Adipositas – extreme Fettleibigkeit - ist eine chronische Erkrankung. Wenn Kinder darunter leiden, haben sie schon in frühen Jahren ein erhöhtes Risiko, Lebererkrankungen zu bekommen oder an Herz-Kreislauf-Leiden zu erkranken. "Dazu kommen noch viele andere Beschwerden", sagt der Gesundheitswissenschaftler Gabriel Torbahn von der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter. "Das kann zum Beispiel Mobbing sein. Das ist psychisch für Kinder stark belastend. Und sie können Erkrankungen wie Diabetes oder zum Beispiel Knieschmerzen bekommen."
Abnehm-Medikament kann Hungergefühl hemmen
Klar ist: Kinder mit starkem Übergewicht oder mit Adipositas müssen abnehmen. Therapien zielen darauf, das Verhalten, die Ernährung und den Lebensstil zu ändern. Kinder und Eltern bekommen zum Beispiel Ernährungsberatungen, um Kalorien zu reduzieren.
Zusätzlich können Kinder ab zwölf Jahren und Erwachsene das Abnehm-Medikament Liraglutid einnehmen. Medikamente aus dieser Wirkstoffgruppe hemmen u.a. das Hungergefühl, indem sie auf entsprechende Hirnzentren wirken. Das kann Patienten dabei helfen, empfohlene Ernährungsänderungen besser im Alltag umzusetzen. Mit der Folge, dass sie deutlich an Gewicht verlieren.
Liraglutid verringert den BMI bei jüngeren Kindern mit Adipositas
Jetzt gibt es die Hoffnung, dass dieses Medikament auch schon für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren verschrieben werden darf.
Denn eine Studie hat gezeigt, dass das Medikament in der sehr jungen Altersgruppe gut wirkt. 82 stark übergewichtige Kinder unter zwölf Jahren erhielten über ein Jahr lang täglich eine Spritze. 56 von ihnen wurde Liraglutid gespritzt, den übrigen 26 ein Placebo. Keiner der Beteiligten wusste, wer den Wirkstoff erhielt und wer nicht. Zusätzlich bekamen alle Kinder gemeinsam mit ihren Eltern eine Lebensstilberatung.
Das Ergebnis: Der Body-Maß-Index der Kinder in der Placebo-Gruppe nahm insgesamt um 1,6 Prozent zu, bei der Liraglutid-Gruppe verringerte sich der BMI dagegen um 5,8 Prozent. Der Kinder- und Jugendmediziner Martin Wabitsch von der Uniklinik Ulm meint dazu: "Eine Therapie mit Liraglutid in Kombination mit einer Lebensstil-Beratung führt zu einer klinisch relevanten Gewichtsabnahme. Diese ist deutlich ausgeprägter als bei alleiniger Lebensstil-Beratung, unter der die Kinder weiter an Gewicht zunehmen."
Wer weniger Hunger hat, kann Ernährungsempfehlungen besser umsetzen
Medikamente wie Liraglutid hemmen u.a. das Hungergefühl, indem sie auf entsprechende Hirnzentren wirken. Auch die Magenentleerung verlangsamt sich, dadurch macht es länger satt. Diese Reduzierung des Hungergefühls kann Patienten dabei helfen, empfohlene Ernährungsänderungen besser im Alltag umzusetzen.
Aber das Mittel ist nicht für alle Kinder mit Adipositas sinnvoll. Martin Wabitsch: "Das Medikament kommt zukünftig vor allem für Kinder mit extremer Adipositas infrage. Dies ist eine kleine Patientengruppe, die eine starke biologische Anlage für Adipositas hat. Diese manifestiert sich unter anderem durch einen Defekt der zentralen Regulation von Hunger und Sättigung. Genau hier setzt Liraglutid an."
Jetzt wird darauf gewartet, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA das Mittel für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren zulässt. Wenn dies gelingen sollte, gibt es aber noch ein Problem mit der Übernahme der Kosten. Gabriel Torbahn: "Medikamente wie Liraglutid fallen unter einen Paragrafen, der die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenversicherungen ausschließt. Die Patienten müssen die Medikation auf Basis eines Privatrezeptes selber bezahlen."
Langzeitwirkungen und Risiken von Liraglutid noch nicht absehbar
Noch eine weitere Frage ist offen: Noch kann man aber nicht einschätzen, wie lang Kinder sinnvoll Liraglutid einnehmen sollen. Deshalb sollte man in den kommenden Jahren von den Teilnehmern der Studie Daten erheben. Und ein zweiter Nachteil: Wenn das Mittel abgesetzt wird, nehmen die Patienten zu. Ob das Mittel auf lange Sicht ein Hoffnungsschimmer ist, kann man zum jetzigen Zeitpunkt also noch nicht bewerten.
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