Das Bild zeigt einen blau leuchtenden Schweif mit einem noch heller leuchtenden Kern im rechten unteren Bildabschnitt. Es handelt sich um eine Aufnahme des interstellaren Kometen 2l/Borisov
Bildrechte: NASA, ESA and D. Jewitt (UCLA)
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Ein Besucher aus einer fremden Welt: Der interstellare Komet 2l/Borisov war noch bis 2020 von der Erde aus zu beobachten.

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Interstellarer Komet 2l/Borisov gibt Geheimnisse preis

Interstellarer Komet 2l/Borisov gibt Geheimnisse preis

Es war nur eine kosmische Stippvisite: Obwohl er schon wieder verschwunden ist, verrät der interstellare Komet 2l/Borisov immer noch Details, woher er eigentlich gekommen sein könnte.

Unser Sonnensystem hat in seiner milliardenjahrelangen Geschichte bislang erst zweimal Besuch von außerhalb bekommen – Besuch, den wir als Menschheit bislang mitbekommen haben, wohlgemerkt. Im Jahr 2017 erregte 1I/'Oumuamua große Aufmerksamkeit, als das erste interstellare Objekt, kurz ISO, das unser Sonnensystem passierte, bevor es auf Nimmerwiedersehen ins All verschwand. 2019 dann entdeckte ein Amateurastronom namens Borisov den nächsten interstellaren Besucher, nämlich das nach ihm benannte Objekt 2l/Borisov.

2l/Borisov als interstellarer Besucher

Derartige interstellare Objekte sind Himmelskörper, die nicht innerhalb unseres eigenen Sonnensystems entstanden sind, sondern in einem fremden Sternsystem. Aus diesem wurden sie wohl zu irgendeinem Zeitpunkt aus irgendeinem Grund hinausgeschmissen und auf kosmische Wanderschaft geschickt. Bei 2l/Borisov war schon 2019 schnell klar, dass es sich bei diesem interstellaren Objekt um einen interstellaren Kometen handelt.

Der erste Komet aus einem fremden Sternsystem

Kometen aus unserem eigenen Sonnensystem bestehen aus Eis, Staub und Gestein. Sie sind bei der Entstehung des Sonnensystems in den äußeren, sonnenfernen und daher kalten Bereichen entstanden – daher das viele Eis. Nähert sich nun ein solcher Komet auf seiner Bahn der Sonne an, erhitzt diese ihn und das Eis und der Staub gasen aus. Ergebnis: Irdischen Astronomen präsentieren sich Kometen als Himmelsspektakel mit Koma, einer nebeligen Hülle, sowie einem prächtigen Schweif.

Interstellar, Komet, 2l/Borisov – inklusive riesigem Schweif

2l/Borisov sah genauso aus wie ein Komet, Koma und Schweif inklusive. Aufgrund seiner Bahn und seiner Geschwindigkeit war aber schnell klar: Dies muss ein interstellares Objekt sein. Dabei betrug der Durchmesser des Besuchers weniger als einen Kilometer, während sein Schweif etwa vierzehn Mal so groß wie die Erde war. Auf den ersten Blick unterschied sich 2l/Borisov nicht deutlich von heimischen Kometen. Inzwischen aber haben mehrere Astronomenteams ihre Beobachtungsdaten vom Besuch des interstellaren Kometen genauer analysiert und liefern einige faszinierende Hinweise auf den Ursprung und die Reise von 2l/Borisov.

Die entprechenden Fachartikel sind in den Fachjournalen Nature Communications sowie Nature Astronomy erschienen. In ihnen kommen die Forschenden zum Schluss, dass 2l/Borisov doch ein klein wenig fremder ist als alle bis dato bekannten Kometen aus unserem eigenen Sonnensystem.

