Am 20. April 2010 ereignete sich die bisher schwerste Umweltkatastrophe in der Geschichte: Die Bohrplattform für Erdölexploration Deepwater Horizon geriet nach einer Explosion in Brand und sank zwei Tage später, elf Menschen starben. Eine ganze Reihe menschlicher und technischer Fehler führten zu dieser Tragödie, bei der geschätzte 800 Millionen Liter Öl in den Golf von Mexiko flossen.
Wer hat Schuld an der Umweltkatastrophe?
An der Katastrophe waren maßgeblich drei Unternehmen beteiligt, die sich am Anfang gegenseitig die Schuld in die Schuhe schoben: Die Firma Transocean - spezialisiert auf Tiefseebohrungen - die die Ölplattform in Betrieb nahm, das Mineralölunternehmen BP als Leasingnehmer und Auftraggeber und das Dienstleistungs- und Wartungsunternehmen Halliburton.
Straf- und Gerichtszahlungen in noch nie dagewesenen Höhen waren die Folge. Der daraus resultierende jahrelange Rechtsstreit wurde im April 2016 beigelegt: BP muss allein wegen der Umweltverschmutzung 20 Milliarden US-Dollar an verschiedene US-Staaten über einen Zeitraum von 16 Jahren zahlen. Das umfasst Strafzahlungen, Kosten für die Wiederherstellung der Umwelt und einen Ausgleich für wirtschaftliche Nachteile.
2012 erzielte BP eine ähnliche Einigung mit privaten Anwälten von Firmen und Anwohnern, die angeführt hatten, dass sie durch die Ölpest Einbußen gehabt haben.
Gegenmaßnahmen, um Öl aus dem Meer zu entfernen
Damals wurden 2.100 Kilometer Küste in Louisiana, Texas, Florida, Alabama und Mississippi von dem braunen Schleim verschmutzt, Fotos von ölverschmierten Pelikanen gingen um die Welt, die Fläche des Ölteppichs war so groß wie halb Deutschland.
Es gab verschiedene Gegenmaßnahmen: Der Ölteppich sollte kontrolliert abgebrannt werden. Corexit 9500 sollte den Ölteppich auflösen, ein sehr umstrittenes Chemikaliengemisch: Dadurch sollte das Öl tief unter der Wasseroberfläche zersetzt werden, damit es gar nicht erst an die Oberfläche gerät und sich stattdessen in der Tiefsee verteilt. Auch der umgebaute Supertanker “A Whale” sollte Meerwasser vom Öl befreien - mehr oder weniger erfolglos.
Aber nach einigen Monaten war der Teppich oberflächlich verschwunden. Eine Studie der University of Miami vom Februar 2020 ging davon aus, dass er noch viel größer war, als es damals auf Satellitenbildern schien. Dazu haben die Meeresökologen die Ergebnisse von Wasserproben mit einem Modell der Ölverbreitung kombiniert: Das Ergebnis war, dass die giftige Mischung viel, viel weiter trieb, als ursprünglich angenommen. Sie erreichte Gebiete, die mehrere hundert Kilometer von den damals errichteten Fischerei-Sperren entfernt lagen.
Der Ölteppich unter der Wasseroberfläche
Der Ölteppich an der Wasseroberfläche war das eine, was darunter passierte, das andere. Denn nach dem Erdöl wurde in einer Tiefe von 1.500 Metern gebohrt: Öl legte sich am Meeresgrund auf einer geschätzten Fläche von 3.200 Quadratkilometern ab. Insgesamt gab es drei Lecks, die nach dem Sinken der Ölplattform noch immer Öl ausstießen. Am 16. Juli 2010 wurden sie mit einem temporären Verschluss gestoppt, am 19. September 2010 verkündete die US-Regierung, dass die Quelle “tot” sei.
