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Wie war und ist sie - die Lage auf den Intensivstationen?

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Corona auf Intensivstationen: Wenn Zahlen nicht alles verraten

Die Notfallgrenze der Intensivbetten wurde nicht erreicht; die Zahl der Intensivpatienten sank im Vergleich zum Vorjahr. Dennoch sind viele Intensivstationen am Limit. Ein #Faktenfuchs darüber, warum die Betrachtung von Zahlen allein nicht ausreicht.

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Es ist eine der häufigsten Fragen, die das #Faktenfuchs-Team über Zuschriften und Kommentare erreicht: Ist die Situation auf den Intensivstationen wegen Corona wirklich kritisch? Leere Krankenhausflure werden mit dem Smartphone gefilmt, als angeblichen Beweis dafür, dass die Pandemie nicht existiert. Statistiken werden aus dem Kontext gerissen, um eine Belastung der Intensivstationen zu widerlegen. Über diese und weitere Behauptungen hat der #Faktenfuchs vielfach berichtet.

Einschätzungen gehen auseinander, Datenlage ist schwierig

Aber wie war und ist sie wirklich, die Lage auf den Intensivstationen? Selbst Experten kommen zu unterschiedlichen Einschätzungen:

Am 1. April 2021 sagte der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Roland Engehausen, im Interview mit dem BR, die Intensivstationen seien nicht überfüllt. Einige Tage zuvor hingegen hatten leitende Ärzte, etwa aus München und Augsburg, deutlich ihre Sorge über die steigenden Corona-Patientenzahlen auf den Intensivstationen zum Ausdruck gebracht.

Seitdem gibt es immer mehr warnende Stimmen. Unter anderem mahnte der frühere Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Uwe Janssens, dem Fernsehsender Phoenix : "Wir haben fünf nach zwölf, ihr müsst jetzt handeln, es muss jetzt eine Strategie verfolgt werden, die bundesweit einheitlich gilt."

Dieser #Faktenfuchs untersucht verschiedene Datenquellen zur Lage auf den Intensivstationen - in der Pandemie und im Vergleich mit den Vorjahren. Er zeigt auf, warum die Zahlen allein nicht ausreichen, um die Gesamtsituation einzuordnen.

Wie hat sich die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen entwickelt?

Über das Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) müssen seit dem 16. April 2020 alle intensivbettenführenden Krankenhäuser, die für die akute Versorgung von Patienten in Deutschland registriert sind, melden, wie viele Covid-19-Patienten intensivmedizinisch betreut werden. Das sind um die 1.300 Kliniken. Davor, von Mitte März bis Mitte April 2020, hatten bereits etwa 1.000 Kliniken freiwillig Zahlen gemeldet. Entsprechend lässt sich eine Kurve darstellen, die mit etwas Zeitverzögerung ähnlich verläuft wie die Kurve der Neuinfektionen pro Tag. Steigt also die Zahl der Neuinfektionen, steigt auch die Zahl der durch Corona-Patienten belegten Intensivbetten:

Wie zu sehen ist, steigt die Zahl der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen aktuell wieder, hat aber den Höchststand von Anfang Januar noch nicht erreicht. Aber schon diese scheinbar einfache Einschätzung muss vor folgendem Hintergrund betrachtet werden:

In den ersten beiden Infektionswellen, im Frühjahr und Herbst 2020, waren die Infizierten eher aus der Altersgruppe über 80 Jahren. Laut der aktuellsten Forschung des britischen „Intensive Care National Audit and Research Center“ (ICNARC) sterben 55,8 Prozent der Covid-19-Patienten über 70 Jahren, die intensvimedizinisch behandelt werden müssen. In der Altersgruppe der 16- bis 49-Jährigen versterben 18,8 Prozent der Corona-Intensivpatienten.

Das momentane Infektionsgeschehen (Stand: April 2021) findet aber gerade in diesen jüngeren Altersgruppen statt, wie hier zu sehen ist:

Das betrachten etwa Vertreter bayerischer Krankenhäuser mit großer Sorge, wie sie am 16. April in einer Videokonferez dem bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek mitteilten. Dieser sagte anschließend in einem Statement, dass in der dritten Corona-Welle die Patienten nicht nur jünger seien, sondern auch länger auf den Intensivstationen lägen als noch in der zweiten Corona-Welle. Dass ein jüngerer Patient mehr als vier Wochen auf der Intensivstation liege, sei keine Seltenheit. Die Fälle, die nun in der dritten Welle hinzukommen, könnten das System also mehr belasten als etwa die Fälle im November.

