Das Rezo-Video zur Schulöffnung hat in zwei Tagen mehr als eine Million Views erhalten.
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#Faktenfuchs: Das Schüler-Video von Rezo im Faktencheck

#Faktenfuchs: Das Schüler-Video von Rezo im Faktencheck

Der YouTuber Rezo hat in einem neuen Aufschlag Politiker angegriffen - diesmal wegen der geplanten Abitur-Prüfungen in der Coronakrise. Der #Faktenfuchs hat seine Behauptungen geprüft.

YouTuber Rezo, der mit seiner Kritik an der CDU Furore machte, hat wieder ein Aufsehen erregendes Video veröffentlicht. In "Wie Politiker momentan auf Schüler scheißen" prangert er die Entscheidung der Kultusministerkonferenz (KMK) an, dass nun wieder Abschluss- und Abiturprüfungen geschrieben werden sollen. Das am 22. April veröffentlichte Video hatte am 24. April um 16 Uhr bereits mehr als 1,4 Millionen Aufrufe.

Das Video ist ein Kommentar

Auch wenn Rezo wieder ein eigenes Quellendokument zum Video erstellte und seine Vorwürfe so zu belegen versucht: Das Video ist ein Kommentar, wie schon aus dem Titel ersichtlich wird. Rezo lehnt die Entscheidung, wieder Prüfungen abzuhalten, ab und sammelt Argumente dagegen. Auch die zwei Argumente, die er für die Lockerungen findet, führt er nur an, um sie dann zu widerlegen.

Bildung ist Ländersache, darauf weist Rezo zu Beginn seines Videos auch einmal allgemein hin. Die Regelungen, wie und unter welchen Bedingungen nun Abschlussprüfungen stattfinden sollen, unterscheiden sich deshalb teilweise (dazu später mehr). Viele Aspekte der Prüfungsdiskussion betrachtet Rezo dann jedoch allein aus der NRW-Perspektive oder liefert NRW-Beispiele - allerdings ohne noch einmal explizit zu machen, dass nicht alles, was für NRW stimmt, auch anderswo gilt.

Ein tragender Punkt Rezos Argumentation ist der psychische Druck auf Schüler (und Lehrer), den er beschreibt: dass, wer in die Schule gehen muss, ein Ansteckungsrisiko trägt - und sich damit auch als Gefährdung für seine Angehörigen empfinden kann. Hier zeigt Rezo auf, dass die Politik ein Risiko für die psychische Gesundheit eingeht - das sich zum aktuellen Zeitpunkt in einem Faktencheck nicht quantifizieren und daher auch nicht konkret be- oder widerlegen lässt. Hier wird erst die Zeit zeigen, wie sich diese Situation auf Schüler und ihre Familien, auf ihre physische und psychische Gesundheit auswirken wird.

Wir checken einige von Rezos wichtigsten Behauptungen - teilweise mit einem Fokus auf Bayern. Da Rezos Video fast 20 Minuten lang ist und wir nicht jede einzelne Behauptung checken können, haben wir uns bei unserem Faktencheck auf folgende Punkte beschränkt: Die hygienischen Zustände an den Schulen, ob Schüler ausreichend Abstand halten können, ob pensionierte Lehrer wieder zurück an die Schulen berufen wurden, ob Schüler selbst entscheiden müssen, ob sie wieder zur Schule gehen, das Verbot von Masken an Schulen, die Heinsberg-Studie und die möglichen Nachteile eines diskutierten Durchschnittsabis.

Bei Bedarf können Sie einfach direkt zu den entsprechenden Abschnitten scrollen.

Hygienische Zustände an Schulen

Als einen Hauptgrund gegen die Wiedereröffnung der Schulen nennt Rezo die hygienischen Zustände. Jeder wisse selber aus seiner Schulzeit, wie mangelhaft die Hygienestandards seien: "Versetzt euch kurz da rein und denkt – das wären die Standards bei einer Pandemie gewesen." Was hier passiert, ist Framing: Vor dem geistigen Auge der Zuschauer entsteht ein negatives Bild, das leitend für alle kommenden Informationen ist. Rezo setzt diesen Punkt früh im Video.

