Eine Klarsichtmaske und ein Plastikvisier
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#Faktenfuchs: Warum Klarsichtmasken umstritten sind

#Faktenfuchs: Warum Klarsichtmasken umstritten sind

Plastikmasken mit Spalt zwischen Gesicht und Maske werden derzeit viel debattiert. Doch eignen sie sich als Mund-Nasen-Bedeckung? Und wie ist das mit den Aerosolen? Ein #Faktenfuchs.

Sie sind aus Stoff, aus Vlies, doppelt genäht oder mit Filter versehen - und manche sind gar aus Plastik: Viele verschiedene Alltagsmasken sind wegen der Corona-Pandemie auf dem Markt. Doch angesichts noch immer hoher Infektionszahlen machen sich einige Menschen Sorgen, dass Behörden unzulängliche Mund-Nasen-Bedeckungen zulassen. In unserem Social Listening fiel uns auf, dass es besonders um ein Produkt aus Plastik Aufregung gibt, das zwar einen deutlichen Spalt zwischen Haut und Maske frei lässt, aber dennoch den - vagen - Vorgaben in Bayern entspricht.

Eine Frau zum Beispiel postete auf der Plattform Reddit, auf der registrierte Benutzerinnen und Benutzer Inhalte einstellen können, einen Kommentar, in dem sie sich daran störte, dass in Regensburg nun Masken aus durchsichtigem Plastik einer bestimmten Firma zugelassen seien, die nicht bündig mit der Haut abschließen. Auch eine Kinderärztin aus dem Landkreis Miesbach beklagt auf Twitter wiederholt die Verbreitung der Klarsichtmasken, die sie als Gefahr ansieht.

Warum die Aufregung?

Das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) stuft die Klarsichtmasken als "Mund-Nasen-Bedeckung" (MNB) ein, nach der Definition der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung im Freistaat. Diese Definition erschöpft sich allerdings in dem Wort selbst. Und das Gesundheitsministerium (StMGP) folgt dieser Einschätzung. Auch im Arbeitsschutz könne die Klarsichtmaske verwendet werden. Doch zum Beispiel die Landeshauptstadt München hält das Produkt für den Arbeitsschutz ungeeignet und akzeptiert sie nicht für ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (zu lesen in der Dienstanweisung. Es gibt also deutliche Unterschiede im Umgang mit diesen Klarsichtmasken.

Warum brauchen wir Masken - und warum transparente Masken?

Das neuartige Coronavirus ist auch über die Atemluft ansteckend, über sogenannte pathogene Aerosole. Es verbreitet sich also nicht nur über Tröpfchen von Speichel und Nasensekret, die wir beim Husten, Niesen und Sprechen ausstoßen, sondern auch über die sehr viel kleineren Aerosole, die beim Ausatmen entstehen. Das Ansteckungsrisiko besteht auch, wenn man noch keine Krankheitssymptome hat oder gar keine entwickelt. Mund-Nasen-Bedeckungen, also Alltagsmasken, bieten davor einen gewissen Schutz - auch wenn sie keine medizinischen Masken sind (Genaueres erklärt dieser BR24-Artikel). Denn die Masken halten wirkungsvoll die größeren Tröpfchen auf und die Aerosole werden zumindest umgelenkt, so dass keine Aerosolwolken entstehen, die gegenüberliegende Personen unmittelbar treffen könnten. So erklärt es Martin Kriegel, Leiter des Hermann-Rietschel-Instituts der TU Berlin, der an der Ausbreitung von Aerosolen forscht.

Für Gehörlose ist es aber wichtig, die Mimik ihrer Gesprächspartner lesen zu können - die jedoch hinter undurchsichtigen Mund-Nase-Bedeckungen verschwindet. Auch in Kitas oder Pflegeheimen sind die Menschen darauf angewiesen, dass ihre Gesichtsausdrücke zu erkennen sind. In der Gastronomie sei außerdem das stundenlange Tragen von Masken sehr anstrengend, heißt es aus der Branche - aus der auch der Hersteller der umstrittenen Masken kommt. Zudem wolle man Gästen ein Lächeln zeigen.

Wieso kursiert ein Schreiben des Ministeriums über die Klarsichtmasken?

