Probe wird in eine Petrischale über genetische Ergebnisse pipettiert.
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In Deutschland wurden positive Coronavirus-Proben bisher relativ selten genetisch analysiert. Das soll sich nun ändern.

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Coronavirus: Mehr Gentests gegen Mutationen

Mutmaßlich ansteckendere Varianten des Coronavirus führen in Großbritannien und Südafrika zu neuen Rekorden bei Infektions- und Todeszahlen. In Deutschland sollen jetzt mehr Gen-Analysen nachweisen, wie verbreitet die Mutationen bereits sind.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Alarm geschlagen: Die Coronavirus-Mutation aus Großbritannien sei inzwischen in mehr als 50 Ländern nachgewiesen, schreibt die WHO, und die aus Südafrika in 20. Auch Deutschland gehört zu den Ländern, in denen beide Varianten bereits nachgewiesen worden sind. Sie gelten als besonders ansteckend.

Mutation dank Sequenzierung entdeckt

In England ist das mutierte Virus wohl entscheidend mitverantwortlich dafür, dass die Infektions- und Todeszahlen stark angestiegen sind, und viele Krankenhäuser an die Belastungsgrenze kommen. Das veränderte Virus wurde entdeckt, weil in Großbritannien etwa jede zehnte bis zwanzigste Probe, die in der PCR positiv ist, auch sequenziert, also genetisch untersucht wird. In Deutschland dagegen ist es nur etwa jede 700ste Probe. Das geht aus Berechnungen hervor, die sich aus den gesamten, bisher in Deutschland durchgeführten Sequenzierungen (laut Robert-Koch-Institut ca. 3.000) und den in der PCR positiven Proben (rund zwei Millionen) ergibt. “Bereits vor der Corona-Pandemie ist in Großbritannien und auch in Dänemark ein sehr großer Schwerpunkt auf die Sequenzierung von Krankheitserregern gelegt worden”, sagt Roman Wölfel vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München, der selbst immer wieder verschiedene Proben von Soldatinnen und Soldaten sequenziert. “Man hat sich also dort schon vorher viel mehr für die Sequenzierung interessiert als in Deutschland.” Deshalb fehlt bei uns auch ein Überblick darüber, wie weit die Mutationen verbreitet sind, und ob sie etwa dazu beitragen, dass die Infektionszahlen trotz aller Lockdown-Maßnahmen hoch bleiben.

Mutationen sind ein natürlicher Vorgang

Bei dem mutierten, "englischen" Virus ist das Spike-Protein auf der Oberfläche an 17 Stellen verändert. Dadurch kann es leichter in die menschliche Zelle eindringen. Mutation klingt gefährlich, es ist aber ein ganz natürlicher Anpassungsprozess im Laufe der Evolution eines Erregers. “Wie bei vielen anderen Viruserkrankungen auch verändert sich der Erreger im Wechselspiel mit den Menschen, die infiziert werden”, sagt Wölfel. Mutationen entstehen, wenn sich das Virus vervielfältigt, und sich dabei Kopierfehler im Genom einschleichen. Gereichen diese dem Erreger zum Vorteil, etwa, weil er sich besser vermehren kann, dann setzt sich eine mutierte Variante im Zweifel durch. Im Fall der englischen Variante seien allerdings auffällig schnell viele Veränderungen entstanden.

“Das SARS CoV-2-Virus hat normalerweise eine Mutationsrate von ungefähr zwei Mutationen pro Monat. Wenn wir uns die englische Variante anschauen, dann sehen wir, dass dieses Virus 17 Mutationen hat. Dadurch ist es um den Faktor 50 Prozent ansteckender." Andreas Bergthaler, Virologe am Zentrum für Molekularmedizin der österreichischen Akademie der Wissenschaften

Impfstoffe trotzdem wirksam

Bisher sprechen aber alle wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür, dass die bereits zugelassenen Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna auch gegen die mutierten Virusvarianten wirken. Die Impfstoffe greifen das Virus an seinem Spike-Protein an insgesamt über 1.200 Stellen an, also sehr viel großflächiger. Die 17 veränderten Stellen fallen da kaum ins Gewicht. Weil das Virus aber weitermutieren wird, müssen die Impfstoffe immer neu getestet und eventuell auch angepasst werden. Das Gute ist aber, dass dabei nicht von Null angefangen werden muss. "Da kann man quasi einen fliegenden Start machen, um veränderte, neue Impfstoffe zu produzieren", sagt Bergthaler.

Je mehr Infektionen, desto mehr Mutationen

Ein Problem gibt es aber: Je ansteckender ein Virus ist, so wie jetzt in England, desto besser verbreitet es sich. Und mehr neue Infektionen heißt, dass auch mehr neue Mutationen entstehen können. "Wir geben dem Virus so die Chance, weiter zu mutieren", sagt Bergthaler. Deshalb sei es wichtig, die Infektionszahlen klein zu halten.

Dazu kann auch die Sequenzierung beitragen, weil sich Ausbrüche mit der ansteckenden Variante dadurch schneller erkennen und eindämmen lassen. "Wenn man nur etwa fünf Prozent der PCR-positiven Proben sequenzieren würde", sagt Roman Wölfel von der Mikrobiologie der Bundeswehr, dann würde man schon einen ganz guten epidemiologischen Überblick bekommen. Man müsse nicht jede Patientenprobe sequenzieren, sondern nur einen Eindruck davon bekommen, wie sich im Rahmen eines Ausbruchs-Geschehens beispielsweise größere Gruppen von Patienten mit dem gleichen Virustyp infizieren."

Labore für Sequenzierung ausgestattet

Die deutschen Labore wären mit genügend Geräten für die Sequenzierung ausgestattet - bisher hapert es aber an der Bezahlung. Der Gentest für eine Probe kostet rund 200 Euro. Der Bund hat jetzt angekündigt, die Kosten für die Tests übernehmen zu wollen. Und auch die EU will die Mitgliedstaaten mit Fachwissen, Infrastruktur und Geld unterstützen. Die EU-Seuchenbekämpfungsbehörde ECDC hat alle Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, die Entwicklung der Mutationen zu überwachen.

  • Fragen und Antworten in BR24Live ab 16.30 Uhr: Corona-Mutationen - was kommt auf uns zu?

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