Im Laufe der Covid-19-Pandemie hat sich das Coronavirus immer besser an den Menschen angepasst: Zunächst breitete sich der sogenannte Wildtyp aus, der später von den Varianten Alpha, Delta und Omikron abgelöst wurde. Letztere dominiert immer noch, hat sich aber mittlerweile in eine Vielzahl von Untervarianten aufgefächert.
Welche davon gerade in der Bevölkerung unterwegs sind, beobachtet das Robert Koch-Institut (RKI) zusammen mit einem Netzwerk von Diagnostiklaboren in ganz Deutschland. Die Daten basieren zwar auf einer weit geringeren Anzahl an Proben als zu den Zeiten, als massenhaft Proben sequenziert wurden. Dennoch geben sie einen Überblick zur aktuellen Lage.
Welche Corona-Varianten aktuell zirkulieren
In der Auswertung der Kalenderwoche 50 des Jahres 2023 entfielen rund 59 Prozent der Proben auf die Subvariante "JN.1" und knapp 11 Prozent auf "BA2.86.1". Beides sind Unterlinien der Variante Pirola (BA2.86), die nach einem Asteroiden und den griechischen Buchstaben Pi und Rho benannt ist. Pirola löste zunächst wegen ihrer großen Zahl an Mutationen im Spike-Protein Besorgnis aus. Möglicherweise sorgen sie dafür, dass Coronaviren der Variante Pirola hocheffizient in Lungenzellen eindringen können, so wie dies schon bei den Varianten Alpha, Delta und Gamma der Fall war. Zu diesem Ergebnis kommt eine Anfang 2024 in der Zeitschrift Cell erschienene Studie. Bei den vorher zirkulierenden Omikron-Untervarianten war dies nicht so. Allerdings kann sich Pirola anscheinend nicht so gut vermehren wie diese.
Bislang haben Pirola und ihre Nachkommen sich nicht als gefährlicher im Vergleich zu anderen Untervarianten gezeigt. Die aktualisierten Covid-19-Impfstoffe sind an die Variante "XBB1.5" angepasst, die im Frühjahr und Sommer stark verbreitet war. Die Antikörper, die nach einer Impfung damit gebildet werden, wirken aber auch sehr gut gegen die derzeit kursierenden Varianten.
Audio: Löst die Pirola-Variante neue Symptome aus?
Die übrigen Corona-Infektionen verteilen sich derzeit auf verschiedene andere Omikron-Varianten, die meisten davon mit einem Anteil von deutlich unter zehn Prozent. Der größte Teil davon sind sogenannte Rekombinanten, also Virusvarianten, die entstehen, wenn zwei Varianten genetisches Material untereinander austauschen. Dazu zählt beispielsweise auch EG.5 ("Eris").
Anders als bei den RKI-Zahlen hatte JN.1 beim Abwassermonitoring in Bayern in der Kalenderwoche 50 einen Anteil von gut 11 Prozent. BA.28.6 lag bei 50,8 Prozent. Die Untervariante EG.5 kam auf 19 Prozent, dazu noch einige Prozent für den Eris-Abkömmling "HV.1". Diese beiden waren Ende 2023 in den USA für einen großen Teil der Corona-Infektionen verantwortlich, führten aber nicht zu einem Anstieg schwerer Krankheitsverläufe. Anfang 2024 ist dort JN.1 für mehr als die Hälfte aller Corona-Infektionen verantwortlich.
Symptome: Corona wird "grippeähnlicher"
Zu Beginn der Covid-19-Pandemie verloren viele Infizierte vorübergehend den Geruchs- und Geschmackssinn. Seit die Variante Omikron und ihre Unterlinien dominieren, tritt dieses Symptom deutlich seltener auf. Häufiger waren hingegen Halsschmerzen, ein typisches Symptom auch bei anderen Atemwegserkrankungen. Husten und Schnupfen waren bei allen Varianten die häufigsten Symptome. Bei einer Umfrage des britischen Office for National Statistics meldeten in England und Schottland rund zehn Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die gerade an Covid-19 erkrankt waren, darüber hinaus Angstzustände und Schlafprobleme.
Das bedeutet aber nicht, dass diese Symptome speziell von der gerade stark verbreiteten Varinante JN.1 hervorgerufen werden, sagt der Infektiologe Christoph Spinner von der Technischen Universität München: "Es handelt sich um selbst berichtete Symptome nach einer Covid 19-Infektion. Das heißt noch lange nicht, dass es auch wirklich eine ursächliche Assoziation gibt. Aus meiner Sicht gibt es auch keinen Grund, sich mehr Sorgen zu machen, denn wir haben in den letzten Wochen und Monaten verschiedenste Omikron-Varianten gesehen und schlussendlich waren sie immer mit den gleichen Symptomen assoziiert." Das bestätigt auch der Infektiologe Bernd Salzberger vom Universitätsklinikum Regensburg: "Weder kann man von den Symptomen auf die Varianten schließen, noch kann man von der Variante auf die Symptome schließen."
