86.300 Mal umrundete die russische Raumstation „Mir“ die Erde und gehört damit zu den wichtigsten Unternehmungen der Menschen im Weltall. Eigentlich wollte die Sowjetunion mit ihr beweisen, dass sie im All den US-Amerikanern überlegen ist. 15 Jahre nach ihrem Start war sie ein Beispiel für gelungene internationale Zusammenarbeit.
Mit dem Skylab der NASA seit 1973 und den kleinen Saljut-Stationen von Roskosmos waren erste Versuche einer dauerhaften Präsenz im All schon gelungen. Der DDR-Kosmonaut Sigmund Jähn beispielsweise verbrachte eine Woche im Jahr 1978 auf der Saljut-6. 1986 dann startet das Prestigeprojekt der Russen: die Mir.
- Bilder der ersten Langzeitaufenthalte im All, der Mir und ihrer Nachfolgerin ISS
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Technische Meisterleistung im Weltall
Sie war die erste Station, die nicht auf der Erde zusammengebaut wurde, sondern Modul für Modul in ihrer Umlaufbahn um die Erde. Am Ende bestand die Mir aus sieben Modulen und wog insgesamt 120 Tonnen. Ursprünglich sollte sie nur sechs Jahre lang betrieben werden, es wurden aber 15. Zunächst war die Station, deren Namen übersetzt „Frieden“ oder „Welt“ bedeutet, für den Westen nicht zugänglich, ab 1991 änderte sich das langsam, ab 1995 durften sogar die US-Amerikaner mit an Bord. Der deutsche ESA-Astronaut Thomas Reiter verbrachte ab 1995 fast ein halbes Jahr auf der Mir, damals Rekord für einen Europäer.
„Damals war man am Ziel seiner Träume, an Bord einer Raumstation, und das war eben die Umgebung, in der man zu leben hatte. Wenn ich überlege, welche Reparaturen wir über die Woche zu erledigen hatten, zum Teil mit Lötkolben. Die wissenschaftlichen Experimente wurden aber nicht beeinträchtigt.“ Thomas Reiter, ehem. ESA-Astronaut
Hunderte Pannen auf der Mir
Technologisch war die Mir ein wichtiger Schritt für die Raumfahrt, auch wenn nicht alles reibungslos vor sich ging. 1997 brach in der Sauerstoffanlage ein Feuer aus und im selben Jahr rammte ein Versorgungsschiff die Station und riss ein Leck in die Außenhaut. Insgesamt zählen die Verantwortlichen 1.500 Pannen in den 15 Lebensjahren.
100 Raumfahrer beherbergte die Mir über die Jahre und war ein Trainingsfeld für die heutige Internationale Raumstation ISS. Das Ende der Mir im Jahr 2000 kam nicht aus technischen Gründen, es ging schlicht das Geld aus, um sie weiter zu betreiben. Sergej Saletin und sein Kollege Alexander Kaleri waren Anfang des Jahres noch hinaufgeflogen, um während ihrer 72 Tage Aufenthalt zahlreiche Lecks abzudichten und die Mir wieder flott zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war sogar noch geplant, die Mir in eine Art „Weltraum-Hotel“ für zahlungskräftige Weltraumtouristen umzuwandeln.
Am 16. Juni 2000 schlossen Sergej Saletin und Alexander Kaleri das letzte Mal die Luken der russischen Raumstation hinter sich. Sie wussten damals nicht, dass sie die letzten Bewohner der Mir sein würden.
„Wir waren uns aber bewusst, dass die Tage der Mir gezählt waren.“ Sergej Saletin, ehem. Kosmonaut
Raumstation Mir liegt heute am Meeresgrund
Am 16. November 2000 beschloss die Regierung in Moskau, die Raumstation endgültig aufzugeben. Dafür unterzeichnete der damalige Regierungschef Michail Kasjanow den Beschluss "Über die Einstellung der Arbeit des Orbitalkomplexes Mir". Am 23. März 2001 verglühte sie kontrolliert in der Atmosphäre und ging als Trümmerhagel im Südpazifik östlich von Neuseeland nieder. Ihre Reste liegen heute am Meeresgrund.
„Der Tag, an dem mein Zuhause für ein halbes Jahr in der Atmosphäre verglühte, war ein trauriger Moment.“ Thomas Reiter, ehem. Astronaut ESA
Die Mir ist die kleine Schwester der ISS
Immerhin: Die Mir hatte gezeigt, dass es möglich ist, Menschen wochen- und monatelang ins All zu schicken und dass politische Gegner 400 Kilometer entfernt von der Erde hervorragend zusammenarbeiten können. Alles das war wichtig und bot die Grundlage für die Internationale Raumstation. Thomas Reiter hat übrigens auch auf der ISS ein halbes Jahr verbracht. Er hofft auf eine weitere Zusammenarbeit von Russland, den USA, Europa und vielleicht China, die mittlerweile an ihrer eigenen Raumstation bauen. Wenn alles gut geht, wird möglicherweise der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer auf die chinesische Station fliegen können.
„Eine solche Kooperation wird immer geprägt von der großen Politik einerseits, aber auch von den Menschen, die tagtäglich in diesem Programm arbeiten. Und auf beiden Seiten gab und gibt es Menschen, die diese Zusammenarbeit wirklich gelebt haben und leben.“ Thomas Reiter, ehem. ESA-Astronaut
Im Jahr 2024 wird auch die Nachfolgerin der Mir, die ISS, ihr Ende finden. Ihre Finanzierung läuft dann aus.
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