Waren die Intensivstationen während der Pandemie am Limit?

Über das DIVI-Intensivregister wird auch die Anzahl der belegten und freien Intensivbetten gemeldet. Voraussetzung zur Meldung ist, dass ein Bett betriebsfähig ist. Pro Bettplatz müssen der Versorgungsstufe entsprechend Raum, Materialien und Geräte, aber auch Pfleger und Ärztinnen da sein, um in diesem Bett tatsächlich einen Patienten versorgen zu können. Das DIVI stellt diese Zeitreihe auf seiner Webseite mit folgender Grafik dar:

Auch in den DIVI-Daten gibt es das Phänomen des Meldeverzugs, die Qualität ist abhängig vom Meldeverhalten der Kliniken. Die Daten haben mehrere Einschnittpunkte, etwa die Einführung der Meldepflicht am 16. April 2020 und die zusätzliche Angabe der in 7 Tagen aktivierbaren Plätze für die Notfallsituation ab dem 03. August 2020. Der Knick, den die Zahl der freien Betten hier macht, erklärt sich laut DIVI wie folgt: Betten, die bislang mangels anderer Möglichkeiten als "frei" angegeben wurden, konnten nun als "inaktiv" angegeben werden, um damit die Kapazitäten für die Notfallsituation zu verdeutlichen. Diese Möglichkeit nutzten die Kliniken.

Der kritische Punkt ist das Personal – gut zu erkennen daran, dass die Zahl der als frei und betreibbar deklarierten Betten zwischen Mitte Oktober und Ende Dezember 2020 zurückging. In diesem Zeitraum kamen viele Covid-19-Patienten auf die Intensivstationen.

Die Pressesprecherin der DIVI und des DIVI-Intensivregisters, Nina Meckel, erläutert im Gespräch mit dem #Faktenfuchs: "Covid-19-Patienten, vor allem an den Beatmungsgeräten, sind sehr pflegeintensiv. Die ganz schweren Fälle müssen zum Beispiel alle 16 Stunden gewendet werden - damit sind gleich fünf Pflegerinnen und Pfleger mehr als eine Stunde beschäftigt – das ist überdurchschnittlich lange."

Hinzu kämen die umfangreichen Hygienemaßnahmen, die das Personal und andere Patienten vor einer Infektion schützen sollen. Dies bedeutet laut DIVI , dass Arbeitsaufwand und Auslastung auf den Stationen mit mehr Covid-19-Patienten steigen und dadurch die Anzahl der betreibbaren Betten stärker abnimmt. Zudem war laut DIVI das Risiko einer Covid-19-Infektion gerade für Pfleger und Ärztinnen in den Kliniken erhöht - so kam es auch zu vielen krankheitsbedingten Ausfällen.

Seit Beginn des Jahres verlief sowohl die Anzahl der belegten, als auch die Anzahl der freien Betten dann wieder auf einem nahezu konstanten Level. Am 13. und 14. April 2021 allerdings überstieg die Anzahl der als belegt gemeldeten Intensivbetten erstmals die Marke 21.000. Der niedrigste Wert an freien Betten wurde ebenfalls für den 14. April 2021 gemeldet (Datenstand: 16.04.2021). Dennoch wurde laut dieser Statistik bisher zu keinem Zeitpunkt der Bereich der Notfallreserve erreicht.

Kliniken sorgen für stabile Zahl an Intensivbetten

Aber auch dieses Bild ist nicht vollständig. Wie in den Grafiken oben zu sehen, entwickelte sich die Zahl der Covid-19-Intensivpatienten pro Tag in Deutschland parallel zu den Neuinfektionen - und schwankte dabei zwischen rund 200 Anfang September und rund 5.700 Anfang Januar. Dennoch bewegte sich die Zahl der belegten Betten konstant um rund 20.000. Wie kann das sein?