Im Juni war der Geschäftsführer des Herstellers der umstrittenen Klarsichtmasken, der auch Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) seines Landkreises ist, laut Medienbericht bei Gesundheitsministerin Huml, um ihr seine Klarsichtmasken vorzustellen. Mit dem Artikel wirbt der Hersteller auch auf seiner Webseite. Das Ministerium wiederum sagt: Eine persönliche Aussprache zu dem Thema zwischen Ministerin und Hersteller habe nicht stattgefunden. Im Juli bestätigten zuerst das LGL und dann das StGMP dem DEHOGA in einem Schreiben, das im Netz kursiert, die Eignung als Mund-Nasen-Bedeckung - womit der Hersteller auch wirbt.

Das Gesundheitsministerium betont in einer Antwort auf eine Mail-Anfrage des #Faktenfuchs, dass die betreffenden Masken nicht auf ihre Schutzfunktion getestet wurden - der Test des LGL habe nur ergeben, dass das Produkt dem Begriff Mund-Nasen-Bedeckung entspreche. Das Ministerium betont außerdem, es gebe keine Empfehlungen für einzelne Produkte ab.

Das Schreiben an die DEHOGA beschreibt allerdings die Einzelprüfung dieses speziellen Produkts. Es wird darin auch als für bestimmte Zwecke möglicherweise "dienlich" bezeichnet und als "Alternative zur Community Maske". Auf seiner Webseite wirbt der Hersteller mit den Worten "in Bayern als MNB anerkannt" und wirbt mit den FAQ des Ministeriums als Bestätigung für die Eignung.

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Foto eines Schreibens des bayerischen Gesundheitsministeriums an den Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband.

Was ist rechtlich im Alltag erlaubt in Bayern?

Für medizinische Masken oder Masken für den Arbeitsschutz (zum Beispiel FFP-Masken) gibt es Prüfnormen. Für Alltagsmasken gibt es sie nicht. Auch die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung im Freistaat macht keine Angaben dazu, wie eine Maske auszusehen oder zu funktionieren hat, um als Maske im Alltag oder im Arbeitsbereich zu gelten. Es wird keine bestimmte Beschaffenheit - etwa zu Material, Stoffdichte, Größe, Form und Tragweise - gefordert. In der Verordnung steht lediglich, es sei - in bestimmten Situationen - eine "Mund-Nasen-Bedeckung" zu tragen. Diesen Begriff nehmen das bayerische Gesundheitsministerium und das LGL wörtlich: Eine Maske müsse die Nase und den Mund bedecken, dann sei sie rechtlich geeignet. Mehr Vorgaben allerdings gibt es nicht.

In einem FAQ auf der Webseite des Gesundheitsministerium führt die Behörde aus: Gesichtsvisiere erfüllen diese Vorgaben nicht. Klarsichtmasken jedoch schon. Als ausreichende Bedeckung definierte es die Fachabteilung im Gesundheitsministerium, "wenn die Mund-Nasen-Bedeckung entweder umlaufend und bündig an der Haut anliegt oder wenn ein Spalt zwischen Mund-Nasen-Bedeckung und der Haut freigelassen wird, der nur so groß ist, dass ein bequemes Atmen möglich ist". Deshalb, so argumentieren das Gesundheitsministerium und das LGL, entsprächen auch solche Klarsichtmasken der Verordnung, die nicht zu 100 Prozent umlaufend und bündig an der Haut anliegen. Soweit die rechtliche Lage für den Alltagsbedarf in Corona-Zeiten. Doch über die Wirksamkeit gegen die Ausbreitung von Aerosolen - über die medizinische Seite - ist damit noch nichts gesagt.

Das LGL prüfte die Klarsichtmasken auf Basis eines Videos, das der Hersteller selbst ohne wissenschaftliche Bedingungen erstellte. Einen Test, wie stark und in welche Richtung Aerosole verbreitet werden, gibt es nicht. Das Video des Herstellers, das BR24 vorliegt, zeigt eine Schaufensterpuppe. Durch diese leitet ein Schlauch offenbar einen Luftstrom (der selbst nicht sichtbar gemacht ist) auf angezündete Kerzen. Die Kerzen werden unter und neben die Maske geführt und gehen nicht aus. Ob der Luftstrom zu diesem Zeitpunkt an ist, ist nicht überprüfbar. Dieses Video entstand - auch laut Hersteller - nicht unter Laborbedingungen oder nach wissenschaftlichen Standards.

