Endlich war es so weit: Die drei am James Webb-Weltraumteleskop beteiligten Weltraumorganisationen NASA, ESA und CSA haben Bilder der ersten wissenschaftlichen Beobachtungen des Hubble-Nachfolgers veröffentlicht. Das James Webb-Weltraumteleskop (JWST) war im Dezember 2021 von der europäischen Weltraumorganisation ESA an Bord einer Ariane 5-Rakete auf den Weg gebracht worden. Seitdem war das NASA-Teleskop damit beschäftigt, seine Teleskopspiegel und seinen Sonnenschild zu entfalten, zu seinem Ziel in rund 1,5 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde zu fliegen und dort schließlich die Instrumente zu kalibrieren und abzukühlen.
Weltraumteleskop zeigt Kosmos wie man ihn noch nie gesehen hat
Dann konnte das James Webb-Weltraumteleskop mit den wissenschaftlichen Beobachtungen starten. Jahrelang hatten Forschende darüber debattiert, wohin das Teleskop als erstes schauen sollte. Heraus kam dabei schließlich eine Liste von fünf Zielen. US-Präsident Joe Biden durfte bereits gestern der Welt einen Vorgeschmack auf die ersten Bilder präsentieren: Es ist eine sogenannte "Deep Field"-Aufnahme des Galaxienhaufens SMACS 7023 im südlichen Sternbild Fliegender Fisch (Volans). Rund 4,6 Milliarden Jahre hat das Licht dieses Galaxienhaufens gebraucht, bis es die Erde erreicht hat.
Ein tiefer Blick ins Universum: Der Galaxienhaufen SMACS 0723
Der Galaxienhaufen SMACS 0723 befindet sich rund 4,6 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Fliegender Fisch (Volans). Das James Webb-Weltraumteleskop hat damit eine Art "Deep Field" Aufnahme gemacht, für die schon sein Vorgänger, das Hubble-Weltraumteleskop, berühmt geworden ist: Dabei beobachtet ein Teleskop über einen längeren Zeitraum dasselbe Stückchen Himmel, um so noch Licht von besonders weit entfernten und leuchtschwachen Galaxien einzufangen. Doch wofür Hubble Tage und Wochen brauchte, benötigte das James Webb-Weltraumteleskop nur rund 12,5 Stunden.
Die verzerrten, lang gezogenen Galaxien im Bild sind übrigens noch weiter entfernt als der Galaxienhaufen SMACS 0723. Sie liegen - von der Erde aus gesehen - hinter ihm. Aufgrund des sogenannten Gravitationslinseneffekts wird ihr Licht von dem massereichen Galaxienhaufen gebündelt und verstärkt. Das Ganze funktioniert ähnlich wie eine optische Linse, nur mit massereichen Himmelskörpern. Deshalb können wir diese Galaxien überhaupt noch beobachten. Einige dieser Galaxien - die kleinen, roten Punkte - haben ihr Licht vor über 13 Milliarden Jahren ausgesendet.
Die sechs prächtigen Zacken des hellen Sterns sind übrigens streng genommen nicht gewollt. Auch der Stern selbst ist natürlich nicht gezackt. Es handelt sich dabei um einen optischen Effekt, der der Tatsache geschuldet ist, dass die einzelnen Spiegelsegmente des James Webb-Weltraumteleskops sechseckig sind. Auch vom Hubble-Weltraumteleskop - oder sogar von irdischen Teleskopen - sind solche Effekte bekannt.
JWST sieht die Atmosphären von Exoplaneten: WASP-96b
Der Exoplanet WASP-96b ist ein Planet, der um einen anderen Stern als die Sonne kreist: Rund alle 3,4 Tage dreht er eine Runde um seinen sonnenähnlichen Stern WASP-96. Rund 1.120 Lichtjahre von der Erde ist er entfernt. Er ist halb so groß wie Jupiter, aufgrund der großen Nähe zu seinem Stern ist er sehr heiß. Man kann ihn sich wie eine heiße, aufgepuffte Gaskugel vorstellen.