Viele Lehrer und Schüler, sagt Rezo, berichteten davon, dass an ihrer Schule Reinigungsmittel, Waschbecken für alle und Desinfektionsmittel fehlten. Eingeblendet werden auch Zeitungsberichte als Quellen. Ja, diese belegen Klagen von Lehrkräften und Verbänden über hygienische Probleme an Schulen. Eine Vielzahl an kritischen Berichten steht einem kleinen Teil an positiven gegenüber. Für den Gesundheitsschutz ist der jeweilige Schulträger zuständig, wie Stadt oder Landkreis.

Die Frage, ob Schulen rechtzeitig nachrüsten können, stellt Rezo in dem Video nicht. Der Youtuber lässt seine Hygiene-Kritik in diesem Punkt gipfeln: Eine Lehrerin führe richtigerweise an, dass bei 30 Schülern je 30 Sekunden ein allgemeines Händewaschen schon eine Viertelstunde in Anspruch nehme, also ein Drittel einer Unterrichtsstunde. Solche Rechenbeispiele kursieren schon länger im Netz und auch BR24-User fragten in Kommentaren, ob genügend Waschbecken vorhanden seien.

Heinz-Peter Meidinger, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes und Direktor am Robert-Koch-Gymnasium Deggendorf, hatte darauf im Gespräch mit dem BR geantwortet, dass es eine Reihe an weiteren Maßnahmen in Sachen Hygiene bräuchte. So müssten Toilettenräume nacheinander aufgesucht, Desinfektionsspender aufgestellt, die Kinder alle zwei Stunden zum Händewaschen geschickt und kürzere Reinigungszyklen der Klassenzimmer angeordnet werden.

Dies spricht zwar für einen höheren Zeitbedarf, damit Hygieneregeln eingehalten werden können. In der Rechnung, die Rezo in seinem Video zitiert, ist allerdings nicht berücksichtigt, dass die Schulöffnung zunächst nur für Abschlussklassen, Prüfungen und Schüler vor einem Schulwechsel gilt. Zudem werden die Klassen geteilt und dürfen zum Beispiel in Bayern maximal 15 Schüler haben. Es kommen also weniger Schüler auf ein Waschbecken als in regulären Schulzeiten.

Wie sollen Kinder in der Pause 1,50 Meter Sicherheitsabstand halten?

Das Infektionsrisiko hält Rezo nicht nur wegen der Hygienemängel für hoch - sondern auch wegen des Wesens von Kindern bzw. Jugendlichen. Er hält es für nicht geklärt, wie es möglich sein soll, den Sicherheitsabstand in den Pausen einzuhalten.

“Um sicherzustellen, dass Schülerinnen und Schüler nicht in Kontakt miteinander kommen, sollten Unterrichtsbeginn, Pausenzeiten und Essenszeiten durch geeignete Maßnahmen entsprechend organisiert werden, z.B. durch Zuweisung von Pausenbereichen”, schreibt Torsten Heil, Pressesprecher der KMK auf BR24-Anfrage. Die Pausenzeiten sollten gestaffelt organisiert und die Lerngruppe durch eine Fachkraft beaufsichtigt werden. “Da sich die Schulen in Größe, Ausstattung und räumlichen Möglichkeiten voneinander unterscheiden, sind schulinterne, individuelle Konzepte zu erarbeiten”, so Heil weiter. Es solle ermöglicht werden, dass sich nur ein Teil der jeweiligen Schülerschaft in der Schule befindet.

Das Robert Koch-Institut weist in seinem Epidemiologischen Bulletin zur Wiedereröffnung von Bildungseinrichtungen darauf hin, dass es Kindern schwerfalle, von sich aus einen Abstand von mindestens 1,5 Metern einzuhalten und sich regelmäßig und mit ausreichender Gründlichkeit die Hände zu waschen. “Je jünger die Kinder sind, desto häufiger müssen sie von Erwachsenen dazu angehalten und angeleitet werden”, heißt es dort weiter.

Aus eben diesem Grund sind es die Abschlussjahrgänge, also die älteren Kinder, die nun zuerst an die Schule zurückkehren. Darauf weist beispielsweise das Bayerische Kultusministerium explizit hin: "Zudem handelt es sich bei den Abschlussklassen um ältere und verantwortungsbewusste Jugendliche und junge Erwachsene, die die Regeln des Infektionsschutzes verantwortungsbewusster umsetzen können als jüngere."

