Protest in Hirschaid: Rechts das Gebäude, in dem am Mittwoch die Grünen-Versammlung stattfinden sollte, davor Demonstranten und Traktoren.
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Protest in Hirschaid: Rechts das Gebäude, in dem am Mittwoch die Grünen-Versammlung stattfinden sollte, davor Demonstranten und Traktoren.

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Nach Hirschaid: Solidarität mit Grünen – aber wer hat Schuld?

Nach Hirschaid: Solidarität mit Grünen – aber wer hat Schuld?

Die Grünen müssen erneut eine Versammlung aufgrund massiver Proteste abbrechen. Alle Parteien verurteilen Gewalt und Bedrohungen. Es gibt Solidarität, aber auch gegenseitige Schuldzuweisungen. Der Innenminister will "Grenzen aufzeigen".

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Gisela Sengl redet nicht lange drumherum: "CSU und Freie Wähler - die haben ja das Ganze auch noch geschürt", sagt die Chefin der bayerischen Grünen. "Die haben eine Hetzkampagne veranstaltet gegen uns im Wahlkampf." Und es höre nicht auf, so Sengl mit Blick auf die Rede von Markus Söder (CSU) beim Politischen Aschermittwoch. Diese sei eines Ministerpräsidenten "nicht würdig" gewesen.

Sengls Ärger hat einen aktuellen Anlass: Vergangenen Mittwochabend musste eine Versammlung der Grünen in Hirschaid abgebrochen werden. Der Grund: massive Proteste, Lärm und Dutzend Traktoren vor dem Gebäude. Teilnehmer mussten die Veranstaltung unter Polizeischutz verlassen. Vergangene Woche war bereits der Politische Aschermittwoch in Biberach aus Sicherheitsgründen abgebrochen worden. Wegen einer weiteren Störaktion am Aschermittwoch in Weiden in der Oberpfalz ermittelt zudem die Kriminalpolizei.

Schulze: Aggressoren brauchen "Stoppschild von allen"

Demonstrieren und freie Meinungsäußerung gehöre zur Demokratie, sagt die Fraktionschefin der Grünen, Katharina Schulze: "Aber da, wo Gewalt oder Bedrohung mit im Spiel sind, da sind dann eindeutig Grenzen überschritten." Schulze hat Sorge, dass sich Ehrenamtliche in der Kommunalpolitik aufgrund der Aggressionen irgendwann die Frage stellen: "Soll ich mir das noch antun?"

In ihren Augen müssten Demokratinnen und Demokraten zusammenrücken: "Ich stelle mich ja auch an die Seite von einem CSU-Kollegen, wenn dessen Abgeordnetenbüro beschmiert wird." Schulze wünscht sich, dass bei den Protesten der Aggressor klar benannt wird: "Denn der Aggressor in so einem Fall sind die, die eben nicht friedlich demonstrieren, sondern die Böller zünden", so Schulze, "und die brauchen ein klares Stoppsignal von allen".

CSU-Fraktionschef: Stehen bei Gewalt zusammen, aber...

Der Fraktionschef der CSU, Klaus Holetschek, äußert sich verhalten gegenüber dem Grünen-Appell. Es gehe nicht darum, "sich an die Seite von irgendjemand zu stellen, sondern es geht darum, Politik zu machen, die die Lebenswirklichkeiten der Menschen mitnimmt." Bei Projekten der Ampel, wie beispielsweise der am Freitag beschlossenen Cannabis-Legalisierung, sei das nicht der Fall. Politiker müssten, gerade in gewissen Ämtern und Funktionen, auch einiges aushalten.

"Selbstverständlich stehen wir alle zusammen, wenn Gewalt ausgeübt wird oder Grenzen überschritten werden", so der CSU-Fraktionschef. Der Rechtsstaat sei in der Lage, an diesem Punkt zu handeln. Nichtsdestotrotz, fordert er, müsse sich die Politik der Ampel ändern, gerade mit Blick auf die Bäuerinnen und Bauer.

Aiwanger: Nicht mehr als "gesetzlich zugelassen beeinträchtigen"

Ähnlich sieht das Hubert Aiwanger, Parteichef der Freien Wähler und Wirtschaftsminister. Proteste seien Zeichen einer lebendigen Demokratie, "es muss aber alles im Rahmen bleiben und darf andere Menschen nicht mehr als gesetzlich zugelassen beeinträchtigen". Mit Blick auf Demonstrationen von Bauern und Mittelstand sei es jedoch "höchste Zeit, dass die Ampel mit den betroffenen Berufsgruppen Lösungen sucht", so Aiwanger.

