Gähnender Braunbär - ist ein Braunbär inaktiv wird ein spezielles Protein herunterreguliert, das ihn vor Thrombose schützt.
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Inaktive Braunbären entwickeln einen körpereigenen Thrombose-Schutz. Die Erkenntnisse einer neuen Studie könnten auch bald Menschen helfen.

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Hilft die Forschung an Braunbären bald immobilen Menschen?

Hilft die Forschung an Braunbären bald immobilen Menschen?

Münchner Forscher haben winterschlafende Braunbären untersucht und festgestellt: Die Tiere entwickeln in ihrem Schlaf einen Schutzmechanismus, der sie vor Thrombosen bewahrt. Durch die Erkenntnisse soll es neue Therapien für immobile Menschen geben.

Von
Sylvaine von Liebe
Philip Artelt

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Dass Tiere im Winterschlaf viele ihrer Körperfunktionen herunterfahren, um auch bei strenger Witterung und Nahrungsknappheit zu überleben, ist bekannt. Der Braunbär gehört zwar nicht zu den echten Winterschläfern. Ab Oktober bis etwa Dezember hält er Winterruhe, schläft zwar, fällt aber nicht in einen tiefen Schlaf. Trotzdem konnte ein Forscherteam um Tobias Petzold, Kardiologe am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU), feststellen: Braunbären entwickeln in der Zeit ihrer Winterruhe einen Schutzmechanismus, der sie vor der Entwicklung von Thrombosen bewahrt. Mit den neu gewonnenen Erkenntnissen wollen die Forscherinnen und Forscher nun neue Therapien entwickeln, die Menschen, die sich wenig bewegen können - und so die Hauptrisikogruppe für die Entwicklung von Thrombosen sind - besser vor den häufig lebensgefährlichen Blutgerinnseln schützen sollen.

Warum Braunbären keine Thrombosen entwickeln

Warum entwickeln Braunbären während ihrer monatelangen Winterruhe, in der sie sich kaum bewegen, keine Thrombosen? Dieser Frage ging das Münchner Forscher-Team nach. Heraus kam: Im winterschlafenden Braunbärenkörper "wird die Interaktion zwischen den Blutplättchen und Entzündungszellen des Immunsystems gebremst", erklärt Tobias Petzold, federführender Wissenschaftler der Studie. Das verhindert die Entstehung der oft lebensgefährlichen Blutgerinnsel. Genau die gleichen Mechanismen konnten die Wissenschaftler schließlich bei querschnittsgelähmten Patienten nachweisen, die - nach der Akutphase der Verletzung - trotz ihrer Immobilität kein erhöhtes Thromboserisiko haben. Auch bei gesunden Probanden, die sich im Rahmen eines Versuchs der europäisch-deutschen und amerikanischen Raumfahrtbehörden (DLR und NASA) drei Wochen lang ins Bett legten, konnte das Münchner Forscherteam diesen körpereigenen Thrombose-Schutz feststellen.

Das Hitzeschockprotein 47 - maßgeblich für den Thrombose-Schutz

Um zu erfahren, wie dieser Schutz genau funktioniert, haben die Wissenschaftler um Petzold mithilfe der beiden Biochemiker Matthias Mann und Johannes Müller-Reif vom Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried 2.700 aktive Proteine in den Blutplättchen der Bären bestimmt und festgestellt: In seiner Winterruhe reguliert der Bär 71 Proteine hoch und 80 runter. "Das Blutplättchen-Protein mit dem größten Unterschied zwischen überwinternden und aktiven Bären war das Hitzeschockprotein 47, das in den überwinternden Bären um das 55-fache herunterreguliert war", erklärt der Wissenschaftler Müller-Reif vom MPI in einer Veröffentlichung zur Studie. Die Forscher konnten ebenfalls zeigen, dass die Herabregulierung des speziellen Proteins ein evolutionär konservierter Mechanismus zur Thromboseprävention bei verschiedenen Säugetierarten ist, wenn sie sich lange Zeit nicht bewegen - so zum Beispiel beim Braunbären, beim Schwein und auch beim Menschen.

Thrombosen: Wie neue Therapien gelingen könnten

Für die Wissenschaftler um Petzold bedeuten die Ergebnisse ihrer Studie: Für neue Therapien, die immobile Patienten vor Thrombosen schützen sollen, geht es vermutlich darum, das Hitzeschockprotein (HSP) 47 zu blockieren. Das könnte mit einem passenden Molekül gelingen, sagen die Forscher. Für Laborexperimente gebe es bereits sogenannte kleine Moleküle, die HSP47 ausschalten. Doch für einen möglichen Einsatz am Menschen eigneten sie sich nicht, heißt es in der Veröffentlichung der LMU zur Studie. "Deshalb", wird der Forscher Tobias Petzold zitiert, "wollen wir jetzt selbst nach entsprechend geeigneten Substanzen suchen."

So lief die Studie an Braunbären ab

Für ihre Studie waren die Münchner Forscher zweimal nach Mittelschweden gereist - einmal im Sommer und einmal im Winter. Seit gut zehn Jahren wird dort eine ganze Schar von Braunbären wissenschaftlich untersucht. Dank der GPS-Sender, die die Tiere tragen, konnten die Wissenschaftler die Tiere lokalisieren, haben sie betäubt, ihnen Blut abgenommen und sie sofort wieder in die Freiheit entlassen. Mittels eines mobilen Labors analysierte das Team um Tobias Petzold von der LMU innerhalb von drei bis vier Stunden die Blutproben.

Ein Braunbär
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Winterschlaf: Warum der Braunbär keine Thrombose bekommt

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