Und: Der Exoplanet WASP-96b hat eine Atmosphäre. Das James Webb-Weltraumteleskop konnte diese Atmosphäre nun hochgenau vermessen. Das funktioniert, indem das JWST den Stern des Exoplaneten, WASP-96, genau dann beobachtet, wenn der Exoplanet davor vorüberzieht. Das empfangene Licht zerlegt das Teleskop dann in ein Art Regenbogen, Spektrum genannt. So können Forschende herausfinden, welche chemischen Elemente und Moleküle in der Atmosphäre des Exoplaneten vorhanden sind. Dieses Spektrum zeigt: In der Atmosphäre von WASP-96b gibt es nicht nur Wasser, sondern auch Wolken.
Das Besondere am James Webb-Weltraumteleskop: Es ist auf den infraroten Bereich des elektromagnetischen Spektrums spezialisiert, nicht auf den sichtbaren Bereich. Im Infrarotbereich lassen sich nämlich nicht nur extrem weit entfernte und lichtschwache Galaxien beobachten wie im Fall von SMACS 0723, sondern auch Exoplaneten und ihre Atmosphären besonders gut untersuchen.
Ein Stern stirbt: Der Südliche Ringnebel NGC 3132
Rund 2.500 Lichtjahre entfernt im Sternbild Segel des Schiffs befindet sich ein Planetarer Nebel namens NGC 3132. Die Bezeichnung "Planetarer Nebel" ist vielleicht etwas verwirrend, denn ein solcher Nebel aus heißem Gas und Staub wird von einem sterbenden Stern am Ende seiner Entwicklung ausgestoßen. Die Gaswolke breitet sich mit einer Geschwindigkeit von rund fünfzehn Kilometern pro Sekunde aus und ist fast ein halbes Lichtjahr breit.
Das James Webb-Weltraumteleskop hat diesen auch Südlichen Ringnebel genannten Nebel mit zwei verschiedenen Kameras aufgenommen. Im Mittelpunkt des Nebels ist ein Doppelsternsystem zu sehen: zwei Sterne, die einander umkreisen. Erstmals werden mithilfe des James Webb-Weltraumteleskops feine Details sichtbar. Das Bild auf der rechten Seite verrät Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, dass der zweite Stern im Zentrum von Staub umgeben ist. Der hellere Stern hingegen ist noch nicht ganz so weit in seiner Entwicklung: Er wird erst in Zukunft seinen eigenen Planetaren Nebel ausstoßen.
Auch diese Bilder wurden im infraroten Bereich des elektromagnetischen Spektrums aufgenommen und anschließend so aufbereitet und eingefärbt, das wir sie im sichtbaren Bereich bewundern können.
Die Galaxiengruppe Stephans Quintett in den Augen des JWST
Stephans Quintett lautet der Name einer Galaxiengruppe im Sternbild Pegasus. Diese Galaxiengruppe wurde bereits im 19. Jahrhundert entdeckt und ist auch auf bisherigen Teleskopaufnahmen hübsch anzusehen. Das James Webb-Weltraumteleskop hat diese Galaxiengruppe als Motiv für seine bislang größte Aufnahme verwendet: Die Originalversion des Bildes besteht aus fast 1.000 einzelnen Bilddateien und enthält über 150 Millionen Pixel.
Mit der extrem hohen räumlichen Auflösung im Infrarotbereich kann das James Webb-Weltraumteleskop so Details im Kosmos sichtbar machen, die wir bislang noch nie beobachten konnten.
Mit dem James Webb-Weltraumteleskop können wir Sternen beim Entstehen zusehen
Der Carinanebel im Sternbild Kiel des Schiffs ist eine Sternentstehungsregion: Hier werden neue Sterne geboren. Er erstreckt sich über 200 bis 300 Lichtjahre, man kann ihn getrost als riesig bezeichnen. Sternentstehungsregionen sind mit ihren bereits entstandenen, hell leuchtenden Sternen und ihren Wolken aus Gas und Staub seit jeher hübsch anzusehen. Auch das Hubble-Weltraumteleskop hat diesen Teil des Carinanebels bereits beobachtet: Es handelt sich dabei um den Rand des Emissionsnebels NGC 3324.
Die NASA nennt diese Strukturen die "kosmischen Klippen". Mit dem James Webb-Weltraumteleskop werden nun Details sichtbar, die Astronominnen und Astronomen bislang verborgen geblieben sind, das Bild wirkt beinahe dreidimensional. Die größten "Erhebungen" dieser kosmischen Klippen sind rund sieben Lichtjahre hoch. Das Licht und die Sternenwinde junger, heißer Sterne haben darüber eine Art Hohlraum innerhalb des Nebels geschaffen.
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