Die USA haben 2021 mehr als drei Viertel ihres Erdgases aus Fracking gewonnen und sich damit unabhängig Gas aus dem Ausland gemacht. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nennt die USA in dieser Hinsicht als positives Beispiel und wünscht sich, Fracking auch in Deutschland "ergebnisoffen" prüfen zu lassen. Zwar stehen diesem Wunsch sowohl der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) sowie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eher skeptisch gegenüber. Aber der nächste Winter kommt bestimmt - und Deutschland droht eine Gasknappheit.
Wäre Fracking in Deutschland wirklich eine Möglichkeit, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren, indem man Fördermöglichkeiten für Erdgas im eigenen Land erschließt?
Fracking: Was ist das und wie funktioniert es?
Fracking ist eine Abkürzung und steht für "Hydraulic Fracturing". Es bezeichnet das Aufbrechen von Gestein im tiefen Untergrund, um an Erdgas oder an Öl zu gelangen.
Um auf herkömmliche Art und Weise Erdgas zu fördern, werden Hohlräume angebohrt, in denen Erdgas lagert. So lässt sich Erdgas relativ einfach nach oben an die Erdoberfläche bringen. Durch Fracking hingegen ließe sich Schiefergas fördern. Schiefergas sind Erdgasvorkommen, die eben nicht in Hohlräumen, sondern in Gesteinsschichten aus Schiefer, Quarz und Ton eingeschlossen sind.
Beim Fracking wird Wasser mit hohem Druck in den Erdboden gepresst. Dort erzeugt es viele kleine Risse, in die die Flüssigkeit eindringt. So werden tief unter der Erdoberfläche Klüfte erzeugt und das zuvor im Gestein eingeschlossene Gas kann nach oben an die Erdoberfläche befördert werden. Zur Stabilisierung der Risse wird Sand mit in die Tiefe gepumpt. Außerdem werden dem Wasser-Sand-Gemisch zahlreiche Chemikalien zugesetzt. Sie sollen unter anderem das Bohrgestänge vor Korrosion schützen und das Wachstum von Bakterien verhindern.
Eingeschlossenes Erdgas: Wie funktioniert unkonventionelles Fracking?
Beim Fracking wird zwischen konventionellem und unkonventionellem Fracking unterschieden. Beim konventionellen Fracking wird Sandstein angebohrt. Auch in Deutschland kommt diese Methode zum Einsatz - und das bereits seit mehreren Jahrzehnten.
Das unkonventionelle Fracking hingegen bezeichnet die Erdgasförderung aus Schiefergestein. Weil das Erdgas im Tonschiefer sehr fein verteilt ist, wird beim unkonventionellem Fracking nicht nur senkrecht hunderte Meter in die Tiefe, sondern auch zur Seite gebohrt. Wenn die Bohrung die relativ dünne Gesteinsschicht mit dem Gas erreicht hat, biegt die Spitze des Bohrkopfs waagrecht ab. Dann kann sie einige hundert Meter weiter geführt werden. Daher braucht man etwa ein Bohrloch pro Quadratkilometer. Fracking-Fördergebiete sind deshalb regelrecht mit Bohrtürmen gespickt. Eine andere Nutzung des Untergrunds, zum Beispiel für Geothermie, ist auf diesen Flächen nicht mehr möglich.
Wo in Deutschland und in Bayern wäre Fracking möglich?
In Bayern dürfte das Potenzial für Fracking eher gering sein. Theoretisch gibt es gewinnbare Flözgasvorkommen in den Pechkohlelagerstätten Südbayerns. Potenzielle Schieferöl- und Schiefergasvorkommen könnte es etwa in den Gebieten vom Bodensee im Westen bis zum Ammergebirge im Osten geben. Aber handfeste geologische Daten gibt es bislang hierzu noch nicht.
