Den Sternen näherkommen, das Universum wenigstens ein Stück weit begreifen, einen Blick in ferne Galaxien werfen – heute ist das dank ausgeklügelter digitaler Technik fast schon selbstverständlich geworden. Seit seiner Erfindung vor einhundert Jahren sind schätzungsweise eine Milliarde Menschen weltweit schon einmal in einem Planetarium gewesen und haben dort die Himmelskörper bestaunt. Doch Anfang des 20. Jahrhunderts war die Idee, mittels eines Projektors einen künstlichen Sternenhimmel zu erzeugen, absolut revolutionär. Das Ziel: einer möglichst breiten Öffentlichkeit den Aufbau und die Dynamik des Sternenhimmels und des Planetensystems zu erklären.
Vorstufe des Planetariums: Eine Blechkugel mit Löchern
Rückblick: Als Oskar von Miller 1905 den Bau des Deutschen Museums plant, wünscht er sich für die Astronomie-Abteilung zwei Planetarien. Sie sollen dem Publikum die Entwicklung der Weltbilder anschaulich erklären. Beim kopernikanischen Modell soll der Museumsbesucher auf einem sogenannten "Erdwagen" um die zentrale Sonne fahren und auf die Umlaufebene der Planeten blicken. Beim Ptolemäischen soll über der Schatten-Silhouette Münchens ein künstlich erzeugter Sternenhimmel erstrahlen.
Wie diese Vorstellungen technisch umgesetzt werden können, ist erst einmal nicht klar. Oskar von Miller versucht vergeblich, Uhrmacher oder mechanische Werkstätten als Auftragnehmer für sein Vorhaben zu gewinnen; schließlich wendet er sich an die Firma Carl Zeiss in Jena. Das Ptolemäische Planetarium, das die Fixsterne und das Sonnensystem erklären sollte, stellt von Miller sich zunächst als eine Art begehbare Blechkugel vor, mit Sternenlöchern, die von außen beleuchtet werden. Dieser Entwurf erweist sich jedoch als wenig praktikabel.
1914 kommen dann Ingenieure der Firma Zeiss auf die Idee, einen Projektor zu bauen, der in der Lage ist, im Zeitraffer die Bewegung der Sterne am Nachthimmel nachzubilden.
Erster Weltkrieg zögert Entwicklung hinaus
Bis zur ersten Vorführung vor dem Museumsausschuss am 21. Oktober 1923 sollen jedoch weitere knapp zehn Jahre vergehen. Dazwischen liegen der Erste Weltkrieg, eine turbulente Zeit und eine langwierige technische Entwicklung. Das Ergebnis ist ein komplexes, stachelig aussehendes Gerät, mit einem integrierten Motor und einer Zahnradmechanik: Der Planetariums-Projektor Zeiss Modell I. (wie zu sehen oben im Bild).
Zwei Jahre später ist es dann so weit: Das Deutsche Museum wird eröffnet und mit ihm das Planetarium, das in seiner Wirkung Oskar von Millers kühnste Träume übertrifft: Gespeist von 500 Watt Glühlampen erzeugen 31 Sternfeld-Projektoren einen Sternenhimmel mit 4.500 Fixsternen. Jeder der fünf mit bloßem Auge sichtbaren Planeten sowie die Sonne und der Mond werden von separat bewegten Projektoren an den Planetariums-Himmel geworfen.
Zusätzlich gibt es Projektoren für die Milchstraße und für Sternbildnamen. Bewegt werden die Sterne astronomisch korrekt von einer sorgsam eingestellten Zahnradmechanik. Die Himmelsprojektion ist auf die geographische Breite Münchens von 48 Grad begrenzt.
Zeiss-Projektor: Siegeszug um die Welt
Die Vorführungen des Nachthimmels im Deutschen Museum 1925 sind ein enormer Publikumserfolg. Und die neue Projektor-Technik der Firma Zeiss setzt zu einem Siegeszug von Deutschland über den ganzen Globus an.
Heute gibt es um die 4.000 Planetarien auf der ganzen Welt. Die Sternenprojektoren wurden vielerorts durch Beamer ersetzt. Aufwendig produzierte "Fulldome"-Shows mit ausgeklügelten Licht- und Soundeffekten, spektakulären Teleskop-Aufnahmen und animierten Filmsequenzen versetzen das Publikum in Staunen. "Auch heutzutage gehen jedes Jahr noch immer rund 100 Millionen Menschen in ein Planetarium", schwärmt Christian Sicka, Astronomie-Kurator im Deutschen Museum. "Trotz Internet und Virtual Reality bleibt das Erlebnis unter der Kuppel einfach etwas ganz Besonderes."
Die Sonderausstellung "100 Jahre Planetarium" im Deutschen Museum ist noch bis zum 28. Januar 2024 zu sehen.
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