Sollen pensionierte Lehrer wieder unterrichten - also die Risikogruppe?

Richtig ist, dass verschiedene Bundesländer, darunter auch Bayern, pensionierten Lehrern schrieben und sie fragten, ob sie wieder unterrichten könnten. In Bayern bezog sich die Anfrage allerdings auf das kommende Schuljahr 2020/21. Zudem sei sie wegen des hohen Lehrerbedarfs schon vor der Corona-Krise geplant gewesen, teilte das bayerische Kultusministerium kürzlich mit. Wenn Lehrkräfte aus dem Ruhestand zurückkehrten, müsse dies abhängig vom Infektionsgeschehen zu Beginn des nächsten Schuljahres und unter Berücksichtigung des Infektionsschutzes erfolgen, so das Ministerium.

Auch zum Thema Risikogruppe äußerte sich das Kultusministerium in Bayern: “Aufgrund des geringen Unterrichtsumfangs ab dem 27. April ist es vorerst nicht erforderlich, dass Personen, die älter als 60 Jahre alt sind, im Präsenzunterricht oder in der Notbetreuung eingesetzt werden. Die Übernahme dieser Aufgaben auf freiwilliger Basis bleibt dieser Personengruppe jedoch unbenommen”, heißt es in den Coronavirus-FAQ des Ministeriums.

Lehrkräfte und Schüler mit Vorerkrankungen müssen mit entsprechendem Attest zunächst nicht am Unterricht teilnehmen.

Müssen Schüler selbst entscheiden, ob sie zur Schule gehen?

Das hängt vom Bundesland ab. In Nordrhein-Westfalen, wo Rezo wohnt, können Schüler, die vor Abiturprüfungen stehen, wieder zur Schule gehen - müssen es aber nicht. Andere Abschlussklassen, zum Beispiel von Haupt- oder Förderschulen, müssen auch in NRW ab 23. April in die Schule gehen. In Bayern sind Schüler der Abschlussklassen an den weiterführenden und beruflichen Schulen ab dem 27. April verpflichtet, wieder den Unterricht zu besuchen, wie das bayerische Kultusministerium auf seiner FAQ-Seite schreibt.

“Verbot von Masken” für Lehrkräfte?

Rezo berichtet davon, dass Lehrkräfte teilweise “grundsätzliche Sicherheitsmaßnahme wie Schutzmasken oder Einweg-Handschuhe” nicht benutzen dürften. Als Quelle verweist Rezo auf einen Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 14. April. Darin heißt es: “Bisher jedoch verbietet das NRW-Schulministerium Atemmasken und Einweg-Handschuhe”. Dies gehe aus einer Mail an alle Schulleitungen hervor.

Dem widerspricht das nordrhein-westfälische Schulministerium jedoch: Auf Anfrage von BR24 heißt es: “Mit keiner der 15 Schulmails, in denen das Schulministerium die Schulen und Schulträger in Nordrhein-Westfalen über die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus informiert hat, wurde den Lehrkräften das Tragen von Atemschutzmasken untersagt.” Vom vorläufigen Verzicht auf eine Maskenpflicht sei nicht auf ein Maskenverbot zu schließen.

An Bayerns Schulen besteht, wie das Kultusministerium mitteilt, “keine Maskenpflicht, aber auch kein Maskenverbot”. Kultusminister Michael Piazolo hält Masken in ganz bestimmten Situationen für angemessen, etwa beim Ankommen im Schulgebäude oder dem Toilettengang. Für Schüler gelte, sofern sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, ohnehin eine Maskenpflicht. In den Schulgebäuden habe man dagegen bewusst Bedingungen geschaffen, wo ein Sicherheitsabstand eingehalten werden könne und müsse, so Piazolo weiter: durch Einzeltische, mindestens vier Quadratmeter Platz pro Schüler und das Verbot von Gruppenarbeiten. “Trotzdem kann es in der Schule Situationen geben, die sollte es nicht geben, wo man sich näher kommt.“ Das Ministerium werde daher versuchen, nicht nur den Lehrkräften, sondern auch allen Schülern Alltagsmasken zur Verfügung zu stellen, sofern diese keine haben. Die Auslieferung habe am Freitag begonnen, so ein Sprecher des Ministeriums. Ein Unterricht mit Masken sei aber kaum durchführbar. Eine allgemeine Maskenpflicht an Schulen werde es nicht geben.