Mehr Potenzial für unkonventionelles Fracking gibt es im Norden Deutschlands, vor allem in Niedersachsen. 2016 hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe eine Studie zu diesem Thema veröffentlicht: Schieferöl und Schiefergas in Deutschland - Potenziale und Umweltaspekte. Diese Studie geht davon aus, dass die heutigen Fördermengen an Erdgas vervielfacht werden könnte, nennt aber keine genauen Zahlen. Vielleicht könne der jährliche Bedarf an Gas um das 3- bis 24-fache gedeckt werden.
Anhand dieser großen Bandbreite kann man erkennen, dass nicht genau erforscht ist, wie viel Erdgas durch unkonventionelles Fracking in Deutschland wirklich gefördert werden könnte - und wo.
Welche Gefahren birgt das Fracking für die Umwelt und die Bevölkerung?
Zunächst braucht man für das Fracking sehr viel Wasser. Dieses Wasser wird mit zahlreichen Chemikalien angereichert. Wenn dann die Bohrung erschöpft ist, wird der Druck unter der Erde wieder reduziert. Ein Teil des Wassers strömt daraufhin wieder nach oben. In den USA, wo Fracking schon häufig zum Einsatz kommt, wird es zunächst oft in großen Teichen gelagert. Anschließend wird das Wasser gereinigt und in natürliche Gewässer geleitet oder wieder in den Untergrund gepresst. Es gibt allerdings Befürchtungen, dass dabei das Grundwasser und die Böden verunreinigt werden könnten.
Das durch Fracking gewonnene Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan. Methan selbst ist ein hochpotentes Treibhausgas. Seit 2008 konnte weltweit ein zusätzlicher Anstieg des Methangehalts in der Atmosphäre beobachtet werden. Einige Studien kamen später zum Schluss, dass dies unter anderem auf das Fracking in den USA zurückzuführen ist. Denn Methan würde nicht nur aus Versehen durch Lecks in Leitungen oder Tanks entweichen, sondern auch gezielt bei Notfällen oder wenn Tanks und Kompressorstationen druckentlastet werden. Erdgas an sich ist bereits ein fossiler Brennstoff. Durch das Fracking aber könnte der Klimawandel noch zusätzlich befeuert werden.
Und schließlich wären noch die Erdbeben zu erwähnen, die durch Fracking ausgelöst werden können, etwa wenn das Bohrwasser wieder verpresst wird. Dass beim unkonventionellen Fracking kleinere Erdbeben ausgelöst werden, ist normal. Und normal wäre auch, wenn diese Beben nicht spürbar sein sollten. In den USA wurden aber auch schon Erdbeben mit einer Stärke von 4,0 auf der Richterskala im Zusammenhang mit Fracking registriert: Der erlaubte Grenzwert liegt dort bei 2,0. In Großbritannien wurde das Fracking in Nordengland im Jahr 2019 gestoppt, nachdem die Erdbeben dort mehrmals den Grenzwert überschritten hatten.
Welches Potential hat Fracking, um unsere Abhängigkeit von ausländischem Erdgas zu reduzieren?
Aufgrund all dieser Bedenken ist unkonventionelles Fracking in Deutschland seit 2017 verboten, vor allem aus Sorge um das Wasser. Deutschlandweit wären aber vier Probebohrungen zu wissenschaftlichen Zwecken in sogenannten unkonventionellen Lagerstätten von Erdgas erlaubt gewesen. Allerdings hat sich seitdem niemand darum bemüht, diese Probebohrungen durchzuführen. Fracking war seitdem politisch wie auch wirtschaftlich vom Tisch, auch weil es potenziell zu teuer ist.
Deshalb ist zu bezweifeln, dass Fracking kurzfristig als Mittel der Wahl taugt, um die Abhängigkeit Deutschlands vom ausländischen Erdgas zu reduzieren. Denn noch weiß man ja noch nicht einmal, wo und wie viel Schiefergas es in Deutschland tatsächlich gibt, und ob es wirtschaftlich wäre, dieses auch zu fördern. Da Deutschland in Sachen unkonventionelles Fracking quasi bei Null anfangen müsste, würde es sicherlich einige bis viele Jahre dauern, bis mit dieser Methode tatsächlich Erdgas gewonnen werden könnte - und das wäre viel zu spät, um eine akute Notlage zu lindern.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!