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Diskussionen um Modellversuch: Wirtschaftsschulen ab 5. Klasse

Diskussionen um Modellversuch: Wirtschaftsschulen ab 5. Klasse

Ab dem kommenden Schuljahr sollen Schülerinnen und Schüler schon ab der fünften Klasse an ausgewählte Wirtschaftsschulen in Bayern wechseln können. Das Kultusministerium will damit einen Modellversuch starten – der kommt aber nicht bei allen gut an.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Nach der vierten Klasse aufs Gymnasium, die Realschule oder zum Beispiel auch die Mittelschule, so sahen die Möglichkeiten für Schüler und Schülerinnen in Bayern bisher aus. Ab dem kommenden Schuljahr haben Viertklässler auch die Möglichkeit, direkt auf eine Wirtschaftsschule zu wechseln, sofern sie einen Notendurchschnitt von mindestens 2,66 haben.

Damit will Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) die "berufliche Bildung in Bayern" stärken und zudem eine "wichtige Vereinbarung im Koalitionsvertrag zügig in die Tat" umsetzen. Kritik daran gibt es zum Beispiel vom Landeselternverband Bayerischer Realschulen. Dieser befürchtet, dass den Realschulen dadurch Schüler fehlen, um ihr Angebot weiter aufrechterhalten zu können.

Die Wirtschaftsschule – eine bayerische Besonderheit

In Bayern gibt es aktuell 74 Wirtschaftsschulen mit 16.600 Schülern, 28 Schulen sind in privater Trägerschaft, sagt das Bayerische Kultusministerium. Diese Schulart gibt es in dieser Form nur in Bayern. Aktuell gibt es drei Arten:

  • Die vierstufige Wirtschaftsschule von der 6. bis 10. Jahrgangsstufe (mit Vorklasse in der sechsten Klasse)
  • Die dreistufige Wirtschaftsschule von der 8. bis zur 10. Jahrgangsstufe
  • Die zweistufige Wirtschaftsschule von der 10. bis zur 11.Jahrgangsstufe

Schon der frühere Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) hatte es den Wirtschaftsschulen im Jahr 2020 möglich gemacht, mit einer 6. Klasse zu beginnen, einer Vorklasse, in der die Schüler auf die 7. Klasse der Wirtschaftsschule vorbereitet werden sollen. Die neue Kultusministerin erweitert diese sogenannte Eingangsstufe von der 6. auf die 5. Klasse in einem Modellversuch, auch Schulversuch genannt.

Schwerpunkt soll hier die Förderung im sprachlichen Bereich (Business Englisch), in der ökonomischen und digitalen Bildung und im Fach Mathematik sein, um die Schüler so auf die "Anforderungen der Schulart" vorzubereiten. Laut Kultusministerium können an dem Modellversuch nur Wirtschaftsschulen teilnehmen, die bereits eine 6. Jahrgangsstufe als Vorklasse führen, wie es sie seit 2020 gibt. Zudem haben die Schulen die Möglichkeit, das Angebot als "Vormittags-Modell" oder "Gebundenes Ganztagsmodell" durchzuführen, so das Ministerium.

Werden den Realschulen Schüler genommen?

Melanie Plevka aus Langenzenn ist Vorsitzende beim Landeselternverband Bayerischer Realschulen. Sie befürchtet, dass durch den Modellversuch den Realschulen Schüler weggenommen werden. Wenn sich Eltern dann dafür entscheiden würden, ihr Kind nach der Grundschule auf die Wirtschaftsschule zu schicken, fehlten den Realschulen beispielsweise 40 Schüler, das könnten ein bis zwei Eingangsklassen sein. Gerade auf dem Land sieht Plevka hier ein großes Problem, denn je nach Schüleranzahl bekommen diese Schulen auch öffentliche Gelder. Unterm Strich bedeutet das: weniger Schüler, weniger Geld, weniger Angebote.

Gerade die 3b-Zweige, die die Fächer Hauswirtschaft, Ernährung oder Kunst und Werken beinhalten, könnten dann wegfallen. "Diese Fächer sind wichtig für die umliegenden Unternehmen, weil diese aus diesen Fächern ihre Auszubildenden abgreifen."

Zu frühe Weichenstellung?

