Vor allem geschlossene Räumlichkeiten und soziale Situationen können sich zu Superspreading-Events entwickeln.
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Vor allem geschlossene Räumlichkeiten und soziale Situationen können sich zu Superspreading-Events entwickeln.

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Coronavirus: Von Superspreadern und Superspreading-Events

Coronavirus: Von Superspreadern und Superspreading-Events

Bisher ging man davon aus, dass sich das Coronavirus relativ gleichmäßig verbreitet. Aber immer mehr Situationen tauchen auf, in denen ein unbemerkt Infizierter ganz viele andere Menschen ansteckt und damit zum "Superspreader" wird.

Über dieses Thema berichtet: nano am .

Südkorea galt in der Corona-Pandemie weltweit als Vorbild. Niedrige Infektions- und Totenzahlen sprechen dafür. Daraufhin wurden Anfang Mai die Maßnahmen gelockert. Ein Mann ging in einem beliebten Viertel von Seoul feiern, besuchte Bars und Clubs. Später wurde er positiv auf das Coronavirus getestet und steckte in dieser Nacht unzählige Menschen an. Das warf das Land um mehrere Monate zurück. Mindestens 170 Kontaktpersonen hatten sich in dieser Nacht angesteckt - wahrscheinlich sind es noch weitaus mehr, vielleicht sogar Tausende, die nicht alle nachverfolgt werden können.

Einer steckt ganz viele an

Von solchen Situationen hört und liest man in letzter Zeit häufiger. Die Auslöser werden als “Superspreader” bezeichnet, die Situationen als “Superspreading-Events”. Frei übersetzt sind das “Superverteilungsereignisse”, also bestimmte Situationen, in denen ein einzelner Infizierter gleich ganz viele andere Menschen ansteckt, indem er in sozialen Situationen besonders viele infektiöse Tröpfchen verteilt. Gerade bei Sars-CoV-2 ist das gut möglich, da Infizierte schon vor dem ersten Auftreten von Symptomen andere anstecken und die Viren verteilen können.

Après-Ski und Gottesdienste

Auch bei uns gab es in den letzten Wochen immer wieder solche Superspreading-Events, dazu gehörten sicherlich auch Après-Ski-Partys in Ischgl und Karneval in Heinsberg. Nach einem Gottesdienst Anfang Mai in Frankfurt am Main waren über einhundert Personen mit dem Coronavirus infiziert. Bei einer Restaurant-Feier in Niedersachsen gab es um die 30 Infizierte, über 150 Menschen befinden sich in Quarantäne. In einem UPS-Verteilzentrum bei Hannover wurden 72 Corona-Infektionen gezählt.

Reproduktionszahl senken

Bisher wurde hauptsächlich auf die Infizierten und die damit verbundene Reproduktionszahl R geschaut, also wie viele Menschen von einem Infizierten durchschnittlich angesteckt werden. Diese Zahl wird nach verschiedenen Studien auf etwa 2 bis 3 geschätzt, ein Infizierter steckt im Durchschnitt zwei bis drei gesunde Menschen an. Das Ziel ist, R dauerhaft unter 1 zu halten. Denn solange die Zahl über 1 ist, verbreitet sich das Virus exponentiell. Wenn die Zahl bei 1 ist, steckt jeder Infizierte im Schnitt einen an. Somit bleibt die Zahl der Kranken konstant. Bei einem Wert unter 1 wird die Ausbreitung abgebremst.

Ungleiche Verteilung

Da die Maßnahmen des Lockdowns greifen, Abstands- und Hygieneregeln formuliert wurden und nachweislich Infizierte sich isolieren, konnte die Zahl R unter 1 gedrückt werden. Was jetzt mehr in den Fokus rückt, ist die Tatsache, dass es Menschen gibt, die weit mehr Personen anstecken und damit für eine ungleiche Verteilung sorgen. Das muss nicht an den Menschen selbst liegen, sondern an bestimmten Situationen, in denen sich das Virus besonders gut verbreitet - wie beispielsweise bei einem Gottesdienst, wenn Menschen singen, oder im Restaurant. Dort können große Ausbrüche zu Superspreading-Events werden. Diese übermäßigen Abweichungen von R werden Überdispersion genannt, also wenn einige wenige ganz viele infizieren, die meisten aber keinen oder nur wenige infizieren.