FW-Fraktionschef: "Müssen uns alle auch an die Nase fassen"

Weitaus deutlicher grenzte sich FW-Fraktionschef Florian Streibl von Geschehnissen in Hirschaid ab. Dass die kommunalpolitische Grünen-Versammlung abgebrochen wurde, sei "eine ganz traurige Sache, denn sowas darf eigentlich nicht passieren", sagte Streibl. Die Stimmung in der Bevölkerung werde immer aufgeheizter. "Da müssen wir uns alle auch an die Nase fassen, dass wir hier das Ruder wieder herumreißen. Weil ansonsten ist es eine besorgniserregende Entwicklung."

Auch im Landtag gebe es einen Block der Regierungsfraktionen CSU und Freie Wähler zusammen mit den Grünen und der SPD "gegen die Rechtsradikalen", sagte Streibl, "und so gehört sich das auch".

AfD: Zorn gegen die Grünen nicht verwunderlich

"Die AfD lehnt jede Form von Rechtsbrüchen ab", teilte Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner mit. Allerdings seien nicht nur die Grünen betroffen. "Die AfD ist schon seit ihrer Gründung aggressiven Demonstrationen, Blockadeaktionen, schwersten Sachbeschädigungen wie Brandanschlägen und sogar physischen Angriffen auf Mitglieder und Mandatsträger ausgesetzt", so Ebner-Steiner.

Für die Proteste der Bauern habe ihre Partei generell großes Verständnis, schließlich würden sie besonders unter der Ampel-Politik leiden. "Es ist nicht verwunderlich, dass sich der Zorn vieler Menschen gegen die Grünen richtet." Trotzdem, so Ebner-Steiner, müsse Protest friedlich bleiben.

SPD appelliert an Innenminister Herrmann - der will "sensibilisieren"

Auf der Plattform "X" brachte der SPD-Fraktionschef Florian von Brunn "volle Solidarität" mit den bayerischen Grünen zum Ausdruck: "Solche Übergriffe gegen demokratische Parteien sind ein No-Go!" Die Polizei müsse konsequent einschreiten. "Ich bin mir sicher, der Innenminister kennt seine Verantwortung!", schrieb von Brunn.

Eben jener Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, die Einsatzführer aller Präsidien würden nun sensibilisiert, stärker darauf zu achten, dass Veranstaltungen "möglichst ungestört" stattfinden können. Die freiheitliche Gesellschaft "hat da ihre Grenzen, wo die Freiheit des Andersdenkenden beginnt". Er habe für die Anliegen der Bauern Verständnis, bei den Proteste sei aber zu sehen, "dass manche Leute es inzwischen übertreiben". Und weiter: "Wir müssen jetzt da schon auch Grenzen aufzeigen."

Stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende springt Grünen zur Seite

Nach den Geschehnissen in Hirschaid stellte sich Karin Prien, stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, an die Seite der bayerischen Grünen. "Einschüchterung von Menschen, die Versammlungen demokratischer Parteien besuchen, ist absolut inakzeptabel", schrieb Prien bei "X". Dies erinnere sie an faschistische Methoden. Das dürften "weder der Rechtsstaat noch die demokratischen Wettbewerber hinnehmen".

Landtagspräsidentin Ilse Aigner äußert sich unmissverständlich

"Inakzeptabel" - diese Vokabel gebrauchte auch CSU-Landtagspräsidentin Ilse Aigner mit Blick auf Proteste wie in Hirschaid. "Einschüchterungen durch radikale Kräfte" gehörten nicht zu einer Demokratie, so Aigner am Freitagabend bei "X". Der Rechtsstaat müsse hier "klare Kante" zeigen.

Bauernverband distanziert sich von "Radikalen" - Söder schweigt

Der Bayerische Bauernverband (BBV) distanzierte sich nach den Ereignissen von Hirschaid von Rechtsextremen, Verschwörungstheoretikern und wie es in einer Mitteilung des Verbands heißt "anderen Radikalen". Proteste müssten angemeldet und mit den Behörden und der Polizei vor Ort abgestimmt sein. "Alles andere ist inakzeptabel und wird von uns abgelehnt", so BBV-Generalsekretär Carl von Butler in einem Statement. "Gleichzeitig müssen die politisch Verantwortlichen den Frust aber ernst nehmen."

Ministerpräsident Markus Söder, bis Freitag noch auf Auslandsreise in Schweden, wollte sich auch auf mehrfache Nachfrage nicht zu den Vorkommnissen in Hirschaid äußern.

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