Wissenschaftliche Erkenntnisse gleichermaßen für zivile wie auch für militärische Zwecke nutzen - viele Studierende, Forschende und Lehrende wollen diesen sogenannten "Dual Use" (auf Deutsch: Doppelverwendungsmöglichkeit, Anm. d. Red.) nicht. Manche Universitäten haben sich deshalb sogenannte "Zivilklauseln" gegeben, um deutlich zu machen, dass sie nur für friedliche Zwecke forschen, lehren oder lernen wollen.
Seit dem Krieg in der Ukraine sind diese "Zivilklauseln" jedoch stark belastet. Und die bayerische Staatsregierung hat schon reagiert: Per Gesetz will sie nicht nur die Zivilklauseln verhindern, sondern die Hochschulen sogar zur Zusammenarbeit mit der Bundeswehr verpflichten.
Was Wissenschaftler vom Dual Use halten
Andreas Maier, Professor für Künstliche Intelligenz an der Universität Erlangen, hält den Zwang zur Zusammenarbeit mit dem Militär für "ungeschickt", weil er sich nicht vorstellen kann, "dass dabei gute Forschung herauskommt", wie er im Interview mit dem BR sagt. Wissenschaftler wie er, die der Forschung für militärische Zwecke kritisch gegenüberstehen, würden in eine Verweigerungshaltung gedrängt und – möglicherweise – bewusst oder unbewusst ihre eigene Forschung sabotieren.
Auch an der Zivilklausel, die es für seine Universität in Erlangen gibt, und in der es heißt, die Uni fördere "verantwortungsbewusstes Handeln" und ebne den Weg zu einem "gerechten und friedlichen Zusammenleben zwischen Menschen, Kulturen und Nationen", übt Maier Kritik. Der Hochschullehrer wünscht sich klarere Regeln, was für Unis erlaubt ist und was nicht - etwa welche Beschränkungen es dadurch gäbe oder welche "Fördergeber nicht mehr akzeptiert werden".
Dual Use - Wissenschaftsfreiheit nur im Rahmen der Verfassung
Michael Lauster, der bei der Fraunhofer-Gesellschaft für das deutsche Verteidigungsministerium neue Technologien analysiert, sieht in dem Vorhaben der bayerischen Staatsregierung hingegen kein Problem. Für ihn stellt sich die Frage, ob sich Wissenschaftler an den Unis überhaupt an solche Vorgaben halten müssen.
Zum einen sichere die durch Artikel 5 des Grundgesetzes gewährte Wissenschaftsfreiheit zu, "dass Professoren an Universitäten frei wählen können, wie sie forschen wollen, solange das im Rahmen der Verfassung ist", sagt er. Weil Artikel 5 des Grundgesetzes "den Institutionen, die Wissenschaft betreiben" auch gewähre, zu entscheiden, "in welche Richtung sie gehen wollen und in welche nicht", könne man "den Universitäten das Recht, sich solche Klauseln zu geben, nicht wirklich absprechen", erläutert Lauster.
Experte hält Zivilklauseln gegen Dual Use für schwierig
Jan Wörner, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, erklärt im Interview mit dem BR, dass er Zivilklauseln schwierig finde, denn für ihn stelle sich die Frage, welche Art von Forschung Zivilklauseln überhaupt verbieten sollen.
Die Abgrenzung zwischen militärischer Nutzung und ziviler Nutzung sei nicht einfach, wie Wörner im Interview zu verstehen gibt. Fragen wie: "Ist die Forschung an Künstlicher Intelligenz für Medizintechnik an der Uni Erlangen, die auch in einem Militärkrankenhaus verwendet werden könnte, noch erlaubt beziehungsweise durch die an dieser Hochschule geltende Zivilklausel noch gedeckt?", stellten sich, könnten aber wohl nicht eindeutig beantwortet werden.
"Ich glaube, dass wir genügend Potenzial in Deutschland an wissenschaftlichen Erkenntnissen haben, die für die Streitkräfte zugänglich und verwertbar sind, sodass das kein drängendes Problem ist", resümiert Wörner, der auch Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA war.
In seiner Zeit bei der ESA hat Wörner seinen Frieden mit manchen Zivilklauseln gemacht. In der ESA-Konvention heißt es schließlich, die Weltraumagentur arbeite für "exclusively peaceful purposes" - also nur für friedliche Zwecke. Nach der Logik Wörners heißt das auch: "Friedliche Zwecke" schließen eine militärische Nutzung nicht aus – wenn diese der Schaffung von Frieden dient.
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