Das Robert-Koch-Institut nennt neun Maßnahmen, die für Bildungseinrichtungen besonders wichtig sind. An erster Stelle: die Hygieneregeln wie konsequentes Händewaschen, Einhalten der Husten- und Niesetikette, keine gemeinsamen Trinkflaschen, regelmäßiges Lüften und eine gründliche Reinigung des Raumes. Direkt darunter gelistet wird das Einhalten der Abstandsregeln. Zum “Mund-Nasen-Schutz” heißt es: Er “kann dazu beitragen”, Übertragungen zu reduzieren.

Rechtfertigt die “Heinsberg-Studie” die Lockerungen?

Rezo argumentiert in seinem Video: Dass die Maßnahmen funktionierten hätten (ein #Faktenfuchs erklärt, was die Ausgangsbeschränkungen brachten), sei kein Grund, sie nun zu lockern. Und: Er habe kaum Begründungen dafür finden können, die Abi-Prüfungen jetzt stattfinden zu lassen.

Bei seiner Suche nach Argumenten sei er, sagt Rezo, auf lediglich zwei gestoßen, die “teilweise auch angeführt werden”. Das erste laute so: Die Maßnahmen funktionierten gut, und es gebe da eine Studie, die sage, wir könnten lockern, und deshalb sei es doch kein so großes Problem.

Rezo meint die sogenannte Heinsberg-Studie. Er sagt allerdings nicht spezifisch, wer auf Grundlage der Heinsberg-Studie für Lockerungen argumentiert habe - er benennt weder eine konkrete Landesregierung noch die KMK. Letztere führt in ihrem Beschluss, die Abiturprüfungen stattfinden zu lassen, keine Begründung an.

Auf Nachfrage von BR24 teilte die KMK mit, die Minister und Senatoren hätten ihre Entscheidung auf die Risikobewertung des Robert-Koch-Institutes (RKI) gestützt: “Alle Maßnahmen wurden und werden in den Ländern in enger Abstimmung mit den verantwortlichen Gesundheitsbehörden getroffen”, schrieb ein Sprecher. “Die Länder haben klare Vorgaben für die Schulen und Schülerinnen und Schüler erarbeitet und natürlich dabei immer deren Gesundheit prioritär im Blick.”

Rezo aber betont, dass es nach der Veröffentlichung von Zwischenergebnissen der “Heinsberg-Studie” zahlreiche Medienberichte gab, die sie so interpretierten, als würden sie Hoffnung auf Lockerungen machen. Das ist richtig.

Während Rezo explizit sagt, dass man nicht behaupten könne, die Zwischenergebnisse der Studie stimmten nicht, so stellt er auch fest: Die Studie tauge eben deshalb nicht als Rechtfertigung für Lockerungen auf Länderebene. Er verweist dabei auf die aktuelle Folge von maiLab, gemacht von Mai Thi Nguyen-Kim für funk (ARD und ZDF). Die Wissenschaftsjournalistin erklärt in ihrem Video, warum die irreführenden Medienberichte auch mit der mangelhaften Kommunikation zur Repräsentativität der Studien-Zwischenergebnisse zu tun habe. Den Schluss, Lockerungen seien epidemiologisch in Ordnung, hingegen ließen sie nicht zu.

Zur Kritik an der Studie fasste auch der BR einiges zusammen, in dem Artikel stehen auch weitere Details zur Repräsentativität.

Rezo erklärt mit Hilfe von maiLab schlüssig, warum die Befürworter von Lockerungen, die das mit der Heinsberg-Studie zu belegen versuchen, nicht recht haben. Dabei umgeht er es rhetorisch aber, konkret zu benennen, wer sich eigentlich auf die Heinsberg-Studie beruft, um Lockerungen zu rechtfertigen. So könnte der Eindruck entstehen, dass Entscheidungsträger ihre Beschlüsse aufgrund dieser Studie getroffen hätten. Das ist derzeit aber nicht belegbar.

