Pipeline in Alaska
Bildrechte: Moritz Langer/ Alfred-Wegener-Institut
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Trügerische Idylle: Eine Pipeline in Alaska. Der tauende Permafrost dort könnte auch für uns bald eine Gefahr sein.

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Industrieabfälle im Permafrost - nicht nur vor Ort eine Gefahr

Industrieabfälle im Permafrost - nicht nur vor Ort eine Gefahr

Die Arktis stellen sich viele Menschen als unberührte Natur vor. Doch das stimmt nicht. Wegen der vielen Bodenschätze gibt es dort zahlreiche Industrieanlagen. Taut das Eis weiter, werden im Boden lagernde Giftstoffe frei. Eine unterschätzte Gefahr.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Früher galt der Permafrost oder Dauerfrostboden in der Arktis als stabil. Betreiber von Ölfeldern, Bergwerken und anderen Industrieanlagen, die es in diesen Regionen wegen der vorhandenen Bodenschätze gibt, haben ihn für eine "natürliche Barriere gehalten, die eine Ausbreitung von Schadstoffen verhindert", wie Moritz Langer vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) es ausdrückt.

Doch seit einiger Zeit ändert sich das. Durch den Klimawandel taut das vermeintlich ewige Eis immer mehr, und damit auch der Permafrost. Die sommerliche Auftauschicht reicht tiefer, die "Tau-Saison" wird länger. Mit gefährlichen Folgen - nicht nur für die Arktis, die Natur und die Menschen dort. Auch für uns in Deutschland könnte die - wie man heute weiß - nachlässige Lagerung von giftigen Schadstoffen - Folgen haben: Die Giftstoffe könnten über die Fischerei in der Arktis "auch bei uns auf dem Teller landen", gibt der Permafrost-Experte Moritz Langer vom AWI zu bedenken. Um die Gefahren, die von Industrieanlagen in Permafrostgebieten ausgehen, besser einschätzen zu können, hat er die industriellen Aktivitäten mit einem internationalen Team genauer untersucht und darüber mit dem Bayerischen Rundfunk gesprochen.

Permafrost in der Arktis und die Lagerung der Industrieabfälle

Damit Schadstoffe nicht im Grundwasser oder dem nächsten Fluss landen, werden in Deutschland Abfalldeponien von unten stets mit speziellen Folien abgedichtet. In der Arktis hat man auf eine solche Schutzmaßnahme verzichtet. Bergbaubetriebe haben zum Beispiel sogenannte Bohrschlämme ohne weitere Abdichtung im Permafrost gelagert, weil sie eben auf die Dichtigkeit des teils hunderte Meter tief dauerhaft gefrorenen Bodens vertraut haben.

Die Bohrschlämme enthalten allerdings Substanzen, die verhindern sollen, dass der Bohrer im Boden steckenbleibt. Und das waren bis in die 1980er-Jahre Kerosin oder Diesel, später Salz und andere Chemikalien. Welche Substanzen die Betreiber genau verwendet haben, darüber sei die Dokumentation in diesem Gebiet "sehr dürftig", sagt Moritz Langer vom AWI. Er und sein Team gehen aber davon aus, dass "diese Bohrschlamm-Sümpfe, die dort entstanden sind, tatsächlich toxisches Material beinhalten".

Die Lagerung von toxischem Material wie Salze, Kerosin, Diesel und anderen Chemikalien, die man noch nicht einmal alle kennt, sind dort für die indigene Bevölkerung besonders gefährlich. Schließlich ist sie für ihre Ernährung stark auf Fischfang und Jagd angewiesen.

Lagerung der Industrieabfälle im Permafrost von Nordamerika

In den Permafrostgebieten der USA und Kanada müssen die Abfälle zwar seit den 1990er-Jahren dokumentiert und für 30 Jahre überwacht werden. Für den Schutz von Mensch und Natur helfe das aber wenig, gibt Moritz Langer vom AWI zu verstehen. Wenn die Überwachungspflicht endet und der Permafrost weiter auftaut, muss sich die Allgemeinheit um die Schäden kümmern.

Rund 4.500 Industriestandorte in der Arktis - mit Schadstoffen

Langer und sein Team konnten allein in der Arktis anhand frei verfügbarer Daten wie dem Online-Kartendienst OpenStreetMap und anhand der Dokumentationen aus Nordamerika rund 4.500 Industrie-Standorte ausmachen. Anlagen, an denen potentiell giftige Stoffe auf Permafrost lagern können. Und jedes Jahr kommen immer noch neue Anlagen hinzu. Neben Diesel, Kerosin und Benzin sind Blei, Arsen und Quecksilber die häufigsten Schadstoffe in den Deponien.

Ein weiteres Problem: Auch schadstoffbelastetes Abwasser entsteht in den Anlagen, wie zum Beispiel in der Red Dog Mine, der weltweit größten Zinkmine. Der Abtransport des Abwassers ist vor allem aus finanziellen Gründen kaum machbar. Er wäre zu teuer und der auftauende Permafrost würde den Transport zusätzlich erschweren.

Permafrost in Sibirien: Daten von Industrieanlagen unvollständig

Auch die Industrieanlagen in Sibirien, dem größten Gebiet der Arktis, haben Langer und sein Team untersucht. Dafür war man allerdings auf Medienberichte und andere frei verfügbare Daten angewiesen. Vieles werde dort geheim gehalten oder nicht veröffentlicht, sagt Volker Rachold, Leiter des Deutschen Arktisbüros am AWI, im BR-Interview. Das "Potenzial" sei dort wohl noch größer, "als das, was man jetzt schon weiß".

Aus Medienberichten wusste man zum Beispiel, was bei einer Hitzewelle im Mai 2020 bei einer Nickelhütte in Norilsk, einer zur russischen Region Krasnojarsk gehörenden Großstadt, passierte: Der Boden gab nach, ein Tank stürzte um, 21 Millionen Liter Diesel liefen in einen nahegelegenen Fluss.

Der Arktische Rat und die Auswirkungen des Ukraine-Krieges

Um die Welt besser vor den Folgen des tauenden Permafrosts zu schützen, hoffen die Wissenschaftler auf die Funktionsfähigkeit des Arktischen Rates - ein Zusammenschluss aller Arktis-Anrainer-Staaten, mit dem man unter anderem versucht, die Folgen des Klimawandels besser zu bewältigen. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist die Arbeit aber auch hier schwieriger geworden.

Die offiziellen Kontakte nach Moskau wurden seitdem abgebrochen. Dadurch könnten auch Umweltschutzprojekte nicht weiter funktionieren, sagt Volker Rachold vom AWI. Viele Hoffnungen liegen laut Rachold jetzt auf Norwegen, das ab Mai den Vorsitz im Arktischen Rat von Russland übernimmt. Dann, so hoffen die Forscher, könnten die Umweltschutzprojekte wieder weiterlaufen. Schließlich gehen uns die durch die Industrieanlagen in den Permafrostgebieten verursachten Schadstoffe alle an.

Die Studie des internationalen Wissenschaftler-Teams um Moritz Langer wurde Ende März 2023 im Fachblatt "nature communications" veröffentlicht.

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