"Die Situation bleibt stabil, weil in den Krankenhäusern dafür gesorgt wird, dass sie stabil bleibt", sagt DIVI-Sprecherin Nina Meckel. So könnten bei einem Engpass weniger schwerwiegende Fälle, die normalerweise auf der Intensivstation überwacht würden, auf andere Stationen verlegt werden. Dann tauchten sie entsprechend nicht mehr als belegtes Bett im Intensivregister auf.

Den Punkt, dass Patienten durch Verlegungen aus der Intensiv-Statistik herausfallen, führt auch Ralf Kuhlen an, der Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Initiative Qualitätsmedizin (IQM) ist. Die Klinikvereinigung wertete in den vergangenen Monaten mehrmals ihre Daten auch hinsichtlich der Belegung der Intensivstationen aus (dazu unten mehr).

Kuhlen erklärt außerdem, dass in Zeiten mit einem hohen Infektionsgeschehen viele andere Behandlungen, die eine intensivmedizinische Betreuung erforderlich machen würden - langfristig planbare Operationen, aber zum Teil auch dringendere Eingriffe - verschoben würden. Das führe zwar aktuell dazu, dass die Intensivstationen in der Gesamtheit nicht zusammenbrechen, habe aber langfristige Konsequenzen für das Gesundheitssystem und die Patienten.

Die oben dargestellte, scheinbar einfache DIVI-Zeitreihe muss also in Relation zu all diesen Faktoren betrachtet werden: Die personalintensive Behandlung der Covid-19-Patienten, die Umverteilung der Betten-Kapazitäten in den Kliniken und der Aufschub anderer Behandlungen.

Lage kann sich regional sehr stark unterscheiden

Nicht weniger wichtig: Es handelt sich um zusammengefasste Zahlen. Auch wenn in Deutschland oder Bayern insgesamt freie Betten zur Verfügung stehen, kann die Lage in einzelnen Kliniken, aber auch in ganzen Regionen, trotzdem kritisch werden.

DIVI-Sprecherin Nina Meckel nennt als Beispiel die aktuelle Lage in Thüringen. Dort könnten Patienten zum Teil nicht mehr innerhalb des Bundeslandes behandelt werden, sondern müssten auf Intensivstationen in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gebracht werden. Auch in Bayern gibt es zahlreiche Beispiele von Kliniken, die im Herbst und auch aktuell wieder keine Intensivpatienten mehr aufnehmen konnten bzw. können. So etwa in Aschaffenburg und Erlenbach - dort werden bereits Patienten aus dem angrenzenden Bundesland Hessen abgelehnt.

Auch der Anteil an Covid-19-Patienten an den Intensivpatienten kann sehr unterschiedlich sein und damit die Lage beeinflussen: Während auf ganz Bayern betrachtet laut DIVI 22,5 Prozent der Intensivpatienten eine Covid-19-Diagnose haben, waren es im Landkreis Hof zuletzt mehr als die Hälfte.

Über das Intensivregister können die Kliniken auch eine Einschätzung abgeben, wie der Betrieb ihrer Intensivstation am jeweiligen Tag möglich ist: Regulär, teilweise eingeschränkt oder stark eingeschränkt. DIVI zeigt auf seiner Webseite mit folgender Grafik, wann sich wie viele Kliniken wie eingeordnet haben:

Die Lage hat sich also zeitweise durchaus verschärft, vor allem im Vergleich zum Sommer 2020. Aber auch bei dieser Statistik gibt es eine Einschränkung: 60 Prozent der Covid-19-Intensivpatienten in Deutschland werden in den 330 größten Krankenhäuser des Landes behandelt.

Das erklärte Reinhard Busse, der Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin und Co-Direktor des European Observatory on Health Systems and Policies, im März, anhand der Patientendaten des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus für das Jahr 2020 (dazu unten mehr). Laut Busse bilden diese großen Kliniken das "Rückgrat der Versorgung".

Wenn also kleine Krankenhäuser, die nur wenige Intensivbetten haben oder nicht alle Versorgungsstufen abdecken, einen regulären Betrieb melden, obwohl sie laut Busse "nur eine Handvoll" der Covid-19-Intensivpatienten behandelt haben, kann das die Wahrnehmung der Situation verzerren.

Ralf Kuhlen von der Initiative Qualitätsmedizin sagt: "In der Gesamtheit zeigen die Daten, dass die Intensivmedizin in Deutschland nicht zusammengebrochen ist." Das bedeute aber nicht, dass es nicht in vielen Fällen zu Problemen gekommen sei. Hier brauche es nach mehr als einem Jahr Pandemie bessere Lösungsansätze.

