Einerseits ist es ja ganz angenehm, dass es nicht so bitter kalt ist, anderseits haben die milden Temperaturen aber auch Nachteile: Es beginnt die Leidenszeit der Pollen-Allergiker. Auftakt im Jahr machen Hasel und Erle und bescheren Allergikern die klassischen Heuschnupfen-Symptome wie triefende Nasen und juckende Augen. Je weiter das Jahr voranschreitet, desto mehr Pflanzen lösen Allergien aus.
Pollenzeit hat heuer schon begonnen, pollenfreie Zeit wird kürzer
Die Haselnuss blüht mancherorts schon seit Dezember, die Erle steht in den Startlöchern. "Das ist mittlerweile nichts Ungewöhnliches mehr", sagte Wolfgang Janssen, der Agrarmeteorologe vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach.
Blieben die Temperaturen weiterhin so mild, was zu erwarten sei, werden bereits am 25. Januar sämtliche Haselnusssträucher blühen und reichlich Pollen verteilen. Janssen verweist dabei auf den Klimawandel. In den 1990er-Jahren war das Durchschnittsdatum dafür der 10. Februar, davor sogar der 25. Februar.
Seit über 20 Jahren lässt sich der Trend beobachten, dass es eine immer kürzere pollenfreie Zeit im Winter gibt. Wenn Hasel und Erle abgeklungen sind, lässt der Allergikerschreck Birke nicht mehr lange auf sich warten. Die Birke sondert verglichen mit anderen Bäumen deutlich mehr Pollen auf einmal ab. Sie könnte schon Anfang März ihre Pollen verbreiten.
Pollen und Pollensaison verändern sich
Begünstigt werden längere Pollenflugzeiten durch Klimawandel und Umweltverschmutzung. Sie verschärfen das Problem der Heuschnupfen-Patienten und anderer Allergiker. Klassischerweise tritt Heuschnupfen zur Hauptblühperiode der Pflanzen auf, also im Frühjahr und Sommer. Weil die meisten Allergiker jedoch auf mehrere Pflanzenarten reagieren und weil sich die Pollenflugzeiten verlagern, können sich die Symptome auch von Februar bis Oktober hinziehen.
Aber nicht nur die Pollensaison hat sich ausgeweitet, sondern auch die Pollen selbst verändern sich. Durch Pflanzen wie die eingewanderte "Ambrosia artemisiifolia" gibt es neue, stark Allergie fördernde Pollen in Deutschland. Einige Pflanzenarten produzieren zudem laut Professorin Claudia Traidl-Hoffmann bei höherem CO2-Gehalt der Luft deutlich mehr Pollen.
Umweltschadstoffe wie Ozon, Feinstaub oder Stickoxide erhöhen zusätzlich das Allergiepotenzial der Pollen, machen diese aggressiver. Und sie wirken auch auf Menschen, indem sie zum Beispiel die Lunge empfänglicher für allergische Reaktionen (Asthma) machen. Eine Studie der TU München zeigt zudem, dass Pollen in Bayern teils von weit her transportiert werden und nicht-lokal sind. Ein Teufelskreis sich gegenseitig verstärkender Effekte. Die Studie zum Pollen-Transport in Bayern wurde am 25. Februar 2021 im Fachmagazin Frontiers in Allergy veröffentlicht.
Was ist Heuschnupfen eigentlich?
15 Prozent der Erwachsenen und neun Prozent der Kinder leiden Schätzungen zufolge im Laufe ihres Lebens an allergischer Rhinitis, im Volksmund "Heuschnupfen" genannt, so der Allergieinformationsdienst des Helmholtz Zentrums München. Und die Zahl der Betroffenen nimmt ständig zu. Forscher haben beobachtet, dass sich die Zahl der Heuschnupfen-Geplagten seit den 1990er-Jahren deutlich erhöht hat.
