Als Ministerpräsident Markus Söder 2018 das Raumfahrtprogramm "Bavaria One" vorgestellt hat, wurde das Projekt außerhalb der Branche belächelt. Es klang für viele absurd – Raketen, aus Bayern? Doch, so absurd ist es nicht, sondern ein Milliardengeschäft – gleich mehrere Unternehmen gibt es im Freistaat in dieser Branche. Satelliten und Raketenantriebe werden hier zum Beispiel gefertigt. Und Bayern will als Raumfahrt-Standort noch wichtiger werden – deshalb fand heute auch ein Bayerischer Raumfahrtgipfel statt.
In seiner Rede in Oberpfaffenhofen erinnerte Söder dann auch an seine Aussagen im Jahr 2018: "Als ich vor einigen Jahren die Idee von 'Bavaria One' auf den Weg gebracht habe. Was gab es da für Gelächter! Ach nein, der Söder will zum Mond und was weiß ich." Jetzt sei er sich aber sicher, dass die meisten verstanden hätten, wie wichtig der Raumfahrtbereich für die bayerische Industrie sei. Als "deutsches Houston" betitelte Söder heute den Ortsteil Oberpfaffenhofen, den Sitz des Deutschen Raumfahrtkontrollzentrums: Von hier aus werden Satelliten gesteuert.
Alexander Gerst: Bayern ist im Weltraum angekommen
Ebenfalls zu Gast auf dem Bayerischen Raumfahrtgipfel war der Astronaut Alexander Gerst. Auch er empfindet Bayern als einen wichtigen internationalen Player und berichtet von seinen Erfahrungen: So sei das Wort "Munich" – München – eines der häufigsten Worte, die im Weltraum gesprochen werden. "Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Das zeigt, wie Bayern, Deutschland und Europa im Weltraum angekommen sind und wie wichtig es ist, dass wir dabei sind."
Im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk zeigte sich Gerst beeindruckt vom dichten Netz von Raumfahrtfirmen und einem neuen Raumfahrtcampus an der TU-München: "Man muss wirklich sagen: Kompliment, gut aufgestellt bei Ihnen." Wichtige Komponenten des Raumschiffs Orion, das in drei Wochen einen Testflug absolvieren soll, kämen aus Bayern: "Das Datennetzwerk innen drin, das Nervensystem, ist quasi hier entwickelt", so der deutsche Astronaut.
Viel Forschung und über 550 Unternehmen gibt es im Freistaat, die essenziel für die Raumfahrt sind. Darunter Weltmarktführer, kleine und mittlere Familienunternehmen. Dass Bayern noch präsenter in der Raumfahrt wird, dafür will Markus Söder in Zukunft sorgen. Neben Investitionen in die Weltraumforschung gibt der Ministerpräsident als Ziel aus, dass bei künftigen Mond-Missionen ein Kontrollzentrum dafür in Oberpfaffenhofen bei München sitzt. Außerdem kündigte Söder an, dass der Freistaat 50 Millionen Euro zusätzlich in die Entwicklung von modernen Satelliten investieren will.
Bayern ist aber nicht das einzige ambitionierte Bundesland, das ein eigenes Raumfahrtprogramm hat: Auch Bremen und Baden-Württemberg haben eines. In Bremen werden beispielsweise Raketen zusammengebaut, aus Bayern kommen einige Einzelteile dazu.
China - größter Konkurrent für Europa in Sachen Raumfahrt
Doch die große Konkurrenz sitzt woanders, sagt der Generaldirektor der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, Josef Aschbacher: "China macht enorme Sprünge in Richtung Weltraum. Wir sehen die Raumstation, die aufgebaut wird und die Missionen zum Mond und Mars." Laut dem ESA-Generaldirektor investiert China massiv in den Weltraum. Europa sei derzeit nicht auf dem gleichen Niveau und müsse deshalb besser werden.
Ein wichtiger Termin für die europäische Raumfahrt steht unmittelbar bevor: Im November steht die Ministerratskonferenz der ESA an. Bei dem Treffen, das nur alle drei Jahre stattfindet, wird über die anstehenden Missionen entschieden, welche Astronauten mitfliegen, und wie viel Geld welche Programme von der ESA bekommen. Bayern hofft auf möglichst viele ESA-Aufträge.
Opposition sieht Raumfahrtgipfel als "PR-Veranstaltung"
Der heutige Raumfahrtgipfel und die Raumfahrtpolitik der Staatsregierung werden von der Opposition kritisch gesehen. Franz Josef Pschierer, der seit kurzem nicht mehr CSU-Abgeordneter, sondern nach seinem Fraktionswechsel bei der FDP ist und außerdem Sprecher für Technologie und Innovation ist, sieht im heutigen Raumfahrtgipfel eine PR-Veranstaltung. Seit dem Start von Söders 'Bavaria One' sei wenig passiert, bemängelt er.
"Momentan weiß niemand in den Ministerien, wer für welchen Bereich eigentlich zuständig ist. Wie es Söder unter diesen Umständen schaffen will, Bayern so fit zu machen, um im internationalen Wettbewerb mitzuhalten, ist mir schleierhaft. Die Investitionen in den vergangenen drei Jahren waren bisher mager." Söder solle aufpassen, so Pschierer, dass es statt der Schlagzeile "Söder will zum Mond" bald nicht heißt "Söder lebt hinterm Mond".
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