Eine weitere Sorge, die Melanie Plevka umtreibt: Wer auf die Wirtschaftsschule gehe, der habe es schwer weiter nach oben zu kommen. Man könne "nur noch FOS oder BOS machen“, also die Fachoberschule oder Berufsoberschule. Falls man es auf der Wirtschaftsschule nicht schaffe, bliebe nur noch die Mittelschule, so Plevka. Wenn man von der Grundschule wechsle, habe man oft noch gar keine genaue Vorstellung, was zu einem passt oder nicht, erzählt sie.

Real- und Wirtschaftsschule Fürth: Nachfrage hoch

Um zu wenig Schüler macht sich der Schulleiter der Hans Böckler Schule in Fürth, Thomas Bedall, keine Sorgen. Die Nachfrage sei hoch, man habe eher das Problem genügend Plätze anzubieten. Die Schule ist eine Besonderheit, denn es gibt hier sowohl eine Real- als auch eine Wirtschaftsschule.

Der größte Unterschied sei, dass man an der Wirtschaftsschule weniger Kunsterziehung, Physik und Chemie habe. Auch Französisch und das Fach Ernährung/Gesundheit falle bei dieser Schulform weg. Stattdessen habe man Business Englisch sowie das Fach Übungsunternehmen, bei dem die Schüler schon praktisch arbeiten würden, um aufs Berufsleben in einer Firma vorbereitet zu werden. Schon jetzt sei die Nachfrage nach einer fünften Vorklasse an der Wirtschaftsschule vorhanden, sagt Thomas Bedall. "Einige Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder schon früher an diese Schule gehen könnten."

Thomas Bedall: "Veränderung sorgt immer erstmal für Ängste"

Die Sorgen von Melanie Plevka kann Thomas Bedall teilweise nachvollziehen. Es stimme, dass man nach der Wirtschaftsschule an die FOS wechseln könne, sofern die Schüler einen Notendurschnitt in Mathe, Deutsch und Englisch von 3,5 oder besser haben. Die BOS könne man auch besuchen, wenn man eine Lehre oder Ausbildung durchlaufen hat, so Bedall. Es sei aber auch möglich nach der Wirtschaftsschule in die Übergangsklasse ans Gymnasium zu wechseln, es gebe also durchaus einige Alternativen mehr als Fachoberschule oder Berufsoberschule im Anschluss an die Wirtschaftsschule, so der Schulleiter. Dass die Schüler nach Abschluss an der Wirtschaftsschule nur in kaufmännische Berufe gehen würden, stimme so nicht. Es gebe einige, die auch in soziale Berufe gingen oder als Mechatroniker arbeiten.

Eine Gefährdung der Realschulen in Bayern sieht Bedall durch den Modellversuch nicht. Diese Schulform hat seiner Ansicht nach in Bayern einen hervorragenden Ruf. Zudem gebe es über 300.000 Realschüler in Bayern, an Wirtschaftsschulen seien es gerade mal über 16.000. "Veränderung sorgt immer erstmal für Ängste", gibt sich der Schulleiter verständnisvoll und gibt noch zu bedenken, dass das Ganze kein Schnellschuss des Kultusministeriums sei, sondern schon über Jahre vorbereitet werde. "Es sind die verschiedenen Schularten mit einbezogen und auch die Einwände geprüft worden." An seiner Schule seien insgesamt 1.000 Schüler und Schülerinnen, rund die Hälfte im wirtschaftlichen Zweig.

Teilnahme am Modellversuch – ein komplexer Prozess

Um als Wirtschaftsschule an dem Modellversuch teilzunehmen, müssen einige Bedingungen erfüllt werden. Es braucht unter anderem eine Stellungnahme der zuständigen Schulaufsichten der Realschulen und Gymnasien. Der Antrag der Wirtschaftsschulen muss zudem vom sogenannten Schulaufwandsträger, also zum Beispiel einer Kommune, der öffentlichen Realschulen im jeweiligen Landkreis oder der Stadt unterstützt werden. Ebenso vom Leiter des Schulamts, teilt das Kultusministerium mit.

Prinzipiell können an dem Modellversuch sowohl öffentliche als auch private Wirtschaftsschulen teilnehmen, die eine Vorklasse haben – das sind laut Ministerium aktuell 55 Schulen. Der Modellversuch soll vom Schuljahr 2024/2025 bis zum Schuljahr 2027/2028 laufen.

Das letzte Wort bei der Entscheidung, welche Schulen teilnehmen können, hat laut Kultusministerium die "Staatsministerin", also Anna Stolz.

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