Heuschnupfen ist eine Überreaktion des Immunsystems auf eigentlich harmlose Pollen. Er gehört zum Allergie-Typ I, dem Soforttyp: Der Körper reagiert sofort, wenige Minuten nach dem Kontakt mit den Pollen von bestimmten Pflanzen und behandelt die eigentlich harmlosen Blütenpollen wie Krankheitserreger.
Er schaltet das Immunsystem auf Abwehr, sobald die Allergene auf die Schleimhäute treffen: Dann jucken, brennen und tränen die Augen, es kribbelt und kratzt im Hals, kitzelt in der Nase und es kommt zu Niesanfällen. Betroffene fühlen sich krank, leiden oft zusätzlich unter Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schlafstörungen.
Heuschnupfen kann bereits vor der eigentlichen Blüte auftreten
Das Gemeine am Heuschnupfen ist, dass sich allergische Reaktionen schon vor der eigentlichen Blütezeit bemerkbar machen können. Selbst wenn in der Luft noch keine Pollen gemessen werden, können Allergene in der Nähe der Bäume vorhanden sein.
Allergiker reagieren auf kleinste, für das menschliche Auge unsichtbare Eiweißstückchen im Pollenkorn. Diese Teilchen können sich auch vor dem Beginn der Blüte absondern und mit der Luft weitergetragen werden. Dafür muss man noch nicht einmal im Garten arbeiten oder im Park spazieren gehen.
Mediziner raten dringend, Heuschnupfen ärztlich behandeln zu lassen, denn bleiben die Beschwerden unbehandelt, kann daraus chronisches Asthma werden. Betroffene sollten sich bei Verdacht auf Heuschnupfen an einen Arzt wenden. Der kann die Allergie mithilfe eines Pricktests oder einer Blutuntersuchung feststellen.
Heuschnupfen-Behandlung: von Tabletten bis Desensibilisierung
Noch gibt es leider kein Allheilmittel bei der Behandlung von Heuschnupfen: Heuschnupfen-Geplagte müssen viel Energie aufbringen, die für sie geeignete Therapie zu finden. Medikamente gegen Heuschnupfen - sogenannte Antihistaminika - helfen, die schlimmsten Symptome zu lindern. Sie sollen die Wirkung des freigesetzten Histamins verhindern und die Entzündungsprozesse stoppen.
Die neueren Medikamente dieser Art weisen nur noch wenige Nebenwirkungen auf - wie zum Beispiel Müdigkeit, die in früheren Zeiten ein großes Problem war. Manche Antihistaminika wirken nur vorbeugend, das heißt, man muss sie einnehmen, bevor man mit den Pollen in Berührung kommt. Andere werden nur bei Bedarf eingenommen. Daneben gibt es Nasensprays und Augentropfen, um die schlimmste Pein zu lindern.
Auch wenn viele Antihistaminika nicht verschreibungspflichtig sind, empfiehlt es sich, einen Arzt, am besten einen Allergologen, aufzusuchen. Mit ihm kann man besprechen, mit welchen Mitteln die Symptome der Allergie behandelt werden, oder ob man versucht, mithilfe einer Hyposensibilisierung - auch Desensibilisierung genannt - die Allergie in den Griff zu bekommen. Dabei wird der Körper über viele Monate hinweg schrittweise an das Allergen gewöhnt.
So können Sie sich vor Pollen schützen
Eine Binsenweisheit ist, dass Allergiker alles tun sollten, um "ihre" Allergene so weit wie möglich zu meiden. Das heißt: Eine Radtour für Gräserpollenallergiker empfiehlt sich nicht, wenn die Pollen, auf die sie besonders reagieren, gerade verstärkt fliegen. Wann es wieder so weit ist und Betroffene sich wappnen sollten, lässt sich mithilfe der Pollenflugprognose des Deutschen Wetterdienstes, Pollenflug-Kalendern oder Pollenflug-Apps herausfinden.
Allergene zu meiden, geht natürlich nicht immer: Auch bei starkem Pollenflug kann ein Arbeitnehmer nicht zuhause bleiben. Er kann dann nur einige Tipps beherzigen, wie er sich so gut wie möglich vor den Pollen schützen kann.
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