Forschende der Tierärztlichen Hochhochschule Hannover haben das Alongshan-Virus in Deutschland aufgespürt. In ihrer Studie weisen sie infektiöse Zecken nach. Sie fanden Antikörper in Wild- und Nutztieren. Das Alongshan-Virus (ALSV), wurde 2017 in der chinesischen Stadt Alongshan entdeckt. Nach einem Zeckenstich litten dort Infizierte unter grippeartigen Symptomen, wie Fieber und Kopfweh. Da solche Symptome nach einem Zeckenstich der bekannten viralen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ähneln, suchten chinesische Virologen nach dem Erreger und identifizierten ALSV als eine neue Form der in China verbreiteten Jingmen-Viren.
Inzwischen wurden ALS-Viren auch in Russland, Finnland, und Frankreich entdeckt. In der Schweiz zeigte eine Studie schon 2021, dass ALS-Viren häufiger in Zecken vorkommen als FSME-Viren. Das Centrum für Reisemedizin (CRM) in Düsseldorf betont, auch wenn das keine unmittelbare Gesundheitsgefahr bedeute, werde die Liste der durch Zeckenstiche übertragbaren Erreger damit immer länger.
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Alongshan-Virus wurde nicht jüngst eingeschleppt
Dass ein Virus neu entdeckt werde, bedeutet laut Zeckenexperte und Virologe Dr. Gerhard Dobler vom Mikrobiologischen Bundeswehrinstitut in München nicht automatisch, dass es sich neu entwickelt habe oder eingeschleppt worden sei. Stattdessen handle es sich bei dem neuen ALSV-Fund wohl um eine ungefährliche Virusform, die vermutlich schon seit Langem in einheimischen Zeckenarten wie dem Holzbock verbreitet sei, nach der aber noch nicht gezielt gesucht wurde.
Zecken können eine Vielzahl an Viren und Bakterien übertragen, neben FSME auch die bakterielle Borreliose. Dobler betont, weitere Studien zum ALSV seien nötig, denn bisher existieren noch keine sicheren diagnostischen Tests auf den gefundenen Erreger oder die entsprechenden Antikörper. "Unerklärliche" Erkrankungen durch Zeckenstiche, die auf das neu gefundene Virus zurückgehen könnten, habe es in Deutschland aber bislang nicht gegeben, die Gefahr hierzulande durch ALSV zu erkranken, sei gering.
Infizierte Zecken werden weltweit untersucht
Seit 2017 werde gezielt nach ALS-Viren gesucht, erklärt der Münchner Bundeswehr-Virologe Dobler. Eine kleine Zahl veränderter Erbbausteine habe aber große Auswirkungen darauf, wie gefährlich ein Zecken-Virus ist, so der Experte. Das ALS-Virus in Europa hat veränderte Erbbausteine im Vergleich zur chinesischen Form. Das neu in Deutschland nachgewiesene ALSV kann anders als die chinesische Virusform noch nicht in einer Zellkultur gezüchtet werden. Für Dobler ist das ein wichtiger Hinweis darauf, dass diese ALS-Variante keine neue Gesundheitsgefahr für Menschen darstellt.
Dobler kennt bereits Zeckenviren, die in verschiedenen Erdteilen auftreten, aber deren Varianten unterschiedlich gefährlich sind. So hat er ein Virus nachgewiesen, dessen Form hierzulande harmlos ist, aber deren sibirische Variante ein tödlich verlaufendes hämorrhagisches Fieber auslöst.
ALSV ist kein neues FSME-Virus
Auch Prof. Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim spricht von einer geringen Gefahr. Bislang sei nicht bekannt, dass durch ALSV schwere Erkrankungen hervorgerufen werden. Die Parasitologin betont, es gebe zwar keine Impfung gegen Alongshan-Viren, aber die Erfahrungen in China seien wenig alarmierend. Infektionen durch ALSV führten dort zu milden Grippe-Symptomen ohne schwerwiegende Krankheitsverläufe.
Dagegen ist eine Infektion mit dem FSME-Virus lebensgefährlich. Diese Gefahr durch Zecken werde unterschätzt, die Impfung sei sinnvoll, betont die Expertin. Allein in Bayern gibt es jährlich etwa 100 Fälle von Frühsommer-Meningoenzephalitis, Betroffenen drohen durch die Hirnhautentzündung Behinderungen und ein tödlicher Krankheitsverlauf.
USA: Zeckenstiche führen zu steigenden Fällen von Fleischallergie
Ende Juli haben die US-amerikanischen Gesundheitsbehörden Centers for Disease Control and Prevention (CDC) auf eine steigende Fallzahl von Fleischallergien nach einem Zeckenstich hingewiesen. 30 Prozent der bei Allergologen getesteten Patienten hatten aufgrund eines Zeckenstichs das sogenannte Alpha-Gal-Syndrom entwickelt, eine Unverträglichkeit gegen Fleisch und Milchprodukte. Rund 100.000 Menschen könnten demnach betroffen sein, vor allem in Bundesstaaten, in denen Zecken weit verbreitet sind.
Alpha Gal ist ein Zuckermolekül, das im Fleisch vieler Säugetiere wie Schweinen oder Kühen vorkommt. Das menschliche Immunsystem erkennt Alpha Gal als Fremdkörper, wenn Bestandteile davon bei einem Zeckenstich übertragen werden, denn Menschen produzieren diesen Zucker nicht. Prof. Ute Mackenstedt betont, Alpha Gal werde übertragen, wenn Zecken zuvor tierische Wirte gestochen haben, Zecken könnten auch selbst Alpha Gal produzieren. Doch die Expertin gibt Entwarnung: Auch in Deutschland sei das Alpha-Gal-Syndrom schon aufgetreten, allerdings nehme die Fallzahl nicht bedeutend zu. Ob Betroffene nach einem Zeckenstich eine Fleischallergie entwickeln, hängt stark von ihrer genetischen Veranlagung ab. So sind vor allem Menschen mit allergischem Asthma, Neurodermitis oder ähnlichen Erkrankungen betroffen.
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