Cape Canaveral: Die NASA-Mondrakete verlässt das Montagezentrum in Richtung Startrampe Pad 39B im Kennedy Space Center.
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Cape Canaveral: Die NASA-Mondrakete verlässt das Montagezentrum in Richtung Startrampe Pad 39B im Kennedy Space Center.

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Artemis-Programm der US-Raumfahrt: Aufbruch zum Mond

Artemis-Programm der US-Raumfahrt: Aufbruch zum Mond

Mit einem neuen Raumfahrtprogramm will die NASA zurück auf den Mond. Die Mission trägt den Namen Artemis. Für das Programm wurde eine neue Trägerrakete entwickelt – die stärkste und größte in der Geschichte der NASA.

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Die Raumkapsel Orion, eine Neuentwicklung der US-Raumfahrtbehörde, steht fast etwas versteckt in einer Halle im Johnson Space Center in Houston, Texas. Orion ist einer der Stützpfeiler für das nächste Kapitel der Raumfahrtgeschichte. Wer sich durch die kleine Einstiegsluke quetscht, muss fast auf den Knien zu einem der vier Sitze kriechen. Die Sitze sind mit der Rückenfläche am Boden befestigt. Die Beine im 90 Grad Winkel an Stützen angelegt. Die Arme liegen parallel zum Oberkörper, gerade so, dass sie die Steuerelemente erreichen.

Testflug zum Mond

Der Blick nach oben. Wenige Zentimeter von der Nasenspitze entfernt: Bildschirme und unzählige Schalter, Knöpfe und Hebel. Ein Albtraum für jeden mit nur einem Hauch von Klaustrophobie. Artemis I soll der große nächste Schritt in der Geschichte der Raumfahrt werden. Ein Testflug zum Mond. Aber ohne Astronautinnen und Astronauten. Und ohne Mondlandung. Denn alles an Artemis I ist neu. Die Trägerrakete Space Launch System, kurz SLS und die Raumkapsel Orion wurden über ein Jahrzehnt lang entwickelt. Daher wird die enge Raumkapsel auch erstmal nur mit Messgeräten beladen sein.

Neue Rakete und neue Kapsel bedeuten für die NASA: unbekanntes Terrain. Zwar wissen die Forscher natürlich von Modellen und Simulationen, was ungefähr passieren wird. Aber in der Realität sieht vieles oft anders aus. Und manches lässt sich auch einfach nicht vollends vorab testen. Ungünstigerweise eines der wichtigsten Teile der gesamten Mission: Das Hitzeschild der Orion-Kapsel.

2.760 Grad Celsius bei 40.000 km/h

Mit 32-facher Schallgeschwindigkeit wird Orion auf die Erdatmosphäre treffen, erklärte NASA-Chef Bill Nelson auf einer Pressekonferenz Anfang August. Das sind fast 40.000 Kilometer pro Stunde. Trifft die Kapsel-Unterseite auf die Atmosphäre, entsteht Reibung. Reibung bedeutet Energie. Und das heißt: Der Kapselboden außen wird unfassbar heiß. Um genau zu sein: 2.760 Grad Celsius. Sagen die Berechnungen.

Teile des Hitzeschildes wurden im Ames Research Center in Kalifornien getestet. Das ganze Schild aber nicht. Dafür sei die Testkammer zu klein, heißt es. Deshalb musste von einem Modell ausgehend alles hochgerechnet werden. Raum für Verbesserungen gäbe es aber immer, sagen US-Raumfahrtexperten. Artemis I sei schließlich genau dafür da. Raum für Fehler gibt es aber keine. Versagt das Hitzeschild der Orion, bleibt von der neu entwickelten Kapsel nur Milliarden Dollar teurer Weltraumschrott irgendwo am Boden des Pazifischen Ozeans.

Chef-Planerin: "Raumkapsel von der Erde bringen"

Die Halle, in der die Orion-Kapsel steht, ist riesig. Mehrere Fußballfelder lang und breit. Neben Orion stehen dort weitere Raumkapseln, Teile von Satelliten und Raumstationsmodule. Ein Simulator Modell des Space-Shuttle-Cockpits. Disneyland für Raumfahrt-Fans. Vom Medienrummel rund um die Kapsel ignoriert, steht an der Seite eine freundlich lächelnde Frau. Kurze Haare, grau gefärbt, spitz nach vorne gestylt. Hinter ihr eine Karte. Darauf: links die Erde, rechts der Mond. Dazwischen viele Linien und Bilder von Raketen und Raumkapseln.

Die Frau, die alle Kamerateams links liegen lassen, weil ihr Ausstellungsstück "nur" eine Karte ist, stellt sich als eine zentrale Schlüsselfigur von Artemis heraus. Nujoud Meranci ist die Chef-Planerin von Weltraumflügen bei der NASA. Ihr Team hat den gesamten Ablauf des Artemis I Fluges präzise durchgeplant.

