Die Nachrichten über die "neue" Variante B.1.640.2 aus Frankreich klingen besorgniserregend. Hunderte Menschen befänden sich demnach im Krankenhaus und würden künstlich beatmet. Laut der Berichte, die wahrscheinlich ihren Ursprung auf der Webseite thailandmedical.org haben, verbreite sie sich jetzt in Südfrankreich und sei nun auch in Großbritannien aufgetaucht. Auch andere Medien berichten mittlerweile darüber. Was ist dran an der Sorge?
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Variante ist der WHO schon bekannt
B.1.640 ist der Name der Variante und seit November 2021 ist sie bei der WHO als "Variant under monitoring" gelistet, das heißt, "unter Beobachtung". Auf der Liste der WHO gibt es 17 weitere derartige Varianten, die eine Zeitlang unter Beobachtung waren, sich aber nicht durchgesetzt haben. Zwei weitere Varianten sind immer noch unter Beobachtung. Darüber hinaus gibt es noch "Variants of interest" und die höchste Stufe "Variants of concern", darunter Delta und Omikron.
Die Berichterstattung über B.1.640.2, einen zweiten Strang von B.1.640, hat sich wahrscheinlich an einer Preprint-Veröffentlichung entzündet, also einer Studie, die noch nicht von Fachkollegen begutachtet wurde. Wissenschaftler vom Institut IHU Méditerranée Infection in Marseille berichten darin von zwölf Menschen aus dem Südosten von Frankreich, die sich im November 2021 mit B.1.640.2 angesteckt haben. Einer davon war kurz vorher aus Kamerun zurückgekehrt.
Der Preprint-Artikel wurde Ende Dezember veröffentlicht. Das heißt aber nicht, dass die Variante neu ist. Es gibt bereits Berichte von Sequenzierungen dieser Variante aus dem Oktober in Paris.
Variante im Herbst bei einigen Fällen in Frankreich nachgewiesen
B.1.640 wurde im Herbst bei acht Fällen in der Bretagne nachgewiesen, später auch in Südfrankreich. Der erste offizielle Fall stammt laut WHO aus dem Kongo vom September 2021. Die Autorinnen und Autoren des Preprint-Papers haben die Veränderungen am Spike-Protein in der Variante untersucht. Gefunden haben sie 14 ausgetauschte Aminosäuren (als Folge von Mutationen) und 9 Deletionen (Auslöschungen). Wissenschaftler haben derartige Veränderungen im Blick, denn sie könnten dazu führen, dass die Impfstoffe weniger gut wirksam sind oder sogar ihre Wirkung ganz verlieren. Die Omikron-Variante zum Vergleich hat im Spike-Protein rund 30 Mutationen.
Mutationen machen eine Variante des Coronavirus aber nicht automatisch ansteckender oder gefährlicher, selbst wenn sie sich an einer zentralen Stelle wie dem Spike-Protein befinden. Es gibt zudem auch Varianten wie Lambda (C.37), die sich in Südamerika ausbreitete, aber keine weltweite Verbreitung fand wie Delta oder Omikron.
Variante hat sich nicht durchgesetzt
Es stellt sich die Frage, ob die Omikron-Variante, die besonders ansteckend ist, in den vergangenen Wochen verhindert hat, dass sich B.1.640 überhaupt nennenswert ausbreiten konnte. Der GISAID-Coronavirus-Tracker zum Beispiel zeigt, das die B.1.640-Variante schon in Afrika seit Mitte November stark zurück gegangen ist, und auch in Europa steigt sie nicht mehr an. Im Gegensatz dazu zeigt die Kurve von Omikron weltweit seit Mitte November steil nach oben, ein Abschwächen der Omikron-Welle deutet sich bisher nicht an.
"Diese Variante macht mich derzeit überhaupt nicht nervös." Prof. Roman Wölfel, Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, im BR-Interview
Fazit: Die B.1.640-Variante ist "unter Beobachtung" bei der WHO, und das schon seit November 2021. Sie scheint von der Ansteckungsgeschwindigkeit der Omikron-Variante völlig überholt worden zu sein und ist weltweit kaum noch nachzuweisen. Jetzt taucht sie in den Sozialen Medien und den Nachrichten auf, weil ein Preprint-Paper zur Untervariante B.1.640.2 veröffentlicht wurde, das aber den Stand vom Herbst 2021 abbildet.
Die Berichte von "hunderten" beatmeten Patienten finden sich darüber hinaus nur auf der Webseite thailandmedical.org, die für ihre sensationsheischende Berichterstattung bekannt ist.
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