Es ist in dem Video nicht eindeutig zu erkennen, wohin genau der Luftstrom geleitet wird. Ebenso ist nicht zu erkennen, welche Geschwindigkeit der Atemstrom hat und ob sie beim Husten oder Niesen tatsächlich reduziert wird (es wird weder gehustet noch geniest im Video). Beides bestätigt das LGL jedoch dem DEHOGA. Die Bedingungen wurden auch nicht für die Prüfung wiederholt. Über Aerosole kann auf Basis des Videos keine Aussage getroffen werden, wie der Hersteller selbst in einer Mail an den #Faktenfuchs erklärt. Zunächst aber noch zum zweiten Bereich: dem Arbeitsplatz.

Was ist mit dem Arbeitsschutz?

Für Masken im Arbeitsschutz gibt es Prüfnormen. Aber in Bayern können - laut Gesundheitsministerium - im Arbeitsschutz auch Alltagsmasken ohne Produktnorm getragen werden - also auch die umstrittenen Klarsichtmasken, zumindest laut der FAQ des Gesundheitsministeriums (Stand 1.12.2020).

Noch vor einigen Wochen beantwortete das Gesundheitsministerium eine Anfrage über das Portal "Frag den Staat" so:

"Sofern eine Mund-Nasen-Bedeckung gemäß Gefährdungsbeurteilung (nach ArbSchG) erforderlich ist, muss diese gemäß der v. g. Regel eine Filterfunktion haben. Daher müssen z. B. durchfeuchtete Mund-Nasen-Bedeckungen auch gleich ausgetauscht werden." Bayerisches Gesundheitsministerium auf eine Anfrage über "Frag den Staat"

Eine Klarsichtmaske könne in diesem Fall grundsätzlich nicht akzeptiert werden. Zugleich aber heißt es dort: In Hotel- und Gaststätten entsprächen die Klarsichtmasken etwa dann der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, "wenn aufgrund der Rahmenbedingungen (z. B. ausreichende Be- und Entlüftung, Abstand, etc.) keine Mund-Nasen-Bedeckung erforderlich wäre, aber das Infektionsschutzrecht eine Maske vorschreibt."

Das Gesundheitsministerium war auch auf Nachfrage bis zur Veröffentlichung des Textes nicht in der Lage, den Widerspruch aufzuklären.

Zwar definiert die Bundesagentur für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) Mund-Nase-Bedeckungen strenger als die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in Bayern: Dort sind das textile Bekleidungsgegenstände, die mindestens Nase und Mund bedecken und die geeignet sind, die Geschwindigkeit des Atemstroms oder des Speichel-, Schleim-, Tröpfchenauswurfs deutlich zu reduzieren. Die Länder und Arbeitgeber können aber von der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzregel abweichen, sofern sie in Absprache mit den verantwortlichen Behörden das gleiche Schutzniveau gewährleisten. Deshalb sieht man zum Beispiel Verkäufer hinter Plexiglasscheiben - ohne Maske.

Für das Tragen von Alltagsmasken - in Bayern also auch für den Arbeitsplatz - empfiehlt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte jedoch dringlich:

"Die Maske muss richtig über Mund, Nase und Wangen platziert sein und an den Rändern möglichst eng anliegen, um das Eindringen von Luft an den Seiten zu minimieren."

Warum akzeptiert München die Klarsichtmasken nicht?

Genau wegen der Arbeitsschutzregel der baua und der Empfehlungen des BfARM wendet sich zum Beispiel die Landeshauptstadt München gegen die Aussagen von Gesundheitsministerium und LGL.

In der Dienstanweisung des Münchner Personal- und Organisationsreferenten zum Schutz der städtischen Beschäftigten vor Infektionen durch den neuartigen Corana-Virus SARS-CoV-2 (abrufbar hier) steht ausdrücklich, dass die Stadt für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Plastik- und Klarsichtmasken nicht akzeptiert.

