Lehrerin schreibt eine Mathematikaufgabe auf eine digitale Schultafel.
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Beurteilung im Lehramt: Werden Frauen schlechter bewertet?

Beurteilung im Lehramt: Werden Frauen schlechter bewertet?

Werden Lehrerinnen gegenüber Lehrern systematisch benachteiligt? Darauf weisen aktuelle Zahlen zur regelmäßigen Beurteilung von Lehrkräften hin. Eine einfache Antwort auf die Frage, warum das so ist, gibt es nicht.

Von
Philip Artelt

Über dieses Thema berichtet: Campus Magazin am .

Alle vier Jahre wird ein Lehrer oder eine Lehrerin in Bayern beurteilt. Das ist so eine Art Zwischenzeugnis mit standardisierten Bewertungen wie "eine Leistung, die die Anforderungen besonders gut erfüllt". Die Bewertungsstufen hören sich fast alle sehr gut an, aber von ihnen hängt für Lehrkräfte sehr viel ab: Karriere, Gehalt, Aufstiegschancen. Je besser die Bewertung, desto mehr kann man an der Schule erreichen.

Bei dieser Bewertung schneiden Frauen regelmäßig schlechter ab. Zu diesem Ergebnis kommt eine Antwort des bayerischen Kultusministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen. Max Deisenhofer, Grünen-Abgeordneter und selbst Lehrer, geht dennoch nicht von einer absichtlichen Diskriminierung von Frauen im Lehrerberuf aus: "Ich glaube, dass das einfach eine direkte Folge davon ist, dass Frauen viel mehr Teilzeit arbeiten als Männer", sagt Deisenhofer. Tatsächlich werden auch Teilzeitkräfte im Allgemeinen von den Schulleitungen nicht so gut beurteilt.

Keine Theater-AG: Schlechtere Bewertung

Wer weniger arbeitet, macht vielleicht weniger Zusatzaufgaben, leitet nicht auch noch freiwillig die Theater-Arbeitsgruppe – und fällt damit vielleicht weniger positiv auf. Viele Frauen arbeiten Teilzeit, das sei der Grund für die schlechteren Beurteilungen von Lehrerinnen, vermutet Deisenhofer.

Das bayerische Kultusministerium verweist darauf, dass Lehrkräfte nicht wegen Teilzeitarbeit schlechter bewertet werden dürfen. Daran würden die Schulleitungen auch immer wieder schriftlich erinnert.

Allerdings schreibt das Ministerium auch, dass es für Teilzeitkräfte möglicherweise schwieriger sei, die Qualitätskriterien im selben Maße zu erfüllen. Aus Gründen der Gleichbehandlung müssten außerdem bei den Bewertungen für Vollzeit- wie für Teilzeitkräfte dieselben Maßstäbe angelegt werden. Das könnte zu solchen Unterschieden bei den Bewertungen führen.

Halbe Arbeit, halbe Berufserfahrung

Der Wirtschaftspsychologe Klaus Moser von der Uni Erlangen-Nürnberg hat sich mit Arbeitszeugnissen und Bewertungen in der Arbeitswelt beschäftigt. Er sieht bei der Bewertung von Teilzeitkräften ein Dilemma: "Wenn jemand zehn Jahre lang 100 Prozent arbeitet im Vergleich zu jemandem, der zu 50 Prozent arbeitet, hätte die letztere Person nur die Hälfte der Berufserfahrung", so Moser. Er könne nachvollziehen, dass sich das auf die Bewertungen auswirke.

Auch das zusätzliche Engagement – Stichwort Betreuung der Theater-AG – müsse irgendwie gewürdigt werden. Sonst wäre das demotivierend, die Lehrkräfte würden vielleicht nur noch Dienst nach Vorschrift machen.

Knackpunkt Teilzeitarbeit

Das Dilemma um die Beurteilungen ist nicht einfach zu lösen. Beim Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) beobachtet man die schlechteren Noten für Lehrerinnen schon länger. Hans Rottbauer, Experte für Dienstrecht beim BLLV, wünscht sich, dass die Landesregierung als Dienstherr der Lehrerinnen und Lehrer das Problem endlich angehe. Auch er sieht den Knackpunkt bei der Teilzeitarbeit. Es reiche nicht, dass das Ministerium einen Satz in die Bewertungsrichtlinien hineinschreibe, dass niemand aufgrund von Teilzeit schlechter bewertet werden dürfe. "Das muss in der Ausbildung der Beurteiler, also der Schulleitungen, die diese Beurteilungen erstellen, verankert werden", so Rottbauer.

Ein Bewusstsein für das Problem schaffen, wäre also nötig. Denn auch Rottbauer geht nicht davon aus, dass die Beurteilungen die Folge gewollter Diskriminierung von Frauen seien.

Unterricht zu wenig berücksichtigt

Der Grünen-Politiker Deisenhofer sieht hingegen eine Lösung darin, den Unterricht bei den Bewertungen stärker zu berücksichtigen. Es gebe in der Regel nur einen Unterrichtsbesuch von einer Dreiviertelstunde, anhand dessen die Schulleitung ableite, wie gut der Unterricht im gesamten Vierjahreszeitraum sei, sagt Deisenhofer. Dabei sei der Unterricht der eigentliche Kern der Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer. Dennoch sollten sich auch die Fleißaufgaben weiter in den Bewertungen niederschlagen, nur weniger stark als bisher.

Psychologe Moser denkt darüber nach, dieses zusätzliche Engagement anders zu belohnen – zum Beispiel durch finanzielle Boni und nicht durch bessere Bewertungen, die Auswirkungen auf die Karriere haben. Auch wünscht er sich eine Schärfung der Beurteilungen und der dahinterstehenden Kriterien hin zu mehr Objektivität und Nachvollziehbarkeit.

Auch Männer kommen manchmal schlechter weg

Es gibt noch einen Punkt in der aktuellen Auswertung, der auffällig ist: Nicht nur männliche Schulleitungen bewerten Männer im Schnitt besser, auch Frauen bewerten das eigene Geschlecht besser als das andere. Den Forscher überrascht das, aber wegdiskutieren könne man das Ergebnis auch nicht. Bei der empirischen Forschung zur Leistungsbeurteilung sei dieser Effekt nicht gefunden worden, zumindest bei Geschlechterunterschieden, so Moser. Anders sieht es bei ethnischen Unterschieden aus, da gebe es Forschungen aus den USA, dass es einen Unterschied mache, ob weiße Menschen Schwarze beurteilen oder eben andere Weiße.

Moser vermutet dahinter nicht eine Abwertung von Männern durch Frauen im Lehrerberuf, sondern ein besseres Verständnis für das eigene Geschlecht: "Jenseits dieser Sympathie und Ähnlichkeit ist es möglicherweise so, dass wenn Frauen in der Führungsposition sind, sie einen anderen Blick auf die Situation von Frauen mit kleinen Kindern haben. Ich könnte mir vorstellen, dass das als etwas eingerechnet wird, was man unbedingt und fairerweise zu berücksichtigen hat."

Einig sind sich der Psychologe, der Politiker und der Lehrervertreter darin, dass Beurteilungen grundsätzlich wichtig seien, als greifbare Kriterien dafür, wer für eine weiterführende Karriere infrage kommt.

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