Der ursprünglichste Komet, der je beobachtet wurde: 2l/Borisov

So untersuchte ein Forscherteam die Eigenschaften des Lichts, das von den Staubkörnchen in der Koma, also der nebeligen Hülle um den Kern des Kometen, gestreut wurde. Sie vermaßen die Polarisierung – was vereinfacht gesagt der Schwingungsrichtung des Lichts entspricht – und verglichen diese mit den Daten von heimischen Kometen. Der einzige heimische Komet, der 2l/Borisov in dieser Hinsicht auch nur entfernt ähnelt, ist der Komet Hale-Bopp. Hale-Bopp hat sich seit seiner Entstehung auf seiner Reise durch das Sonnensystem der Sonne lediglich zweimal genährt, zuletzt im Jahr 1997.

Das bedeutet, dass der Komet selbst und der Staub in seiner Koma noch nicht so stark von der Sonne „abgeschmirgelt“ wurden wie von anderen Kometen, die der Sonne öfters näher kommen. Dies spiegelt sich in den Eigenschaften des gestreuten Lichts der Staubkörner aus der Koma wieder. Die Daten der Forscher von 2l/Borisov legen nun nahe, dass dieser Komet noch ursprünglicher ist als Hale-Bopp. Die Vermutung ist daher, dass 2l/Borisov vor seinem Besuch in unserem Sonnensystem weder der Sonne noch irgendeinem anderen Stern jemals nahegekommen ist – auch nicht dem Stern, in dessen System er ursprünglich entstand.

Die Staubkörnchen von 2l/Borisov verraten Details über sein Sternsystem

In dem im Fachmagazin Nature Astronomy erschienen Artikel beschäftigen sich die Forscher genauer mit dem Staub in der Koma von 2l/Borisov. Sie fanden heraus, dass die Staubkörnchen in der Koma aus einer Art winzig kleinen Steinchen mit einer Größe von über einem Millimeter haben. Damit unterscheidet er sich von unseren heimischen Kometen, deren Koma meist aus losen staubigen Zusammenschlüssen bestehen.

Was sagt einem das? Nun, dazu muss man einige Überlegungen und auch Spekulationen anstellen. Zunächst verraten diese Eigenschaften der Staubkörnchen Wissenschaftlern, dass das Sternsystem, in dem 2l/Borisov entstanden sein muss, auf grob ähnliche Weise entstanden ist wie unser eigenes Sonnensystem. Demnach könnte 2l/Borisov entstanden sein, als in dem unbekannten, noch sehr jungen Sternsystem eine ganze Wolke derartiger winziger Steinchen kollabiert ist und sich zusammengeballt hat.

Hinweise auf das Sternsystem, in dem 2l/Borisov entstanden ist

Dann kann man noch ein bisschen weiter spekulieren und Theorien hinzunehmen, wie aufgrund von Wechselwirkungen der Schwerkraft überhaupt ein derartiges Objekt aus seinem Sternsystem geworfen werden kann. Das haben die Autoren der vorliegenden Studie gemacht. Demnach würde die Zusammensetzungen und die Eigenschaften der Staubkörner von 2l/Borisov darauf hindeuten, dass die Wechselwirkungen zwischen dem Material in der protoplanetaren Scheibe um den jungen Stern und wachsende, künftige Gasriesen für den Rauswurf von Kometen sorgen könnte. Demnach würde 2l/Borisov darauf hindeuten, dass, wo auch immer dieser interstellare Besucher entstanden ist, es in seinem Heimatsternsystem Gasriesen geben müsste – ganz ähnlich wie bei uns auch.

Eine Frage der Zeit: Wann kommt der nächste interstellare Besuch?

Ob das alles stimmt, werden die Wissenschaftler vermutlich aber nie. 2l/Borisov ist bereits auf Nimmerwiedersehen im All verschwunden und wird nicht mehr wiederkommen. Aber es ist faszinierend, wie viele Einblicke in fremde Welten und Sternsysteme eine derartige kosmische Stippvisite überhaupt erlaubt. Und: Der nächste interstellare Besucher kommt bestimmt.

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