"Wieso der Freistaat Bayern eine Klarsichtmaske infektionsschutzrechtlich und mittlerweile auch arbeitsschutzrechtlich als geeigneten Ersatz für eine textile MNB sieht, kann ich nicht nachvollziehen." Michael Birkhorst, Leitende Fachkraft für Arbeitssicherheit der Stadt München

Zwar milderten solche Masken den Atemausstoß nach vorne ab, aber sie seien unten offen. Insbesondere im Kitabereich könnte zum Beispiel beim In-den-Arm-Nehmen eine größere Gefährdung entstehen als bei einer bündig abschließenden Stoffmaske. Auch Kellner in der Gastronomie stünden direkt über den sitzenden Gästen. Eine wissenschaftliche Untersuchung dazu gibt es noch nicht.

Zurück zu den Aerosolen

Das Problem, das dem Bedürfnis von Gehörlosen oder Gastronomen entgegensteht: Mund-Nasen-Bedeckungen sollen eben verhindern, dass Aerosole von infizierten, aber möglicherweise symptomfreien Menschen in den Raum gelangen - und sich dadurch andere anstecken.

Einige transparente Produkte können das jedoch nicht leisten. Zum Beispiel Face Shields, also Gesichtsvisiere, bei denen lediglich ein Plastik-Schild vor Mund und Nase steht, die Atemluft aber außen herum frei herausströmen kann - und auch die Atemluft anderer zur TrägerIn hin. Darin sind sich auch zum Beispiel bayerisches Gesundheitsministerium und die Landeshauptstadt München einig. Aber auch bei Klarsichtmasken, die zwar enger anliegen, aber an den Rändern eine deutliche Lücke zum Gesicht lassen, kann die ausgeatmete Luft seitlich und nach unten entweichen. Das luftundurchlässige Material filtert die Luft nicht. Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium etwa betrachtet diese transparenten Kunststoffmasken nicht als gleichwertig mit einer Mund-Nasen-Bedeckung.

Dominic Dellweg vom Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft GmbH, dem Akademischen Lehrkrankenhaus der Philipps-Universität Marburg, sagt dazu:

"Masken haben die Eigenschaft, in Abhängigkeit von ihrer Filterleistung Aerosolpartikel abzufiltern. Schutzschilde aus luftundurchlässigen Materialien haben diese Eigenschaft nicht. Schutzschilde lenken zwar den Luftstrom um und verhindern, dass die Aerosole unmittelbar auf mein Gegenüber zuströmen, allerdings verhindern sie nicht, dass die volle Aerosoldosis in den Raum gelangt. Auch bei der Einatmung filtern sie keine Aerosole ab. Sie bieten damit weder einen Fremd- noch einen Selbstschutz und können daher nicht empfohlen werden."

Auch im Bayern 2-Tagesgespräch wurden die Masken bereits debattiert (ab ca. Min. 41:30) - ebenfalls mit dem Schluss, dass die Masken, die nach unten offen sind, keinen Infektionsschutz bieten.

Fazit:

Plastikmasken, die einen Spalt zwischen Haut und Maske frei lassen, sind umstritten. Ihre Wirksamkeit für den Bevölkerungsschutz in Corona-Pandemie-Zeiten ist nicht belegt. Während das Gesundheitsministerium in Bayern sie derzeit für den Arbeitsschutz-Bereich und den Alltag als Mund-Nasen-Bedeckung geeignet sieht, hält die Landeshauptstadt München sie für ungeeignet. Plastikmasken habe keine Filterfunktion und verhindern nicht, dass die Aerosoldosis in den Raum dringt.

Anmerkung der Redaktion: Diesmal haben wir auf Verlinkung einiger Originalquellen verzichtet, um die Firma nicht identifizierbar zu machen.

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11. Dezember, 8.16h: Wir haben im Absatz zur Chronologie Ergänzungen vorgenommen. Wir haben die Quelle "laut Medienbericht" ergänzt - ebenso wie die Stellungnahme des Ministeriums, dass ein persönlicher Austausch zwischen Ministerin und Hersteller nicht stattgefunden habe.