Die Mission selbst, sagt Nujoud Meranci, müsse erst mal entwickelt werden. Alles müsse im Vorfeld so geplant sein, dass jeder einzelne Schritt zusammenpasse und die Missionsziele am Ende auch erfüllt werden können. Ziel Nummer eins lautet: Artemis I erfolgreich von der Startrampe bringen.

"Es fängt alles mit dem Start der Rakete an. Dieser sehr kritischen Flugphase. Denkt man darüber nach, dann ist diese Rakete einfach nur dafür da, die Raumkapsel von der Erde wegzubringen", sagt Meranci. "Sie bringt sie in den niedrigen Erdorbit und von da fliegt die Kapsel selbst zum Mond."

Sechs Tage auf dem Weg zum Mond

SLS – Space Launch System – so heißt die neu entwickelte Rakete. 98 Meter hoch. Voll betankt 2.603 Tonnen schwer. Mit vier Raketenantrieben und zwei Booster-Raketen – ähnlich wie die, die auch dem Spaceshuttle beim Start halfen – schafft sie es, gut 95 Tonnen Fracht in die untere Erdumlaufbahn zu bringen.

Auf ihrer Spitze die Raumkapsel Orion. Die wird sich, im unteren Erdorbit angekommen, knapp acht Minuten nach dem Start mit ihrem eigenen Antrieb auf den Weg zum Mond machen, erklärt Chef-Planerin Meranci. "Danach ist Orion auf dem Weg zum Mond. Das wird etwa sechs Tage dauern. Dann fliegt sie ganz nah an den Mond heran und fliegt danach mehrmals um ihn herum."

Der Weltraum als Politikum

In einer Ellipse wird Orion um den Mond fliegen. Während dieser Zeit benötigt Orion Energie. Dafür ist ein Modul der europäischen Raumfahrtbehörde ESA zuständig. Es ist an der Kapsel befestigt und sorgt mit ausklappbaren Solarpanelen für Strom. Und für Sauerstoff und Wasser – wenn denn mal Menschen mit an Bord an sein werden. Ungefähr vier Wochen lang wird die Kapsel den Mond umrunden und danach die Heimreise antreten. Allerdings muss Orion dafür erst mal wieder auf den richtigen Kurs kommen.

"Wenn die Kapsel den Orbit verlässt, zünden wir den Antrieb und Orion fliegt erst Richtung Mond", erklärt Chef-Planerin Meranci. "Knapp vorbei am Mond nutzen wir dann dessen Anziehungskraft, um die Kapsel in Richtung Erde zu beschleunigen.

Beginn des Programms unter Obama

Wie der Hammer eines Hammerwerfers wird Orion dann in Richtung Erde katapultiert. All das wurde bisher nur in Simulationen und an Computermodellen berechnet. Ob es klappt, wissen alle NASA-Mitarbeiter erst, wenn der 42-tägige Artemis I Testflug zu Ende ist.

Seit Jahren wirbt die NASA für die Artemis-Mission. Seinen Anfang nahm das Programm noch unter Präsident Obama im Jahr 2010. Der damalige verabschiedete NASA Authorization Act sicherte der NASA ein Budget von 58 Milliarden Dollar für die nächsten drei Jahre zu. Präsident Donald Trump hielt das Programm die folgenden Jahre aufrecht, wie auch Präsident Joe Biden. Schließlich ist auch der Weltraum ein Politikum.

Extrem teuer und extrem ehrgeizig

Insgesamt wird die NASA nach eigenen Schätzungen bis 2025 93 Milliarden Dollar für das Artemis Programm ausgegeben haben. Ein Start einer Artemis-Mission kostet laut NASA rund 4,1 Milliarden US-Dollar. Astronomische Kosten im neu entbrannten Rennen um den Mond und alles, was dahinter liegt. Es zeigt, welche Anstrengungen die NASA und die US-Regierung unternehmen, um sich im Weltraum unabhängiger machen zu können von Russland. Und dem nächsten Big Player, der sich im All ausbreitet, die Stirn zu bieten: China.

Artemis soll der Beginn eines neuen Kapitels in der Geschichte der Menschheit sein. Scheitern, sagen NASA-Mitarbeiter in Houston, sei keine Option. Geht der Testflug katastrophal schief, steht die US-Raumfahrtbehörde vor einem Scherbenhaufen, der Milliarden an Steuergeldern verschlungen hat. Der mit jedem Entwicklungsschritt teurer und teurer wurde. Ob sich die USA einen zweiten Versuch kosten lassen, ist in der aktuellen politischen Lage fraglich. Dementsprechend hoch ist auch der Druck für The Next Generation in Space – Mission Artemis.

NASA-Mondmission: Fragen an Astronaut Ulrich Walter
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