fehlzeiten... es sind i.d.R. mindestens 3 Tage. Bingo!"

Das Team von "Dein Argument" hat versucht, statistisch darzustellen, wie es sich auf die Zahl der Krankheitstage auswirkt, wenn ein Unternehmen die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) an Tag eins oder erst nach Tag drei der Krankmeldung verlangt. Doch von mehreren Stellen heißt es: Diese Daten gibt es nicht. "Eine Information über die jeweiligen betrieblichen Regelungen wird den Krankenkassen nicht zur Verfügung gestellt", erklärt etwa Helmut Schröder, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK.

Krankschreibung: Was steht im Gesetz?

Im Entgeltfortzahlungsgesetz ist geregelt, dass sich Arbeitnehmer unverzüglich melden müssen, wenn sie arbeitsunfähig sind. Stichwort Krankmeldung. Zur Krankschreibung heißt es: "Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen."

Entscheidend sind also Kalendertage, nicht Arbeitstage. Und der Chef kann beispielsweise im Arbeitsvertrag regeln, dass die AUB schon vor dem vierten Tag abrufbar sein muss – ohne Begründung.

Ursprünglich war im Gesetzentwurf vorgesehen, dass alle am ersten Kalendertag die AUB vorlegen müssen. Dies wurde jedoch angepasst, um einer Kostensteigerung bei den Krankenkassen entgegenzuwirken.

Drei Tage krank ohne AUB: Vertrauensvorschuss

Man könnte sagen: Mit der Regelung, nicht sofort zum Arzt zu müssen, gibt es für Mitarbeiter einen Vertrauensvorschuss. Oder aber, wie es BR24-User "j_a" empfand, als er plötzlich am ersten Tag die AUB vorzeigen sollte: "Hab dann erklärt, dass mit dieser Maßnahme für mich keinerlei Vertrauensbasis mehr besteht, und habe dort gekündigt."

Laut einer Befragung der DAK-Gesundheit (externer Link) gibt es zwar Menschen, die zugeben, "blau" zu machen – also trotz Arbeitsfähigkeit nicht arbeiten –, doch diese Beschäftigten seien in der "absoluten Minderheit". Ein "blauer Montag" oder "blauer Freitag" sei in den Daten nicht erkennbar, wie beispielsweise der AOK-Fehlzeitenreport (externer Link) zeigt.

Der Arbeitgeber sollte sich gut überlegen, ob er ab dem ersten Krankheitstag eine Bescheinigung verlangt, schreibt die IHK München und Oberbayern auf ihrer Webseite. Zwar könne dies "Blaumacher" abschrecken. "Andererseits sollte bedacht werden, dass ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in den seltensten Fällen lediglich für einen Tag ausgestellt werden."

Laut der Beschäftigtenbefragung der DAK-Krankenkasse (über 7.000 Befragte) gab 2024 jeder Vierte an, ab dem ersten Tag eine ärztliche Bescheinigung vorlegen zu müssen.

"Gravierende Nebeneffekte" bei Pflicht ab Tag 1

"Eine AUB ab dem ersten Tag überall verpflichtend einzuführen, hätte gravierende Nebeneffekte", sagt Schröder vom Wissenschaftlichen Institut der AOK. "Dieser große bürokratische Aufwand würde hausärztliche Praxen von sinnvolleren Tätigkeiten bei der Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten abhalten." Die Frage sei, ob und wie viele schwarze Schafe es in den Belegschaften gebe. "Wir sehen in unseren Befragungen eine hohe Einsatzbereitschaft unter den Beschäftigten und dem sollte nicht mit Misstrauen begegnet werden." Es sollte vermieden werden, dass sich vulnerable Beschäftigte, die auf eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall finanziell dringend angewiesen sind, krank zur Arbeit schleppen.

Denn: Derjenige könnte Kollegen anstecken oder womöglich selbst nicht konzentriert arbeiten. "Auch mittel- und langfristig führt das Verschleppen von Krankheiten häufig zu einer Verschlimmerung, Verlängerung oder gar zur Chronifizierung der Probleme und zu späteren längerfristigen Krankheitsausfällen", so Schröder.

"Seit dem Ende der Corona-Pandemie ist die Zahl der Beschäftigten, die krank arbeiten, wieder auf einem hohen Niveau", erklärt Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds. In einer DGB-Befragung (externer Link) von 2024 gaben 63 Prozent der Teilnehmer an, auch dann gearbeitet zu haben, wenn sie sich 'richtig krank gefühlt' hätten.

"Arbeitgeber haben das Recht, früh Klarheit zu erfahren", heißt es von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zum Thema AUB. Planbarkeit trotz krankheitsbedingter Ausfälle ist für viele Unternehmen entscheidend.

Langzeiterkrankungen ein Problem

User "Hans66" fragte in den Kommentaren zudem, ob eher die Kurzzeit- oder Langzeiterkrankungen ins Gewicht fielen, wenn es um die anfallenden Krankheitstage geht.

Entscheidend sind laut AOK-Fehlzeitenreport Fälle mit länger dauernder Arbeitsunfähigkeit. "Die Zahl dieser Erkrankungsfälle ist zwar relativ gering, aber für eine große Zahl von Ausfalltagen verantwortlich." Kurzzeiterkrankungen wirkten sich zwar oft störend auf den Betriebsablauf aus, spielten aber für den Krankenstand nur eine untergeordnete Rolle. Aber: Da viele Arbeitgeber in den ersten Tagen keine AUB verlangen, sind die Daten zu Kurzzeiterkrankungen unvollständig.

Dieser Artikel ist erstmals am 10. Februar 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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