Haben Schüler Nachteile, wenn ein Bundesland sich gegen Prüfungen entscheidet?

Das zweite Argument, das Rezo bei den Befürwortern von Abi-Prüfungen fand: Schülern sollen keine Nachteile daraus erwachsen, keine Prüfungen ablegen zu können. So argumentiert aber zum Beispiel NRW-Ministerpräsident Laschet, mit dem Rezo gesprochen hat: Wenn nur NRW ein Durchschnittsabitur einführt, das sich allein aus den schon erbrachten Leistungen ergibt und nicht auch aus den Abiturprüfungen, dann könnte es passieren, dass dieses Abitur in anderen Bundesländern hinterher nicht anerkannt werde.

Der größte Teil des Abiturs werde ohnehin nicht durch die Prüfungen erbracht. Damit hat Rezo Recht: Zwei Drittel der Abiturdurchschnittsnote errechnen sich aus den Noten in den vier Halbjahren vor der Prüfung. Ein Drittel bilden die Leistungen in den Fächern der Abiturprüfung. Das bestätigt die Kultusministerkonferenz auf Anfrage von BR24. Ein Drittel ist nicht der Großteil - es ist aber auch nicht unbedingt wenig.

Ein Sprecher des Bayerischen Kultusministeriums weist daher noch auf einen anderen Punkt hin. Viele Schüler würden die Prüfungen gerne nutzen, um den bisherigen Durchschnitt noch einmal zu verbessern. In Bayern etwa trägt deshalb der Landesschülerrat die Entscheidung mit, die Abiturprüfungen schreiben zu lassen - allerdings mit dem Hinweis, dass man sie ganz absagen sollte, wenn das “aus Gründen des Infektionsschutzes nötig sein sollte”. Eine Mehrheit der bayerischen Schülerinnen und Schüler habe sich in einer Erhebung gegen eine weitere Verschiebung der gymnasialen Prüfungen ausgesprochen, heißt es in einer Pressemitteilung des Landesschülerrats. Das ist eine Perspektive, die Rezo völlig außer Acht lässt.

Rezo argumentiert weiter: Die Sorge vor Nachteilen sei unbegründet. Er belegt diesen Punkt mit Hilfe eines Schulrechtsexperten. Der KMK-Beschluss sei nicht bindend, ohnehin interessiere sich keine Uni dafür, “wer jetzt in welchem Jahr in welchem Bundesland Abitur gemacht hätte”. Außerdem gebe es noch das Hamburger Abkommen, in dem sich die Länder darauf geeinigt hätten, Bildungsabschlüsse gegenseitig anzuerkennen. Rezo nennt das “eine krassere rechtliche Grundlage” als den KMK-Beschluss. Im Zweifel stünde es den Bundesländern also gar nicht frei, ein Durchschnittsabitur nicht anzuerkennen.

Womit Rezo recht hat: Der KMK-Beschluss ist nicht bindend, die Bildungshoheit liegt bei den Ländern. Aber genau das ist auch der Punkt: Dass es den Universitäten derzeit tatsächlich egal ist, wer wie wo Abitur gemacht hat, hängt damit zusammen, dass sich die Länder im Rahmen der KMK um eine gewisse Vergleichbarkeit bemühen. Fängt nun jedes Bundesland an, sich über die gemeinsamen KMK-Beschlüsse hinwegzusetzen, könnte es mit der gegenseitigen Anerkennung auch irgendwann wieder vorbei sein.

Michael Wrase, Professor für Verwaltungsrecht und Experte für Bildungsrecht am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, hält die Argumentation mit dem Hamburger Abkommen deshalb für "nicht stichhaltig". Denn: Das Hamburger Abkommen nimmt selbst auf die KMK Bezug. In § 17 Absatz 1 heißt es dort: "Die Erteilung der Zeugnisse erfolgt nach Richtlinien der KMK." Die Vereinbarungen der KMK sind also die Grundlage dafür, dass die Länder das Abitur gegenseitig anerkennen.