Sind die Intensivstationen durch die Pandemie stärker ausgelastet als in den vergangenen Jahren?

Die Datengrundlage für die Frage, ob die Intensivstationen in der Pandemie zahlenmäßig stärker ausgelastet waren als in den vergangenen Jahren, ist nicht gut. Ralf Kuhlen sagt dazu im Gespräch mit dem #Faktenfuchs: "Es wäre gut, wenn es klare Daten gäbe, aber ich kenne aktuell keine Quelle dafür."

Drei Datensätze hat sich der #Faktenfuchs genauer angeschaut: Zahlen des Statistischen Bundesamts, des Robert Koch-Instituts und der Initiative Qualitätsmedizin.

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht im Jahresturnus die Anzahl der vollstationär aufgenommenen Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern. Dabei wird nach dem Behandlungsanlass kategorisiert - anhand eines einheitlichen Codesystems, nach dem auch die Krankenkassen abrechnen. Über diese Codes lässt sich aber keine sichere Aussage treffen, wie viele der erkrankten Patienten auch intensivmedizinisch behandelt wurden - für jeden Behandlungsanlass gibt es unterschiedliche Verläufe.

Zumindest könnte die Zahl aller Krankenhauspatienten und ihre Zuteilung zu den Behandlungsgründen über die Jahre hinweg verglichen werden. Die WHO hat für die Erkrankungen in Zusammenhang mit Covid-19 spezielle Codes festgelegt:

  • U07.1: Coronavirus-Krankheit-2019 (mit PCR-Test nachgewiesen)
  • U07.2: Coronavirus-Krankheit-2019 (Anamnese ohne klinischen Nachweis)
  • U09.9: Post-COVID-19-Zustand
  • U10.9: Multisystemisches Entzündungssyndrom in Verbindung mit COVID-19

Die Daten des Statistischen Bundesamtes liegen jedoch für 2020 noch nicht vor.

Datenquelle Nummer zwei ist das Robert Koch-Institut. Das RKI sammelt in verschiedenen Projekten Daten zu infektiösen Atemwegserkrankungen, zu denen auch Covid-19 zählt. Auswertungen dieser sogenannten "Surveillance-Systeme" werden vom RKI regelmäßig veröffentlicht - so etwa im Wochenbericht Influenza und immer donnerstags im Corona-Situationsbericht.

Daraus ergibt sich: Die Gesamtzahl der behandelten Patienten mit infektiösen Atemwegserkrankungen lag 2020 in vielen Zeitabschnitten deutlich unter den Werten von 2019. Allerdings ist der Anteil an Covid-19-Betroffenen unter den in einem Krankenhaus behandelten Patienten mit "schweren akuten respiratorischen Infektionen" (SARI) aktuell etwa bei fast 60 Prozent. Auch aus diesen Daten lassen sich, ähnlich wie bei denen des Statistischen Bundesamtes, keine direkten Rückschlüsse auf die Belegung der Intensivstationen ziehen.

Vergleich der absoluten Zahlen ohne Kontext führt zu falschen Schlüssen

Dass die Zahl der Patienten mit schweren akuten Atemwegsinfekten gesunken ist, stellt auch die dritte Datenquelle fest: Die bereits erwähnte Initiative Qualitätsmedizin (IQM). Die Vereinigung hat rund 500 Mitgliedskliniken in Deutschland und der Schweiz. Diese übermitteln Daten nach den Kriterien von Paragraf 21 des Krankenhausentgeltgesetzes.

Der Rückgang der SARI-Patienten lässt sich laut IQM auf die Hygienemaßnahmen zurückführen: "Die Maßnahmen der Hygieneregeln (AHA) (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske; Anm. d. Red.), die Isolation und Lockdown-Phasen haben selbstverständlich nicht allein Auswirkung auf die Covid-19-Infektion, sondern verhindern alle Infektionen, die einen ähnlichen Übertragungsweg haben."

Der IQM-Datensatz beinhaltet neben den vom Statistischen Bundesamt ausgewerteten Diagnosecodes zum Beispiel auch die Codes für Behandlungsprozeduren. Aus diesen ergeben sich die sichersten Zahlen für die Intensivstationen.