Auswirkungen der Ölkatastrophe auf die Natur
Die Auswirkungen auf die Natur waren da schon verheerend. Laut einer Studie der Naturschutzorganisation NRDC von 2015 waren unmittelbar betroffen:
- bis zu 5.000 Meeressäuger starben
- über 2.000 Meeresschildkröten starben
- fast eine Million See- und Küstenvögel bestehend aus 28 Arten starben
- 12 Prozent der Fischlarven des Blauflossen-Thunfischs starben
- unzählige Missbildungen bei Fischen zukünftiger Generationen entstanden
- Korallenriffe, Algen und Seegras, die zur Diversität der Meere beitragen, starben
- ganze Populationen an Fischen, Garnelen oder Tintenfischen wurden um bis 85 Prozent minimiert
- 8,3 Millionen Austern
- der Garnelenfang sank in Louisiana um 32 Prozent, in Mississippi um 60 Prozent, in Alabama um 56 Prozent
Die Natur leidet: Folgen für die Tierwelt
Und jetzt? Zahlungen wurden gezahlt, der Unfallvorgang nachgearbeitet, die Schuldfrage teils beantwortet. Aber wie geht es der Natur nach der Ölpest im Golf von Mexiko? Welchen Schaden hat sie durch eine der schlimmsten Umweltkatastrophen dieser Art genommen? Bis zum 16. Juli 2010, als der Ölfluss gestoppt werden konnte, flossen mehrere hundert Millionen Liter Öl ins Meer - also fast drei Monate lang. Das soll heute nicht mehr passieren können. Pünktlich zum zehnjährigen Jahrestag dieser Katastrophe veröffentlichte die University of South Florida eine neue Studie über die Folgen für die Tierwelt.
Fische noch immer kontaminiert
Es ist die erste umfassende Studie für die gesamte Golf-Region - die Forscher haben dazu 359 Orte vor der Küste der USA, Mexiko und Kuba besucht und dort Proben genommen. Insgesamt untersuchten sie 2.500 einzelne Fische von 91 Arten. Das traurige Ergebnis: Öl-Überreste fanden sie in jedem einzelnen Individuum. Sie suchten dabei nach “polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen” (PAK), dem giftigsten chemischen Bestandteil in Rohöl, in der Galle der Tiere. Die Flüssigkeit hilft nicht nur bei der Verdauung, sondern dient auch als Müllhalde.
"Wir waren sehr überrascht, dass eine der verseuchtesten Arten der sehr schnelle Gelbflossen-Thun ist, da er sich normalerweise gar nicht am Meeresgrund aufhält, wo es die meiste Ölverschmutzung gibt.” Erin Pulster, Meeresbiologin, University of South Florida.
PAK-Konzentration vor allem im Norden hoch
Es mache Sinn, dass die Werte bei Torpedobarschen höher wären, da die sich gerne in und um Schlammlöcher aufhalten, wo die PAK-Konzentration in der gesamten Golf-Region größer sei. Woher kommt also die Verseuchung der Thunfische? Fische mit der höchsten Konzentration von PAK wurden im nördlichen Teil des Golfes gefunden, in unmittelbarer Nähe zu Deepwater Horizon.
Aber nicht nur das erstaunt die Forscher: In der näheren Umgebung von Publikumsmagneten, wie beispielsweise Tampa Bay in Florida, fanden sie ebenfalls erhöhte Werte. Das spreche dafür, dass auch dort weiterhin Öl ins Meerwasser fließe. Die Untersuchungen müssten also weitergehen, auch um weitere Langzeitschäden im Auge behalten und im Zweifelsfall ein Öl-Leck schnell entdecken zu können. Unterstützt wurde die zehnjährige Studie unter anderem von BP selbst, die Zahlung der Mittel endet nun aber.
Die Fischindustrie, der Tourismus, der Immobilienmarkt und auch Freizeit- und Erholungsbereiche haben nachhaltig gelitten. Bis sich die Natur komplett erholt - vor allem die ganz unten in 1.500 Metern Tiefe - wird es wohl noch lange dauern. Bis dahin kann nur gehofft werden, dass sich so eine Katastrophe nicht wiederholt.
Im Video: BR24 Zeitreise: Ölwehrübung auf dem Chiemsee
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