Dispersionsfaktor k

Dafür haben Forscher den Dispersionsfaktor k ins Spiel gebracht, ein Streuparameter. Je kleiner der Wert ist, umso größer ist das Ungleichgewicht in der Verteilung, umso größer die Bedeutung von Superspreadern. Laut Christian Drosten, Leiter der Virologie der Charité in Berlin, liegt k bei Infektionspandemien zwischen 0,1 und 0,7 oder 0,8. Mittlerweile weiß man, dass der Streuparameter bei der Sars-Pandemie 2002/2003 bei ungefähr 0,1 lag. In dem Fall war die Bedeutung einiger weniger Infizierter sehr groß für die gesamte Infektionsbewegung: 73 Prozent aller Infizierten steckten weniger als einen anderen an, während sechs Prozent der Infizierten mehr als acht weitere ansteckten.

Hohe Streuung bei Sars

Das lässt sich so erklären: Sars-CoV-1 konnte in der Pandemie damals relativ gut nachvollzogen werden, da sich die Viren hauptsächlich in der Lunge vermehrten und Infizierte aufgrund von Erkrankungen gut isoliert werden konnten. Man war erst ansteckend, wenn man schon Symptome hatte. Jemand, der krank war, verließ eher selten das Bett und konnte nicht viele andere Menschen anstecken. Aber natürlich gab es auch damals einige Wenige, die zwar voller Viren waren, sich aber nicht richtig krank gefühlt und weiterhin am Alltagsleben teilgenommen haben. Die wenigen haben dann sehr viele andere angesteckt. Deshalb liegt der Dispersionsfaktor für Sars so niedrig.

Dispersion bei Sars-CoV-2

Für Sars-CoV-2 wurde der Dispersionsfaktor noch nicht abschließend geklärt. Verschiedene Studien gehen davon aus, dass er höher liegt als bei Sars 1, da das Virus in den oberen Atemwegen repliziert und theoretisch jeder zur Verbreitung beitragen könnte, ohne dass er merkt, dass er infiziert ist. Die Streuung wird auf groß bis mittelgroß geschätzt, irgendwo zwischen 0,16 und 0,45. Damit spielen Superspreading-Events eine wichtige Rolle - wie wir momentan mitbekommen. Demnach könnten 20 Prozent der Infizierten für 80 Prozent der Ansteckungen verantwortlich sein. Das ist besonders gefährlich, wenn man zum Superspreader wird, ohne davon zu wissen, weil man (noch) keine Symptome hat.

Vermeiden von Superspreading-Events

Leider kann man nicht feststellen, wer zum Superspreader werden könnte, wenn derjenige selbst nicht mal merkt, dass er gerade hochgradig ansteckend ist. Aber - und das ist die positive Nachricht - man kann Situationen vermeiden, in denen sich das Virus besonders gut verbreiten könnte. Da hilft zum einen der Mund-Nasen-Schutz, der vor allem innerhalb von Räumlichkeiten virusbelastete Tröpfchen im Zaum hält, wenn sich trotzdem an den Sicherheitsabstand gehalten wird. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass auch Aerosole, winzig kleine Tröpfchen, maßgeblich zur Verbreitung beitragen, da sie nicht so schnell zu Boden fallen und lange in der Luft zirkulieren können.

Cluster isolieren

Das Problem ist, dass sich Superspreading-Events meist erst als Superspreading-Event herausstellen, wenn es bereits zu spät ist. Jemand wird positiv getestet. Dann ist es wichtig, gezielt zu schauen, ob derjenige in den letzten Tagen eventuell an einer "Sozialsituation" teilgenommen hat. Im Idealfall können andere Infizierte schnell nachvollzogen werden, aber bis die Ergebnisse da sind, könnten die wiederum schon wieder andere angesteckt haben. Auch, weil man schon ansteckend ist, bevor erste Symptome auftauchen. Daher schlägt Drosten in seiner 44. Podcast-Folge vor, nicht erst auf Tests zu warten, sondern solche Cluster direkt zu isolieren und die Betroffenen erstmal als infiziert anzusehen.

Tracing-App

Um solche Wege nachvollziehen zu können, kommt auch wieder die geplante Tracing-App ins Spiel. Sie soll Kontakte von Infizierten anonym nachverfolgen und warnen können. So können Infektionsketten unterbrochen werden. Das Wichtige ist jedoch, dass sich genügend Menschen die freiwillige App herunterladen, damit sie funktioniert. In Deutschland bräuchte es dafür 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung. Das ist so viel wie momentan nur der Messenger-Dienst WhatsApp erreicht.

An Regeln halten

Bis dahin gilt, was der momentane Wissensstand hergibt: Drinnen verbreiten sich die Viren schneller als draußen. Ein Mund-Nasen-Schutz, Abstandsregeln, regelmäßiges Händewaschen und Lüften sind wichtig. Und man kann selbst darauf achten, dass man potentielle Superspreading-Events vermeidet und gar nicht Teil von ihnen wird.

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