Inzwischen gibt es diese Daten auch für das Jahr 2020 vollständig vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus. Die IQM hat die Daten ihrer Mitgliedskliniken jedoch zeitnaher bezogen und konnte daher bereits mehrere wissenschaftlich begleitete und einordnende Analysen bereitstellen. Die Vereinigung gibt an, dass die Zusammensetzung der Mitgliedskliniken in Deutschland repräsentativ für die Gesamtzahl der Kliniken sei.

Die Untersuchungen der IQM waren in den vergangenen Wochen immer wieder in der Diskussion, wenn es um die angeblich erfundene Belastung der Intensivstationen ging – vor allem die folgende Tabelle wurde vielfach geteilt:

Bildrechte: Quelle: Initiative Qualitätsmedizin e.V. / Grafik: BR
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Die Zahlen der IQM-Krankenhäuser aus den Jahren 2019 und 2020.

Die Darstellung stammt aus der jüngsten Auswertung der IQM. Sie zeigt die absoluten Zahlen der in den Mitgliedskliniken behandelten Patienten 2019 und 2020 - unter anderem aufgeschlüsselt nach SARI-Erkrankung und Intensivbehandlung. In der Spalte "Differenz (2020-19)" wird eine Abnahme der Patientenzahlen in 2020 gegenüber 2019 festgehalten. Diese Zahlen waren der Anlass für die Behauptung, es gebe keine große Belastung des Gesundheitssystems oder eine Pandemie von nationaler Tragweite.

Die IQM distanziert sich davon, dass die Analysen auf diese Weise genutzt werden, "falsche Behauptungen zur COVID-19-Pandemie zu untermauern und die Relevanz sowie die Auswirkungen von COVID-19 zu verharmlosen". In diesem Artikel wurden bereits einige Gründe genannt, warum die Belastung etwa der Intensivstationen nicht nur an den bloßen Zahlen festgemacht werden kann.

Der #Faktenfuchs hat die Behauptungen zu den IQM-Daten in einem eigenen Text noch genauer untersucht. Das Fazit: Die Zahlen lassen sich auch hier nicht ohne weiteres vergleichen und haben auch nicht die ihnen zugewiesene Aussagekraft. So schreibt das IQM etwa, dass die Kodierung der Intensivaufenthalte noch nicht durchgehend in allen Krankenhäusern verlässlich durchgeführt werde. Auch Behandlungsdauer- und aufwand, die, wie bereits beschrieben, durch die Pandemie stark gestiegen sind, können in den Daten nicht berücksichtigt werden: Ein Unfallpatient aus dem Jahre 2019, der drei Tage auf der Intensivstation war, habe in diesen absoluten Zahlen den gleichen numerischen Wert wie ein Covid-19-Patient, der wochenlang beatmet wird.

Fazit

Die Frage, ob Deutschlands Intensivstationen durch die Corona-Pandemie überlastet waren, lässt sich nur bedingt anhand der vorhandenen Daten beantworten. Sie muss im Zusammenhang mit anderen Faktoren betrachtet werden, wie zum Beispiel den besonderen Anforderungen an die Pflege eines Covid-19-Patienten auf einer Intensivstation.

Die Zahlen aus dem DIVI-Intensivregister zeigen, dass, deutschlandweit betrachtet, die Anzahl belegter Betten nie die Notfallreserve überschritt, dass es aber durchaus Zeitpunkte gab, an denen die Mehrzahl der Intensivstationen nur eingeschränkt oder teilweise eingeschränkt funktionierte.

Die Zahl der Intensivbetten wird insgesamt stabil gehalten: Patienten werden verlegt und andere Behandlungen werden verschoben. Aber es gibt auch dabei große Unterschiede zwischen einzelnen Kliniken, Regionen und Bundesländern.

Für den Vergleich mit den Vorjahren ist die Datengrundlage schwierig. Die Initiative Qualitätsmedizin (IQM) stellt in ihrer Auswertung einen Rückgang der absoluten Anzahl an Intensivpatienten gegenüber 2019 fest. Dabei seien aber wichtige Faktoren wie die Dauer des Intensivstation-Aufenthalts nicht berücksichtigt. Deshalb sind auch hier keine validen Aussagen darüber möglich, ob die Intensivstationen mehr oder weniger belastet waren.

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