Das ifo-Bildungsbarometer untersucht jährlich in einer repräsentativen Umfrage mit mehreren tausend Teilnehmenden, wie das deutsche Bildungssystem in der Öffentlichkeit dasteht. Die nun in München vorgestellten neuen Studienergebnisse belegen große Skepsis und eine zunehmende Unzufriedenheit: Nur etwas mehr als ein Viertel der Befragten gibt den deutschen Schulen in diesem Jahr eine sehr gute oder gute Note – das sind etwa zehn Prozentpunkte weniger als noch 2014. Vor allem den Lehrkräftemangel sehen die Befragten als Problem. Sie beklagen überdies eine Unterfinanzierung der Schulen und ein zu träges System, in dem Veränderungen zu lange dauerten. Fast 80 Prozent sehen in der Corona-Pandemie einen Grund dafür, dass sich die Ausbildung an den Schulen verschlechtert habe.
Fehlende Grundkompetenzen bei Grundschülern
Zwar handelt es sich nur um ein Stimmungsbild der Bevölkerung und nicht um eine tatsächliche Bestandsaufnahme der Probleme im Bildungssystem – die Ergebnisse unterstreichen aber Kritikpunkte, die Bildungsexperten bereits zuvor geäußert hatten. So erfülle ein großer Teil der Viertklässler nicht einmal mehr die Mindeststandards in den Grundkompetenzen Lesen, Rechnen und Schreiben, sagt Simone Fleischmann. Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands verweist dabei gegenüber dem BR unter anderem auf die Ergebnisse der IGLU-Bildungsstudie. Fleischmann sieht ein großes Problem im Lehrermangel, wie auch 77 Prozent der Befragten des ifo-Bildungsbarometers.
Ludger Wößmann, Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik, spricht von "alarmierenden" Befunden: "Wir müssen dringend die Probleme der Schulen lösen, und die [in der ifo-Studie befragten] Deutschen sind auch bereit dazu."
Positiver Trend beim Blick auf die Digitalisierung
Zustimmung zu möglichen Veränderungen und Reformen zeigen die Studienteilnehmer unter anderem bei der Frage, wie Schulen künftig bewertet werden. So sprechen sich zwei Drittel dafür aus, die Qualität von weiterführenden Schulen auch an der Zufriedenheit der Schülerinnen und Schüler zu messen. Die Digitalisierung wird positiver gesehen als noch vor ein paar Jahren. Und: Fast 85 Prozent wünschen sich, dass Schulkantinen besser finanziert werden, damit sie gesünderes Essen zu günstigen Preisen anbieten können.
Schulnoten sollen auf Wunsch der meisten Erwachsenen bleiben
Wenig Begeisterung zeigen die Befragten für eine Abschaffung von Schulnoten – ein Vorschlag, den Bildungsexperten immer wieder diskutieren. 73 Prozent sprechen sich im ifo-Bildungsbarometer dagegen aus. 78 Prozent sind dafür, dass Schülerinnen und Schülern bei entsprechend schlechten Leistungen die Jahrgangsstufe wiederholen sollten – anstatt zusammen mit ihrem Klassenverband vorzurücken.
Lehrerverbandspräsidentin Fleischmann wünscht sich bei diesen Fragen einen differenzierteren Blick: "Es geht nicht um Schule ohne Noten oder mit Noten. Es geht darum, wie wir Leistung rückmelden. Alle Kinder wollen Noten, weil sie keine Alternativen kennen. Aber wir müssten individuelle Lernfeedbacks geben können." Fleischmann spricht sich außerdem dafür aus, individuelle Begabungen stärker zu fördern.
Mehrheit meint, der Staat müsse mehr in Schulen investieren
Bleibt die Frage, wie Reformen, Lehrerqualifizierung und Digitalisierung bezahlt werden sollen. Auch hierauf gibt das Bildungsbarometer Hinweise: So befürworten 74 Prozent der Befragten, dass der Staat mehr für Bildung ausgeben soll. Beim Thema Verteidigung sagen das zum Vergleich nur 38 Prozent.
Das ifo-Bildungsbarometer wird seit zehn Jahren jährlich erhoben. Für die aktuelle Studie haben die Meinungsforscher rund 5.500 Menschen im Alter von 18 bis 69 Jahren befragt.
Die Ergebnisse des ifo-Bildungsbarometers im Video:
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