Ein Laie kann nicht einmal die Symptome von Covid-19, Influenza, grippalen Infekten und RSV auseinanderhalten. "Das kann häufig auch der Arzt nicht", sagte der Generalsekretär der Deutsche Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, gegenüber BR24 am 18. Dezember 2023. Bei Virus-Atemwegserkrankungen könne man meistens nur vorbeugend etwas tun, also sich impfen lassen. Im Falle einer Infektion würden nur die Symptome behandelt. "Das, was ich dann mache, ist bei den meisten Atemwegsinfekten das Identische. Deshalb muss der Arzt auch gar nicht testen."
Der einzige Unterschied bei den Atemwegsinfekten sei, dass man bei einer echten Grippe- oder schweren Corona-Infektion einige Tage mit Fieber im Bett liegen könne, während es bei anderen Infektionen wie mit Rhinoviren oder einem leichten Covid-19-Verlauf eher nur ein Schnupfen sei. Eine Covid-19-Erkrankung ist also hinsichtlich der Symptome inzwischen "grippeähnlicher" geworden.
SARS-CoV-2 als zusätzlicher Erreger
Das Coronavirus entwickelt sich zudem mehr und mehr zu einem saisonalen Erreger. Das heißt: Er wird – wie andere Atemwegskeime auch – besonders dann übertragen, wenn es draußen kalt ist und die Menschen mehr Zeit in Innenräumen verbringen. Allerdings kommt SARS-CoV-2 noch zu den Erregern hinzu, die schon vor der Pandemie kursierten und Krankheiten verursachten.
"Wir haben definitiv einen Atemwegserreger mehr, als wir sie bis Ende 2019 hatten. Das [Coronavirus] ist hochansteckend und kommt im Moment einfach zu dem dazu, was wir bisher schon als Konzert von Atemwegserregern hatten", äußerte sich die Virologin Ulrike Protzer von der Technischen Universität München Ende November 2023 im Morgenmagazin von ARD und ZDF (Link zu externem Medieninhalt).
Ohne einen Labortest lässt sich eine Coronavirus-Infektion nicht von einer Infektion mit dem Influenzavirus, RSV oder anderen Keimen unterscheiden. Erst recht ist es nicht möglich, anhand bestimmter Symptome zu diagnostizieren, mit welcher Untervariante von Omikron ein Erkrankter sich angesteckt hat. Ob der Wandel bei den Symptomen auf veränderte Eigenschaften des Virus, eine zunehmende Immunität in der Bevölkerung oder auf beides zurückzuführen ist, ist ungewiss.
Coronavirus bleibt hochansteckend – schon vor ersten Symptomen
In den vergangenen Jahren hat sich das Coronavirus immer wieder verändert. Wie es übertragen wird, ist aber im Wesentlichen gleich geblieben. Die Inkubationszeit, also die Zeit zwischen Ansteckung und Krankheitsbeginn, beträgt drei bis vier Tage. Das Ansteckungsrisiko ist in der Zeit kurz vor und nach Beginn der ersten Symptome am größten und sinkt im Laufe der Erkrankung.
Zur Verbreitung trägt insbesondere bei, dass Menschen schon ein bis zwei Tage vor den ersten Krankheitszeichen ansteckend sein können. Außerdem können auch Menschen ohne Krankheitszeichen das Coronavirus (asymptomatisch) übertragen.
Wie lange ein Infizierter ansteckend ist, lässt sich nicht exakt bestimmen. Vermehrungsfähige Viren werden laut Untersuchungen bis zu neun Tage nach Symptombeginn ausgeschieden. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) rät, bei Symptomen einer akuten Atemwegsinfektion nach Möglichkeit drei bis fünf Tage beziehungsweise bis zur deutlichen Besserung zu Hause zu bleiben und persönliche Kontakte einzuschränken. Falls sich Begegnungen mit anderen Menschen nicht vermeiden lassen, sollte man möglichst eine Maske tragen. Diese Empfehlungen gelten selbstverständlich auch bei Infektionen mit anderen Erregern von Atemwegserkrankungen.
Guter Schutz vor schwerem Verlauf, aber keine völlige Immunität
Nach einer vollständigen Covid-19-Impfung und/oder einer Infektion entwickelt das Immunsystem einen Schutz gegen das Coronavirus. Einen vollständigen Abwehrschirm gegen Infektionen (sterile Immunität) gibt es aber nicht. Der Schutz vor einer erneuten Infektion hält nur einige Wochen bis Monate an, vor einem schweren Krankheitsverlauf jedoch deutlich länger.
Die Dauer des Immunschutzes hängt von individuellen Faktoren ab: Bei Älteren und Menschen mit Vorerkrankungen fällt die Immunantwort schwächer aus. Deshalb gilt für sie die Empfehlung für jährliche Auffrischungsimpfungen, um den Immunschutz zu erneuern. Nach einer Infektion hängt die Dauer des Immunschutzes von der Krankheitsschwere ab: Wer sich infiziert und deutliche Krankheitszeichen hat, bildet meist mehr Antikörper als bei wenigen oder gar keinen Symptomen.
Dieser Artikel ist erstmals am 21. Dezember 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
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