Wenn die KMK nun also entschied, dass Abiturprüfungen geschrieben werden sollen, dann könnten sich Länder gegenüber Abweichlern genau darauf berufen. "Nicht-Anerkennung wäre natürlich ein krasser Schritt", urteilt Wrase. "Abweichung aber auch. De facto haben also einzelne Bundesländer keine sinnvolle Möglichkeit, von dem Beschluss der KMK abzuweichen."

Zusammengefasst heißt das: Ja, theoretisch könnte ein Bundesland sich über den KMK-Beschluss hinwegsetzen. Nur ist keineswegs klar, ob die Schüler nicht doch Nachteile zu befürchten hätten. Keiner kann derzeit sicher sagen, wie die Universitäten anderer Bundesländer mit einem "Abweichler-Abi" umgehen würden. Schlägt nur ein Bundesland diesen Weg ein, dann wären die Schüler dort womöglich die einzigen, die ein "Corona-Durchschnittsabitur" geschrieben hätten. Damit den Schülern sicher keine Nachteile erwachsen, müssten sich alle Bundesländer darauf einigen, ein Durchschnittsabitur gegenseitig anzuerkennen. Und das bedeutet: einen neuen KMK-Beschluss.

Und: Die Nicht-Anerkennung des Abiturs ist nicht die einzige mögliche Konsequenz. Universitäten könnten sich auch dafür entscheiden, Bewerber mit Durchschnittsabitur schlechter zu bewerten oder bei der Zulassung anders einzustufen. Ob dies passieren würde, so Wrase, sei eine offene Frage: "Aber für ausgeschlossen halte ich das nicht."

Fazit: Rezos Video zu Abiturprüfungen in der Coronakrise ist eigentlich ein Kommentar. Trotz der Liste mit Quellenangaben (die allerdings zum Teil keine Primärquellen sind), lässt Rezo Argumente, die gegen seine Meinung sprechen, unerwähnt - wie etwa die Tatsache, dass es durchaus Schüler gibt, die jetzt ihr Abitur schreiben wollen. Viele der Argumente, die er gegen die Schulöffnung sammelt, sind richtig oder teilweise richtig. Andere Argumente sind schwer zu be- oder widerlegen, da sie eher emotionale Aussagen treffen, die nicht quantifizierbar sind, wie die Beschreibung des psychischen Drucks für Schüler und Lehrer. Ebenfalls schwer zu be- oder widerlegen ist, ob Jugendliche Abstand halten können. Einige Argumente stellen eine Schwarz-Weiß-Zeichnung dar, wie die Beschreibung der hygienischen Zustände an Schulen. Falsch ist die mit einer Zeitungsquelle belegte Behauptung, dass es Lehrern in NRW verboten gewesen sei, Masken zu tragen.

Wenn Rezo Argumente für die Gegenseite anführt, dann nur, um sie dann ebenfalls zu widerlegen. Auch dabei führt er teils richtige Argumente an - wie etwa die Kritik an der Interpretation und Kommunikation der sogenannten Heinsberg-Studie. Andere seiner Argumente sind zumindest fragwürdig. So ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar, welche Konsequenzen es für die Anerkennung des Abiturs hätte, wenn ein Land sich entscheiden würde, auf eigene Faust ein Durchschnittsabitur zu verleihen.

Korrekturen vom 25. April, 9.00 Uhr: Die Aussage, dass in NRW Schüler, die vor Abschlussprüfungen stehen, selber entscheiden können, ob sie ab 23. April wieder zur Schule gehen, wurde dahingehend geändert, dass dies nur für Abiturienten gilt. Zu Rezos Argument der psychischen Belastung haben wir den Einstieg und das Fazit ergänzt.

Korrektur vom 25. April, 12.05 Uhr: Wir haben im Einstieg präzisiert: "Risiko für die psychische Gesundheit".

Korrektur vom 25. April, 12.35 Uhr: Der Punkt, an dem Rezo Aussagen eines Rechtsexperten heranzieht, ist die Sorge um Nachteile eines Durchschnittsabiturs, und nicht die Aufschlüsselung, welchen Anteil die Noten vor der Abi-Prüfung und die Noten in der Prüfung haben.

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