Invasive Arten sind Tiere oder Pflanzen, die aus fernen Ländern stammen und sich bei uns nicht nur ansiedeln, sondern ausbreiten, weil sie hierzulande keine Feinde oder Gegenspieler haben. Manche verdrängen heimische, teils seltene Arten. Andere führen auch zu wirtschaftlichen Schäden.
Einige dieser Arten wurden mit Absicht eingeführt, oft als Zierpflanzen, die dann den Sprung über den Gartenzaun schafften. Die Goldruten oder das Springkraut zum Beispiel oder der Japanknöterich: Er wird bis zu vier Meter hoch, hat ovale Blätter und weiße Blütenrispen, die jetzt gerade blühen. Mit seinen Wurzelausläufern, die bis zu zwei Meter in den Boden reichen, kann er große Flächen so dicht bewachsen, dass keine andere Pflanze mehr eine Chance hat. Das ist typisch für invasive Pflanzen. Ein Stück dieses Wurzelstocks, im Gartenabfall oder vom Hochwasser mitgerissen, reicht aus, um einen neuen Standort zu besiedeln.
Lange galt der Japanknöterich aber einfach nur als hübsche Gartenpflanze, sagt die Pflanzenökologin Katharina Dehnen-Schmutz von der Coventry University in England: "Der Japanknöterich wurde im 19. Jahrhundert eingeführt. Bis man gemerkt hat, dass das ein Problem ist, war es gegen Ende des 20. Jahrhunderts." Wie in diesem Fall wurde das Problem bei vielen invasiven Arten erst erkannt, als es schon zu spät war, um sie etwa mit Hacke und Schaufel zu bekämpfen.
Invasive Arten mit natürlichen Feinden bekämpfen
Eine andere Möglichkeit, invasive Arten einzudämmen ist, einen auf genau diese Art spezialisierten natürlichen Feind einzuführen. Der verhindert auch im ursprünglichen Verbreitungsgebiet, dass sich die Art ungebremst ausbreitet. Ein britisch-niederländisches Forschungsprojekt hat in Japan an Knöterichpflanzen ein kleines Insekt gefunden, das an den Blättern saugt und die Pflanzen dadurch schwächt, erklärt Katharina Dehnen-Schmutz: "Erstmal wurde ziemlich lange im Labor getestet, um zu sehen, ob es nicht auch andere, einheimische Arten befällt. Dann wurden sie rausgelassen, aber diese Versuche laufen noch und wir wissen noch nicht, ob das wirklich erfolgreich sein wird. Selbst wenn, wird es wahrscheinlich nicht heißen, dass die Art dann hier komplett ausgerottet ist." Sondern bestenfalls, dass sie zurückgedrängt wird.
Stichlinge verdrängen Felchen im Bodensee
Wenn es keine geeigneten natürlichen Feinde gibt, denen man die Arbeit überlassen kann, muss der Mensch doch selbst Hand anlegen. Etwa im Bodensee: Dort hat vor gut 70 Jahren offenbar jemand aus einem Aquarium Stichlinge ins Wasser gekippt, die aus der Ostsee stammen.
Lange Zeit lebten sie unauffällig im Uferbereich, aber 2012 eroberten sie das Freiwasser und breiteten sich dort sofort massenhaft aus. Damit wurde es eng für den Felchen, den Bodenseefisch schlechthin. Denn Stichlinge ernähren sich nicht nur von denselben Kleinstlebewesen wie die Felchen, die deshalb seit Jahren oft klein und mager bleiben. Stichlinge fressen im Winter und Frühjahr auch Fischeier und -larven, berichtet Alexander Brinker, Leiter der Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg: "Wir haben Mageninhalts-Analysen gemacht und gesehen, dass wir Stichlinge fangen können, die 'genagelt voll' mit Felchen-Eiern und Larven sind."
Weitere Analysen zeigten, dass der maximal elf Zentimeter lange Stichling dadurch in der Nahrungskette eine Spitzenstellung einnimmt, sagt Brinker: "Sogar noch über dem Hecht. Also über einem Fisch, der eigentlich ein reiner Raubfisch ist."
Doch lange Zeit vermutete man, dass die Felchenbestände aus einem anderem Grund schrumpfen – weil der See wegen der Kläranlagen weniger Nährstoffe enthält. Jetzt ist es fast zu spät. Nur noch sehr wenige Felchen kommen überhaupt ins vermehrungsfähige Alter. Für 2024 hat die Internationale Bodenseekommission deshalb ein Felchen-Fangverbot ausgesprochen. Außerdem seien zwei aktive Maßnahmen geplant, sagt Alexander Brinker. Erstens: "Felcheneier, die man bekommt, sollen in den Brutanstalten zu einer stichlingsfesten Größe aufgezogen werden, also bis vier Zentimeter, sodass die Stichlinge sie nicht mehr fressen können und man auch die Hoffnung hat, dass sie weniger empfindlich gegen Nahrungsmangel-Situationen sind." Das wird viel aufwendiger als bisher die Aufzucht kleinerer Larven. Außerdem sind Felcheneier eben auch sehr rar geworden.
Zweitens sollen Stichlinge aus dem See geholt werden. "Mit Schleppnetzen, und zwar im Herbst, wenn die Stichlinge sehr große Schwärme im Freiwasser ausbilden und sich nicht mit anderen Fischen vergesellschaften, sodass man keine Kollateralschäden hat." Erst in einigen Jahren wird sich zeigen, ob diese aufwendigen und teuren Maßnahmen etwas bringen. Oder ob die Felchenfischerei am Ende ist, mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen.
Audio: Die Rote Feuerameise ist da - Was tun gegen invasive Arten?
Rund 200 neue Arten pro Jahr in einer Gegend
Tiere und Pflanzen haben es zwar auch ohne menschliches Zutun immer schon geschafft, über große Strecken zu "reisen", etwa im Gefieder von Zugvögeln oder mit Treibholz im Meer. Aber die Zahl war verschwindend gering verglichen mit den rund 200 Arten pro Jahr, die heute in eine Gegend verschleppt werden, in der sie bisher nicht vorkamen. Kontrollen im internationalen Handel sollen diese Arten-Importe verhindern, erklärt Pflanzenökologin Katharina Dehnen-Schmutz: "Es gibt innerhalb der EU eine Verordnung, die auch bestimmte Arten zum Beispiel schon gebannt hat von der Einführung. Die EU-Verordnung sieht auch vor, dass die Mitgliedsländer Aktionspläne erstellen müssen. Deutschland hat auch schon Aktionspläne erstellt, gerade in den letzten Jahren, ganz besonders für gebietsfremde Arten, die unbeabsichtigt eingeführt werden."
Sie können an Angelausrüstung oder Schuhsohlen haften oder als blinde Passagiere in Schiffscontainer geraten. Aber bis heute kann man auch exotische Haustiere, etwa Insekten, im Internet bestellen, die sich anderswo schon als invasiv erwiesen haben. Die vielleicht irgendwann entkommen oder freigelassen werden, weil sie doch langweilig oder lästig sind. Das könnte dann der Anfang der nächsten biologischen Invasion sein.
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